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Unschuld vom Lande

Kenne deinen Feind: Christian Standhardinger

Instinkt-Basketballer. Talent. Querkopf. Leistungsträger. NBBL- und Zweitliga-Meister. Christian Standhardinger ist all das und noch viel mehr. Aber vor allem ist er dieser Tage einer der besten Deutschen in der easyCredit BBL. Am Sonntag gastiert er mit RASTA Vechta im Telekom Dome.

Einer der produktivsten Deutschen der laufenden Saison: Christian Standhardinger (Foto: Sebastian Dorbrietz)

Zahlen können trügerisch sein. Sie können missverstanden und in den benötigten Kontext gedrückt werden. Sie können aber auch dazu beitragen, Dinge miteinander zu vergleichen, um sie insgesamt besser einschätzen zu können. In der gesamten Bundesliga gibt es nur zwei deutsche Akteure, die durchschnittlich mindestens zehn Punkte und fünf Rebounds pro Partie auflegen. Einer von beiden ist Nationalspieler und ALLSTAR Maximilian Kleber (10,4 PpS, 5,3 RpS), der unter der Woche mit München im Telekom Dome eine herbe 83:95-Niederlage kassierte. Der andere ist Christian Standhardinger (10,8 PpS, 5,6 RpS), der bei den Nominierungen für das Bestentreffen am 14. Januar in Bonn außen vor gelassen wurde – warum auch immer.

Hab sonst nichts weiteres im Sinn,
mach mein eigenes Ding

Der heute 27-Jährige ist in Basketballdeutschland schon lange kein Unbekannter mehr. Erst recht nicht in der Region Bonn. Immerhin trafen Standhardinger und das Team Urspring sowohl 2007 als auch 2008 im Rahmen des TOP4 der Nachwuchs Basketball Bundesliga (NBBL) jeweils im Halbfinale auf das Team Bonn/Rhöndorf. Beide Male setzten sich die Schelklinger auf dem Weg zum Gewinn der Deutschen U19-Meisterschaft durch, beide Mal avancierte der Power Forward auf dem Weg zum Titelgewinn zur bestimmenden und spielentscheidenden Figur.

Beim ersten Aufeinandertreffen anno 2007 hat Urpring leichtes Spiel gegen Fabian Thülig und Co., da die Rheinländer offensiv zu beinahe keinem Zeitpunkt einen Rhythmus finden (71:46). Im Finale geht es gegen Hagen mit Per Günther (heute Ulm) und Dominik Spohr (Göttingen). Erst im letzten Viertel kann Urspring sich final absetzen und kommt mit einem 82:61 über die Ziellinie. Und Standhardinger? Der stellt mit 37 Zählern einen bis heute gültigen Punkterekord für ein NBBL TOP4 auf, wobei er drei von sechs Dreierversuchen trifft und insgesamt 21-mal an die Freiwurflinie geht – dort bei „nur“ 14 Treffern allerdings noch Zählbares liegen lässt.

Ein Jahr darauf zeichnet sich im Halbfinale ein ähnliches Bild ab. Obwohl Jonas Wohlfarth-Bottermann mit elf Punkten und neun Rebounds nur knapp an einem „Double-Double“ vorbeischrammt und seine Leistung mit drei Ballgewinnen sowie vier Blocks garniert, zieht das Team Bonn/Rhöndorf mit 53:72 den Kürzeren. Während Standhardinger sich im Halbfinal noch vornehm zurückhält (13 Punkte, 6 Rebounds), ballert sich der heutige Würzburger Maurice Stuckey (28 Punkte) mit acht verwandelten Dreiern in die NBBL-Geschichtsbücher.

„Christian war zu diesem Zeitpunkt im Jugendbereich natürlich ein bekannter Name“, erinnert sich Bonns Konstantin Klein, im NBBL-Finale von 2008 noch im Kader von ALBA Berlin. „Mit ihm hatte Urspring einen der talentiertesten Spieler, auf den wir eigentlich gut eingestellt waren. Ich erinnere mich, dass Steven Monse defensiv einen wahnsinnig guten Job gemacht hat – zumindest bis zur Pause.“ Von seinem persönlichen Kettenhund übers Feld begleitet stehen für Standhardinger beim Gang in die Kabine gerade einmal vier Pünktchen bei einer Trefferquote aus dem Feld von 16,7 Prozent (1/6) zu Buche. Bei Wiederanpfiff ist in der ganzen Halle spürbar: So wird es nicht weitergehen. Als die fette Lady singt, hat Standhardinger insgesamt 23 Punkte auf dem Konto, ist Topscorer der Partie und hat die Klosterschüler nicht nur zum 84:76-Erfolg, sondern auch zum zweiten NBBL-Titel in ebenso vielen Jahren geführt. „Er hat dieses nicht lernbare Gespür dafür, wann er wo sein muss, wann sein Team seine Fähigkeiten im Rebound oder im Scoring braucht“, kommentiert Urspring-Coach Felix Czerny später.

