SucheSuche

„Mir sind hier großartige Dinge widerfahren“

Baskets-Headcoach Predrag Krunic im Interview

An seinem 49. Geburtstag ist Predrag Krunic ein vielbeschäftigter Mann, immerhin hat er ein Spiel gegen Bremerhaven zu absolvieren. Darum nahm sich der Baskets-Headcoach bereits im Vorfeld ausführlich Zeit, um über Herausforderungen, den Standort Bonn und die Finalserie von 2009 zu sprechen.

Weiß seit 1998 ganz genau um die Bedeutung des Basketballs in Bonn. (Foto: Jörn Wolter)

Coach Krunic: Sind Sie jemand, der mit festgelegten Voraussetzungen gut arbeiten kann?

Predrag Krunic:  Die Situation war völlig atypisch zu dem, wie es im Basketball normalerweise läuft. 48 Stunden vor dem ersten Spieltag eine Mannschaft zu übernehmen, ist schon ungewöhnlich. Aber ich denke, dass wir einen sehr ordentlichen Weg gefunden haben, um miteinander zu arbeiten. Das war eine grundsätzlich nicht sehr einfache Situation. Seitdem haben wir viel bewegt und auch einige gute Dinge auf dem Feld gezeigt. Leider haben uns die Verletzungen – ob groß oder klein – ein wenig den Rhythmus genommen, doch das Team ist auch diese Hürden bislang mit viel Motivation und Ehrgeiz angegangen. Wann immer jemand fehlt, verändert das die Dynamik innerhalb der Mannschaft – sowohl im Training als auch im Spiel.

 

Wie sehr sind Situationen, in denen Spieler verletzt fehlen, auch immer eine Herausforderung für den Trainer?

Krunic: Grundsätzlich ist das keine wünschenswerte Situation – für niemanden. Aber es ist definitiv so, dass es dann umso mehr auf die Arbeit im Detail ankommt. Dass intern gut kommuniziert wird. Wie in der kurzen Zeit zwischen den Auswärtsspielen in Södertälje und Würzburg, als wir nur mit einem kleinen Kader arbeiten konnten und versuchen mussten, Reisestress, Regeneration, Nachbereitung und Vorbereitung optimal aufeinander abzustimmen. Aber wenn sich alle, von den Trainern über den Staff bis hin zu den Spielern, dieser Besonderheit bewusst sind, fällt es deutlich leichter an die eigenen Grenzen zu gehen.

 

Haben die Spieler überhaupt eine andere Wahl als Vollgas zu geben, wenn der Trainer an der Seitenlinie „mitarbeitet“ und eine hohe Intensität aktiv vorlebt?

Krunic: Ich versuche immer in diese Richtung zu gehen: Emotionen, Gesten, Bewegung. Wenn du im Training nur neun Leute hast, gerade erst von einer Reise zurückgekommen bist, zuletzt vielleicht ein paar Spiele verloren hast … dann pusche ich nochmal mit mehr Emotionalität, um die Mannschaft mitzunehmen. Es geht darum, zu zeigen: Es geht immer noch ein bisschen mehr! Das ist etwas, dass ein Stück weit aus meinem Naturell heraus kommt, auf der anderen Seite setze ich das auch bewusst und sehr dosiert ein.

 

Auch wenn in den letzten elf Jahren immer eine Verbindung zu Bonn und den Telekom Baskets vorhanden war: Was ist der vielleicht größte Unterschied zwischen dem Trainer Predrag Krunic 2005 und 2016?

Krunic: Abgesehen davor, dass wir alle älter geworden sind, ist vor allem viel Erfahrung hinzugekommen. Elf Jahre sind im Basketball eine lange Zeit, in der eine ganze Menge passiert ist. Aber auch abseits der Halle gibt es Dinge, die Menschen prägen und zu dem machen, der sie heute sind – das geht mir nicht anders. Basketballerisch geblieben sind auf jeden Fall die Basics, mit denen ich als Trainer arbeite und auf die ich im Umgang mit meiner Mannschaft vertraue.

 

Wenn sich der Trainer Predrag Krunic in diesen elf Jahren verändert hat: Inwiefern haben sich die Telekom Baskets in dieser Zeit verändert – oder auch nicht?

Krunic: Der größte Unterschied ist ganz klar, dass es heute den Telekom Dome gibt. Bis 2005 haben wir noch in der Hardtberghalle gespielt und trainiert, wobei wir vormittags aufgrund des Schulsports mit einem Drittel auskommen mussten, während links und rechts von uns Völkerball gespielt oder Geräteturnen stattfand. Manchmal fragten Schüler auch Spieler nach einem Autogramm. Jetzt in einem vereinseigenen Komplex arbeiten zu können, hebt alles auf ein höheres Level. Die Wege zwischen Kraftraum, Kabine, Halle, aber auch der Geschäftsstelle sind kurz und vereinfachen viele organisatorische Abläufe ungemein. Allein daran lässt sich erkennen, dass die Baskets sich seit 2005 immens weiterentwickelt haben, größer und noch professioneller geworden sind. Aber wenn du im Büro bist, mit den Mitarbeitern sprichst, oder dich bei den Spielen in der Halle umsiehst und dich mit den Fans unterhältst: Da stecken so viele Emotionen drin! Das ist sicherlich der Hauptpunkt, der Bonn schon immer ausgezeichnet hat: Die Menschen hier leben und lieben Basketball. Viele Zuschauer, die schon früher mit dabei waren, kommen heute immer noch mit demselben Enthusiasmus zu den Spielen und feuern das Team  an. Das ist großartig und alles andere als selbstverständlich.

