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„Für einen Dreier vom Parkplatz reicht es noch“

Eric Taylor im großen Jubiläums-Interview

Der Gedanke war schnell gefasst. Pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum der Telekom Baskets Bonn sollte ein besonderes Interview her. Mit einem besonderen Gesprächspartner. Diese besonderen Voraussetzungen verlangten nach einer ausgewählten Liste an potenziellen Spielern, mit denen sich über vergangene Zeiten ausgetauscht werden sollte. Die Entscheidung fiel ebenso schnell wie einstimmig: Eric Taylor muss her. Gesagt, getan … und so ergab sich nach exakt zwei SMS und drei kurzen Mails ein Termin für ein langes Telefonat, in dem „ET“ über die Gegenwart, den anstehenden Baskets Day als auch seine aktiven Tage in Bonn berichtete.

Kommt am "Baskets Day" (3.5.) zurück auf den Hardtberg: Eric Taylor (Foto: Jörn Wolter)

Als bei Taylor erstmals das Telefon klingelt, steht er gerade in der Halle – natürlich. Die Mobilfunke liegt irgendwo außer Hörreichweite. Als er später die hinterlassene Nachricht abhört, textet er kurzum zurück: „Sorry I missed your call. Can you call me later?“ Schnell wird sich auf eine für beide Seiten trotz Zeitverschiebung passende Uhrzeit geeinigt, und so meldet sich an einem sonnigen Mittwochnachmittag ein bestens gelaunter Eric Taylor. Sich auf dem Heimweg befindend plaudert der Pionier des Bonner Bundesliga-Basketballs wie ein Wasserfall und wird nur dadurch gestoppt, dass seine vierjährige Tochter zwischendurch ans Telefon kommt und die Leitung unterbricht.

Eric, was ging dir durch den Kopf, als du erfahren hast, dass die Telekom Baskets Bonn ihren 20. Geburtstag feiern und die Fans dich als 3.5. beim Baskets Day nochmal spielen sehen wollen?

Eric Taylor: „Das ist großartig. Es ist Wahnsinn, dass die Leute mich nicht vergessen haben und sich auf diesen Tag freuen. Gleichzeitig dachte ich: Ist das wirklich schon so lange her? Irre. Ich bin total aufgeregt, einige der alten Jungs wieder zu sehen, mit ihnen zu quatschen und in der neuen Halle zu spielen. Das wird ein großartiges Familientreffen mit Leuten verschiedener Generationen, und ich bin gespannt darauf, wie die Spieler nach meiner Zeit ihre Jahre in Bonn wahrgenommen haben. Doch am meisten freue ich mich auf die Bonner Fans, die riesigen Anteil daran haben, dass Deutschland für mich so etwas wie eine zweite Heimat geworden ist.“

Bevor wir das Rad der Zeit zurück in die Neunziger drehen: Was macht Eric Taylor dieser Tage, und wie sehr ist Basketball heute noch ein Teil deines Lebens! In der Presse war vor einigen Jahren von einem Coffee Shop zu lesen…

„Damals war die Kaffee-Sache aktuell. Ich habe während meiner Karriere so lange in Europa gespielt, habe so viele verschiedene Länder bereist und in verschiedenen Kulturkreisen gelebt, da nimmst du automatisch etwas mit. Und ich dachte mir: Vielleicht möchten die Amerikaner nicht immer nur zu den großen Ketten gehen, sondern wollen lieber einen ordentlich aufgebrühten Kaffee. Ich habe den Laden insgesamt drei Jahre betrieben … aber meine Landsleute waren wohl noch nicht bereit genug für diesen Genuss. (lacht)
Aktuell arbeite ich als Coach an der Grand Rapids Christian High School tätig und versuche den Kids ein bisschen was von dem mitzugeben, was ich in meinen aktiven Tagen an Erfahrung mitgenommen habe. Ich denke, dass es für die junge Generation sicher auch ein Stück weit cool ist, von einem ehemaligen Profi trainiert zu werden.“

Du hast in deiner Karriere schon viel gesehen. Welche Einflüsse aus der Bonner Zeit bekommen die Kids davon jetzt zu spüren?

(lacht) „Die Waldläufe. Ernsthaft: Ich glaube noch heute an das, was Bruno (Socé, die Red.) uns damals immer eingeimpft hat. Nämlich, dass sich harte Arbeit an einem bestimmten Punkt immer auszahlt. Das ist etwas, das ich für mich in meiner Arbeit mit den Schülern übernommen habe. Mein Vorteil dabei ist, dass ich ihnen genau belegen kann, wovon ich rede.“

Wie nah, wie unmittelbar ist deine Europa-Karriere der jungen Generation in Grand Rapids bekannt?

„Die Wahrnehmung hier ist natürlich eine andere als in Bonn. Europa ist für Kids aus Michigan natürlich ziemlich weit weg – das ist vollkommen nachvollziehbar. Die Leute hier in den Staaten erinnern sich eher daran, dass ich am College zweifacher All-American war…“

…dessen Zahlen noch heute in den Annalen der Oakland Golden Grizzlies zu finden sind. Die meisten Steals (233), die viertmeisten Punkte (2.210) und die fünftbeste Dreierquote (40,2 Prozent) sind in den Büchern deiner Alma Mater verankert.

„Ja, diese Dinge sind für die Leute hier viel greifbarer, weil sie insgesamt näher dran sind und die Bedeutung besser einordnen können. Vielleicht werde ich auf der Straße nicht erkannt – was auch nicht unbedingt sein muss – doch mein Name lässt bei vielen die Glocken klingeln.“

Am College hast du unter Greg Kampe gespielt, der bei den Grizzlies dieser Tage in seiner 31. Saison steht. Was hat er dir mit Blick auf deine Profikarriere mit auf den Weg gegeben?