Ich weiß woher ich komm‘,
wohin ich geh‘ und wo ich bin

Mit den beiden Meisterschaften in der U19-Bundesliga ist Standhardingers Karriere im Jugendbereich auf Vereinsebene offiziell passé. Dafür beweist er mit Ehingen in der Saison 2008/2009, dass er bereit für den nächsten Schritt – lies: Männer-Basketball – ist. Der auf 2,06 Meter herangewachsene Forward torpediert die „Junge Liga“ mit 21,9 Punkten und 8,3 Rebounds bei einer überraschend starken Dreierquote von 39,6 Prozent. Werte, die auch im Oberhaus Aufmerksamkeit erregen, doch der Plan in die USA ans College zu gehen, ist bereits geschmiedet.

An der University of Nebraska ist Standhardinger zwar das von Seiten des Coaching Staff rekrutierte deutsche Talent, für die Fans im Mutterland des Basketballs jedoch ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt. Dennoch geht sich seine Saison als Freshman (2009/2010: 8,1 PpS, 3,8 RpS in 15:25min) durchaus hoffnungsvoll an. Durch die Medien gereichte und öffentlich ausgeschlachtete Ereignisse abseits des Parketts sorgen jedoch 2010/2011 für eine vorzeitige Rückkehr in die Heimat.

Die Huskers gehören der Vergangenheit an, weswegen Standhardinger an der University of Hawaii zwischen 2012 und 2014 seine College-Karriere fortführt. In seiner letzten Saison als Senior legt er 18,1 Punkte und 8,4 Rebounds auf – ein über 31 Begegnungen gestrecktes Bewerbungsschreiben für die Bundesliga, auf welches hin sich der Mitteldeutsche BC meldet. So gibt der Power Forward bei den Sachsen-Anhaltinern sein BBL-Debüt und gehört zu den positiven Überraschungen der gesamten Beletage. Samt ALLSTAR-Nominierung und vollem Einsatz steht für Standhardinger und Co. nach Abschluss der Hauptrunde mit den "Wölfen" ein solider 12. Platz im Tableau zu Buche.

Bin hier nicht mehr der Neue,
da nicht mehr ganz der Alte

Aus dem einstigen Youngster, der sich ob seines großartigen Instinkts, seines Talents und seiner Physis mühelos gegen Gleichaltrige durchsetzen konnte, ist ein gestandener Mann geworden. Einer, der weiß, dass er mit seiner Spielweise nicht jedem gefallen kann, geschweige denn muss. Was letztlich zählt, ist, dass er seiner Mannschaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mittel weiterhilft. Das hat auch Andreas Wagner, Headcoach von RASTA Vechta, erkannt und den Forward im Sommer 2015 gen Niedersachsen gelotst. Die klare Mission des „geilsten Clubs der Welt“: Aufstieg in die Bundesliga.

Ein Jahr später hat Standhardinger eine MVP-Saison in der ProA hinter sich (15,6 PpS, 7,9 RpS) und RASTA ist sportlich für die Bundesliga qualifiziert. Auch wenn es bislang bei Vechta noch nicht so rund läuft, wie es sich alle Beteiligten wünschen, kann nach rund einem Drittel der Saison festgehalten werden, dass die ausbleibenden Erfolgserlebnisse nichts mit dem großen Flügel zu tun haben. Standhardinger braucht keine besonderen Plays, die für ihn gelaufen werden. Viele seiner 10,8 PpS kommen nach einem abgegriffenen Offensiv-Rebound oder durch reichlich „Hustle“, wenn er den Korb schlichtweg mehr will als der Verteidiger Einsatz zeigen kann. Was der Konkurrenz dabei wirklich Sorgen bereiten sollte, ist der mit 45,5 Prozent verdächtig oft fallende Dreier. Zahlen eines veritablen ALLSTARS, der wohl keiner sein soll … und dennoch im Telekom Dome bestaunt werden kann.

 


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