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Sneakin‘

Baskets-Forward Ken Horton im Portrait

Der modern Basketball wird immer komplexer. Die taktische Ausrichtung einer Mannschaft stellt höchste Ansprüche an das auf dem Parkett ausführende Personal. Die Spieler indes stehen vor der Herausforderung, nach Möglichkeit immer athletischer, größer, starker, schneller, explosiver zu werden, ohne dabei ihre eigentlichen Stärken zu vernachlässigen. Viele Akteure leiden unter der neuen, positionslosen Welle. Nicht so Ken Horton, der es sich zu Eigen gemacht hat, im Teamgefüge unbemerkt an genau die richtige Stelle zu schleichen, wo er am effektivsten ist.

(Foto: Jörn Wolter)

Die Planung am Reißbrett, geschweige denn die tatsächliche Zusammenstellung eines Kaders ist keine einfache Aufgabe. Der Markt ist überflutet von Spielern, welche die unterschiedlichsten Anforderungsprofile bedienen. Neben Gigabyte an statistischen Werten aller Art werden im Sommer bei persönlichen Treffen oder Telefonaten zudem Informationen ausgetauscht, die auf keinem Papier zu finden sind. Es sind Gedankenprotokolle, die abgerufen und streng vertraulich behandelt werden. Dieses Wissen erhält umso mehr Bedeutung, je mehr Spieler bereits verpflichtet wurden. Dadurch reduziert sich die Zahl der möglichen Kandidaten für die freie Position schneller als gedacht.

Das von Bonn im Sommer dem Kader als letztes hinzugefügte Mosaikteilchen hört auf den Namen Ken Horton. Der Amerikaner ist keiner, der bei generischen Fans für literweise Angstschweiß auf der Stirn sorgt. Doch die Anhänger der Telekom Baskets, die ihn regelmäßig auf dem Feld sehen, die gelernt haben zwischen den Zeilen des Statistikbogens zu lesen, wissen um den immensen Wert des Forwards. Denn Horton ist nach einer kurzen Phase der Anpassung genau das: Weder Power, noch Small … sondern nur noch Forward. Ein sogenannter Tweener, der problemlos zwischen dem großen und kleinen Flügel hin- und herwechselt, ohne dabei den Rhythmus der eigenen Mannschaft zu stören.

They was hatin’ on me then,
And they hatin’ now

Jungen Spielern, bei denen die Perspektive Profi realistisch gegeben ist, wird oftmals eingetrichtert, sich auf ein bis zu Stärken zu fokussieren und diese zur Perfektion auszubilden. Sich zu spezialisieren, um dadurch ein klares Merkmal zu erlangen. Einen Wiedererkennungswert, der es dem Betrachter als auch dem Coach einfacher macht – vermeintlich. „Am College war ich weitestgehend ein Schütze“, beschreibt Horton. „Trotz meiner Größe habe ich meist draußen gestanden und habe den Ball fliegen lassen.” Dies ändert sich jedoch, als die Trainer beschließen, seine Spannweite und laterale Geschwindigkeit universeller einzusetzen. „Wir haben kontinuierlich daran gearbeitet, dass ich nach einem gestellten Block nicht mehr nur nach außen poppe, sondern mich auch zum Korb abrolle, das Brett attackiere und so weniger ausrechenbar werde.”

So geht es im Sommer 2012 mit einem gut gefüllten Werkzeugkoffer von der Central Connecticut University ins beschauliche Boulogne-sur-Mer nach Frankreich. Das Selbstvertrauen des damals 23-Jährigen ist auf einem amtlichen Level, wie es nur übermütige Jungspunde oder abgebrühte Veteranen haben können – Horton gehört zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht zur zweiten Kategorie. „Wenn ich heute einem Rookie einen Tipp mitgeben müsste, würde ich ihn davor warnen, nicht zu sehr von sich selbst überzeugt zu sein”, sagt er in der Gegenwart. „Ich dachte von mir, der beste Spieler zu sein und den Lauf eines Spiels nach meinem Willen bestimmen und lenken zu können. Das hat überhaupt nicht funktioniert.“ Er lacht, reibt sich mit beiden Händen über die frisch rasierte Glatze und schwelgt in Erinnerungen. „Die plötzliche Erkenntnis, dass auf dem Profi-Level alle Spieler richtig zocken können, war erstmal gewöhnungsbedürftig. Zumindest solange, bis ich auch rechts und links die Augen offen gehalten habe, um zu erkennen, wer welche Stärken mitbringt und wie ich die vorhandenen Lücken mit meinen Fähigkeiten füllen kann.”