 

Eine in den letzten elf Jahren gemachte Erfahrung wird den damaligen Oldenburger Trainer Predrag Krunic und Bonn immer verbinden: Die Finalserie 2009. Bonn verlor 70:71 im letzten, entscheidenden fünften Spiel. Wie haben sie die letzten 23 Sekunden erlebt?

Krunic: Das ist für mich Vergangenheit. Ich bin schon immer jemand gewesen, der schöne wie schlechte Momente in dem Augenblick, in dem sie vorbei sind, nicht mehr im Fokus hat. Gerade unter Trainern und Spielern gibt es viele, die immer über das reden, was in der Vergangenheit passiert ist. Aber es ist nicht mehr aktuell. Deswegen schaue ich lieber nach vorn, denn es gibt immer Aufgaben, die gerade angegangen werden müssen und bei denen der Blick auf Geschehenes nur ablenken kann.

 

Anders formuliert: Was haben Sie in diesem Spiel als Trainer gelernt, was sie noch heute in Ihrer Arbeit beeinflusst?

Krunic: Aus der gesamten Serie konnten alle Beteiligten viel für ihre basketballerische Zukunft mitnehmen, zumal die ersten vier Partien völlig atypisch verliefen, da immer die Auswärtsmannschaft gewann.  Beide Teams haben im jeweils nächsten Spiel immer alles gegeben, um den entstandenen Nachteil wett zu machen. Und wir haben alle gelernt, dass es sich immer lohnt, bis zum Ende an den Erfolg zu glauben und dafür zu kämpfen. Denn wenn der Glaube und der Einsatz nicht stimmen, wird auch nie etwas zu deinen Gunsten geschehen. Diese Einstellung von beiden Seiten aus hat die Serie zu etwas Besonderem gemacht.

 

Welche Entscheidung fiel schneller: Die Zusage für den BasketsDay zur 20-Jahr-Feier des Vereins oder die Zusage zwei Tage vor Beginn der Saison 2016/2017 die Mannschaft zu übernehmen?

Krunic: Ich muss vorweg sagen, dass Bonn für mich ein ganz besonderer Verein ist, weil mich mit den Baskets spezielle Emotionen verbinden. Sie waren  1998 meine erste Station als Profitrainer, noch dazu weg von der Heimat. Mir sind hier großartige Dinge widerfahren. Ich durfte als Co-Trainer arbeiten, konnte viel dazulernen und später sogar als Headcoach die Mannschaft übernehmen. Wenn dich – sportlich und persönlich – so viel mit einer Stadt und einem Verein verbindet, dann zwei Tage vor dem ersten Spiel ein solcher Anruf kommt, dann zögerst du keine Sekunde. Mir Bedenkzeit einzuräumen, war für mich keine Option. Ganz genau so war es auch bei der 20-Jahr-Feier. Wenn du eine solche Einladung erhältst, kannst du nur stolz darauf sein, Teil davon sein zu dürfen und dass der Verein zu einem solchen Anlass an dich denkt.

 

Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Spieler wissen, an was für einem gewachsenen Standort sie sich gerade befinden?

Krunic: Ich versuche den Jungs immer zu erklären, was Bonn ausmacht. Das ist bei all den Trainings und den vielen Spielen nicht immer einfach, da schlichtweg die Ruhe dazu fehlt. Aber wenn wir etwas ruhige Phasen haben, dann gebe ich dem Team immer etwas mit auf den Weg. Sie müssen von der Historie der Baskets wissen, müssen von der Bedeutung Bonns für den deutschen Basketball erfahren.

Als ich während der Vorbereitung beim Kranz Parkhotel-Cup im Telekom Dome war, habe ich mich kurz mit Filip Barovic, den ich schon länger kenne, unterhalten. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihm gesagt, dass er hier in Bonn in einem sehr guten Club untergekommen ist, für den er alles geben und bei möglichst lange bleiben soll. Wenn du einen Verein schon so lange kennst und im Basketball einiges gesehen hast, kannst du bestimmte Situationen und Standorte besser einschätzen, da du viel mehr Vergleichsmöglichkeiten hast. In diesem Moment wollte ich Filip unbedingt wissen lassen, in was für einer glücklichen Position er sich befindet.

 

Wenn Predrag Krunic sich ein Spiel seiner Töchter anschaut: Sitzt auf der Tribüne der mitfiebernde Vater, oder auch immer ein bisschen der Trainer?

Krunic: Nein, der Trainer hat dann frei. Meiner Meinung nach muss jeder Vater in der Halle einfach nur Vater sein dürfen. Ich kommentiere auch nichts von dem, was auf dem Feld passiert. Manchmal fragen mich die Mädels zu Hause, wie ich dies oder jenes gesehen habe. Aber von mir aus würde ich nie auf sie zugehen, und aus Trainersicht etwas sagen. Es gibt Eltern, die hoffen und erwarten, dass ihre Kinder zu großen Stars werden. Ich genieße die Spiele einfach, wie sie sind, und erfreue mich als Vater daran, dass meine Kinder Spaß beim Basketball haben – das ist ein ganz besonderes Gefühl, das da in mir ausgelöst wird.“


Druckansicht zum Seitenanfang