„Wow … das lässt sich nur schwer zusammenfassen, weil er auf so vielen unterschiedlichen Ebenen ein Mentor für mich gewesen ist. Er hat mir geholfen, das Spiel aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und auch die kleinen Dinge zu wertschätzen. Aber vor allem hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass ich meine individuellen Fähigkeiten auf ein höheres Level heben konnte. Dabei ging es nicht nur darum, im Angriff kluge und möglichst viele richtige Entscheidungen zu treffen. Es war die Art und Weise, wie er mich defensiv gefordert und vor andauernd neue Herausforderungen gestellt hat … das hat mir enorm geholfen, mich auf das vorzubereiten, was im Anschluss kam.“

Womit wir beim Sprung nach Deutschland sind. Wie kam all das im Jahre 1992 zustande?

„Die Geschichte beginnt sogar schon rund um Weihnachten 1991 als Ludwigsburg eine US-Tour gemacht hat und noch Spieler brauchte, die sie begleiteten. Ich glaube, dass wir damals vier von Partien gewonnen haben. Ludwigsburgs Trainer Dan Palmer ist daraufhin auf Coach Kampe zugegangen und hat sich erkundigt, was mein Status ist. Aber ich war noch an der Uni und konnte nicht einfach meine Zelte hier abbrechen. Ein Jahr später jedoch bin ich nach Deutschland geflogen, meinen Kumpel Jarvis Walker zu besuchen. Ich sitze also im Hotel, als das Telefon klingelt und ich plötzlich gefragt werde, ob ich nicht spontan am Allstar Game der 2. Liga teilnehmen möchte, da irgendjemand abgesprungen ist – ohne Schuhe oder Sportklamotten im Gepäck. Also haben die Jungs, woher auch immer, Sportsachen organisiert und mich mitspielen lassen. Ab da nahmen die Dinge ihren Lauf…“

Und dann kam Bonn…

(lacht) „Das ist auch so eine verrückte Geschichte. Ich war auf dem Weg nach Mexiko, als das Telefon klingelte und Dan Palmer mir erklärte, dass Bonn Interesse an mir hätte. Er hat mich so lange bequatscht, bis ich zusagte und in den Flieger gestiegen bin. Mein erster Gedanke, als ich in die Pennenfeldhalle kam, war:  Verdammt, die Hütte ist ziemlich klein! Am College hatte ich in wesentlich größeren Arenen gespielt, aber dieser Ort sollte über all die Jahre mein Zuhause werden. Und so beschloss ich damals, dass wir dort etwas Besonderes schaffen würden. Dass dies der Ort ist, an dem ich meinen besten Basketball spielen will.“

Am 20. März 1995 wurden die Telekom Baskets Bonn gegründet, im gleichen Sommer ein schlagkräftiges Team zusammengestellt. Ab welchem Zeitpunkt wusstet ihr damals, dass es mit dem Aufstieg in die 1. Liga klappen kann?

„Das Thema schwirrte schon vorher lange Zeit in meinem Kopf herum. Was müssen wir tun, um besser zu werden? Welche Typen brauchen wir, um aufzusteigen? Mit dem Kader, denn wir in der Saison 1995/1996 hatten, war sehr schnell klar, dass da etwas ganz spezielles passiert. Es am Ende ungeschlagen durch die Saison geschafft zu haben und  in der Relegation auch noch zu bestehen, war für mich persönlich und sportlich eine riesige Genugtuung. Das kann uns niemand mehr nehmen. Wir waren Pioniere. Wir haben zu etwas beigetragen, das bis heute Bestand hat.“

Dann ging alles ganz schnell: Aufstieg, im ersten Jahr direkt ins Finale … wie lange brauchst es, um diese Geschehnisse mit Abstand in Ruhe betrachten zu können?

„Das hat tatsächlich ein paar Jahre gedauert, um diese Zeit richtig einordnen zu können. Vor allem während der drei Saisons zwischen 1995 und 1998 ist so viel geschehen, ging alles so wahnsinnig schnell, dass du es zwar genießt, aber sehr im Moment gefangen bist. Wenn ich jetzt zurückblicke und erkenne, was wir da er- und geschaffen haben, dass wir die Menschen berührt und ihnen bis heute in Erinnerung geblieben sind … daran erkennst du, wie speziell all das gewesen ist.
Was leider oftmals vergessen wird, ist die Tatsache, dass wir in der Saison 1997/1998 eine echte Chance auf den Titel hatten. Wir waren auf dem besten Wege, es „back-to-back“ in die Finalserie zu schaffen. Ich war mit 28 Jahren im besten Basketball-Alter, aber dann haben Klaus und ich uns verletzt, was uns die Serie gegen Ulm gekostet hat – das war unglaublich bitter. Dabei hatten wir uns gerade als Club in der Liga etabliert und hätten mit einem Titel etwas ganz Besonderes schaffen können.“

Am 3.5. kommt es beim „Baskets Day“ zum großen Familientreffen. Neben dir werden noch viele andere altgediente Recken im Telekom Dome auflaufen…

„Das wird großartig! Die ganzen Jungs wiederzusehen … die Fans … die neue Halle … absoluter Wahnsinn. Ich freue mich riesig darauf. Es gibt so viele tolle Erinnerungen und Geschichten als alten Zeiten, die es zu erzählen gilt. So viele Leute, die mich damals unterstützt haben und denen ich noch heute dafür von Herzen dankbar bin. Es gibt so viele gemeinsame Momente, die aus unserem kollektiven Gedächtnis nicht zu löschen sind. Und dann wollen wir mal sehen, was auf dem Feld aus den alten Knochen noch rauszuholen ist. Aber für einen Dreier vom Parkplatz sollte es wohl reichen!"

 


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