You gon make me call
my bros for assistance

In der laufenden Saison 2016/2017 hat Ken Horton in der easyCredit Basketball Bundesliga bis dato 17 Partien für die Telekom Baskets Bonn absolviert. Zwar legt er durchschnittlich mehr als solide 10,5 Punkte pro Spiel auf, doch ist er bei seinen Einsätzen erst zweimal als Topscorer in Erscheinung getreten – beim Saisonauftakt in Berlin (19pts) sowie beim fulminanten 95:72-Sieg der Baskets über die „Albatrosse“ im Telekom Dome, wo Horton mit 31 Zählern zum Matchwinner avanciert.

Es sind vor allem zwei Dinge, die dem 1,99 Meter-Mann in die Karten spielen. Einerseits hat er bereits eine Spielzeit in der Bundesliga auf der Habenseite, was von unschätzbarem Vorteil ist. „Das ist etwas, das oftmals sträflich unterschätzt wird”, sagt Horton. „Wenn du die Verhältnisse in den Hallen kennst, viele Spieler schonmal gesehen und gegen sie gespielt hast, die grundsätzliche Philosophie der Teams kennst … das sind alles Aspekte, die dich unvorbereitet treffen und aus deinem Rhythmus bringen können.”

Schon im zweiten Saisonspiel verletzt sich Horton am Knie. Innenbanddehnung links. Vier Wochen Pause. Dabei hatte er gerade richtig durchstarten wollen. „In dieser Zeit bin ich meiner Frau wahrscheinlich unheimlich auf den Keks gegangen“; gesteht er. „Denn schließlich wollte ich spielen, wollte den Jungs da draußen helfen Partien zu gewinnen. Doch die Verletzung hat mich gelehrt, geduldig zu sein und meinen Teamkollegen noch mehr zu vertrauen. Irgendwann war mit klar: Ich brauche nichts überstürzen, kann die Verletzung komplett auskurieren und aus dem Kopf kriegen, damit ich der Mannschaft im Anschluss umso mehr helfen kann.“

We the one’s poppin’,
We the one’s shoppin’,
We the one droppin’

Gesagt, halbwegs getan. In den vier BBL-Begegnungen nach seiner Rückkehr aufs Feld tut sich Horton noch etwas schwer, seine Rolle zu finden. Bis zu Hortons Knieblessur war immerhin noch Konstantin Klein in der Rotation, der nun wegen eines doppelten Bänderrisses fehlt. Dafür ist mit Ojars Silins ein ebenfalls variabler Forward an Bord, was die Dynamik des Teams und die Rotation entscheidend verändert. Beim Heimspiel gegen Bremerhaven platzt bei dem heute 27-Jährigen schließlich der Knoten. Und entlädt sich in 16 Punkten, sechs Rebounds sowie drei Assists, die zum knappen 98:93-Erfolg über die Eisbären beitragen.

„Jetzt bewege ich mich dahin, wo ich gebraucht werde, was tatsächlich oftmals eher entlang der Dreierlinie ist, anstatt direkt am Zonenrand“, beschreibt Horton. „Das hat sich so ergeben, und ich fühle mich wohl damit. Der Coach vertraut mir, immer öfter mit dem Gesicht zum Korb zu agieren und dabei den Ball direkt in Händen zu haben. Ich glaube, dass ich dadurch als Spieler noch mehr gewachsen bin“.

Gewachsen in einen im Gegensatz zu seinem Engagement in Bayreuth anderen Verantwortungsbereich. Was sich nicht nur bei der augenscheinlichen Betrachtung des Spielers Ken Horton oder nach persönlichen Gesprächen, sondern anhand von Zahlen ablesen lässt – Dafür geht es jedoch ein Stück tiefer in den Statistikdschungel, vorbei an Punkten und Rebounds und Assists und abgerissenen Minuten. Bei den Franken nahm der Forward bereits markige 45,8 Prozent seiner Würfe von „Downtown“, obwohl er weitestgehend auf der Position Vier auflief. Im Baskets-Aufgebot ist er derjenige, der nach Josh Mayo (7,0 Dreierversuche pro Spiel) für Bonn am häufigsten aus der Distanz draufhält (4,7 Versuche). Im Verhältnis von aus dem Zweierbereich und jenseits des Perimeters auf den Weg gebrachten Schüssen nehmen die Dreier mit 55,9 Prozent den deutlich größeren Anteil an. Eine Veränderung, die Ken Horton gutgetan hat, die den Telekom Baskets Bonn weiterhilft und die kaum jemand bemerkt hat.


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