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„Viel Geld war nutzlos gebunden“

Interview: Wolfgang Wiedlich

Was bewegt Sie zurzeit am meisten?

 

Wiedlich: Es ist schwer, eine Priorität zu nennen. Aber die gerade beendete Saison ist nur formal beendet; sie sitzt noch tief im Kopf und hat natürlich wirtschaftliche Konsequenzen. Aber die Bitternis dieser Saison entfacht auch neue Kräfte. Für die nächste Saison bin ich recht zuversichtlich, auch wenn der Kampf um die Playoff-Plätze noch einen „Tick“ härter wird, allein durch einen potenten Aufsteiger wie Bayern München.

 

 

Ihr alter und neuer Trainer Michael Koch will aus Fehlern lernen. Welche standen noch nicht in der Zeitung?

 

Wiedlich: Michael Koch hat über die fehlende Teamchemie und vieles mehr schon alles mehrfach gesagt. Im Nachhinein ist für mich eine mit vielen Risiken behaftete Weichenstellung vor der letzten Saison die Verteilung des Teambudgets gewesen. Letztlich sitzt da, wie man so sagt, der Hase im Pfeffer. Alle latenten Risiken wurden bei uns Realität und wir damit handlungsunfähig.

 

Das müssen Sie näher erklären . . .

 

Wiedlich: Es geht ja nicht nur um fehlenden Teamspirit. Das ist das Eine, da haben wir uns vergriffen. Die andere Frage ist strategischer Natur: Wie verteilt man ein Teambudget? Wie viel Geld darf ein Spieler, also ein Leistungsträger X auf der Position Y, maximal kosten? Da muss man auch Verletzungsszenarien im Blick haben. Letztlich geht es um Risikostreuung. Ich nenne einmal zwei Extreme. Variante A: Man steckt 80 Prozent des Teambudgets in fünf bis sechs Leistungsträger, spielt eine extrem kleine Rotation und erfüllt die Deutschenquote mit sogenannten Busfahrern. Oder man verfolgt Variante B, das Prinzip einer großen Rotation mit maximaler Risikostreuung und billigt der Starting Five nur 65 Prozent des Teambudgets zu. Zwischen diesen Polen bewegen sich alle 18 BBL-Clubs, wenn sie versuchen, aus ihrem Teambudget den maximalen sportlichen Erfolg herauszuholen.

 

Und die Baskets haben sich vergangene Saison mit Variante A verzockt?

 

Wiedlich: Ich weiß nicht, ob „Verzocken“ passt, wenn damit unser wichtigster und teuerster Spieler Vincent Yarbrough gemeint ist, der in zwei Spielzeiten verletzungsbedingt 10 Spiele gemacht hat. Unter Bruno Socé oder Predrag Krunic wurde tendentiell stets Variante A praktiziert. Von Risikostreuung keine Spur. Damit hatten wir manchmal Erfolg, wenn wir „Verletzungsglück“ hatten. Spieler wie Kelecevic, Nadjfeji oder Kaukenas in ihren Top-Zeiten konnte man in Bonn nicht mit Variante B bezahlen. Aber größere, langwierige Verletzungen gab es nicht, und manchmal ging die Rechnung sogar bis zur Finalteilnahme auf. In der vergangenen Saison hatten wir ein Mittelding zwischen A und B, aber das Pech, dass ein Leistungsträger dauerverletzt, einer mental völlig indisponiert und ein dritter nur Mitläufer war. Wenn diese drei Spieler fast 40 Prozent des Teambudgets binden, ist viel Geld nutzlos gebunden, und wenn dieses Faktum dann noch von fehlender Teamchemie und Verletzungspech am laufenden Meter umgeben ist, geht alles nach hinten los und kommt heraus, was herausgekommen ist.

 

Sie haben also viel über Geld und Leistung nachgedacht. Was sind Ihre Erkenntnisse?

 

Wiedlich: Unsere Exceltabellen über 15 Jahre zeigen, dass wir mit beiden Varianten ins Finale eingezogen sind. Aber dann muss man noch die wirtschaftliche Großwetterlage betrachten. Ob ein Headcoach A oder B wählte, sagt ja noch nichts darüber aus, ob man in einer Saison im Vergleich zu anderen Baskets-Spielzeiten über ein eher geringes, durchschnittliches oder hohes Teambudget verfügte. Jedenfalls sendet die 15-Jahreskurve eine deutliche Botschaft: Teamerfolg und Teambudget-Höhe hängen nicht so zusammen, wie man das von der Tribüne aus annehmen könnte. Wir standen jedenfalls nicht dann im Finale, wenn wir ein vergleichsweise hohes Teambudget hatten und extrem Variante A verfolgten. Das bedeutet freilich nicht, dass Teambudget und Teamqualität gar nichts miteinander zu tun haben. Unsere 15-Jahreskurve muss man auch nicht überbewerten. Das ist reine Statistik, die enthält weder Einsatzwillen noch Leidenschaft, weil die nicht messbar, aber zu sehen sind.

 

Nochmal zurück: Kann man für dauerverletzte Spieler nicht nachverpflichten, weil in diesen Fällen die Versicherungen zahlen?

 

Wiedlich: Das lese ich in den Fanforen auch immer. Leider stimmt das nur teilweise, und erst recht ist der Zirkelschluss „kostenneutrale Nachverpflichtung“ falsch. Aber wenn ich das hier erläutern würde, wird das Interview zu einem öden Sozialversicherungs- und Steuerseminar.

 

Was soll nächste Saison denn anders laufen?

 

Wiedlich: Ein Teil unserer Fans hat Vieles richtig gesehen, zum Beispiel wer kämpfte und wer nicht, wer für seine Stats spielte und nicht für den Teamerfolg. Einiges kann der Fan nicht wissen, etwa wer was verdiente und von wem man deshalb was erwarten konnte. Jedenfalls können wir nach einer solchen Saison Spielerverträge nicht nach Sympathiewerten verlängern. Am Ende des Tages will der Zuschauer eine kämpferische und vor allem auch halbwegs erfolgreiche Mannschaft sehen, wie der Club auch, der das Ganze wirtschaftlich zu verantworten hat.

 

Also nächste Saison wieder Finale?

 

Wiedlich: Das wäre eine Wolkenkuckucksheim-Aussage. Nächste Saison wird gekämpft und ansehnlich Basketball gespielt. In den nächsten Wochen wird der kenntnisreiche Fan an einigen Neuverpflichtungen ablesen können, wohin die Reise geht.

 

Anderes Thema: die Halle. Wird nächste Saison die Rotunde als Restaurant eröffnet?

 

Wiedlich: Das hängt, wie oft erläutert, mit der fehlenden städtische Genehmigung für eine nicht-sportliche Nutzung des Telekom Dome zusammen. Keine Genehmigung, keine sich engagierende Brauerei, kein Gastronomie-Ausbau. So lautet die Rangfolge der Schritte und Wirkungen.

 

Im Dezember 2008 hieß es doch von Seiten der Stadt, man habe sich geeinigt. Das ist zweieinhalb Jahre her. Was hat sich geändert? Machen die Baskets genug Druck?

 

Wiedlich: Rückblickend betrachtet, war die städtische Pressemitteilung eine Beruhigungstablette für die Medien. Als es verbindlich wurde, forderte die Stadt ein neues Schallgutachten. Als wir das geliefert hatten, forderte sie ein neues Verkehrsgutachten. Das ist zwar in Auftrag gegeben, aber um Ergebnisse liefern zu können, braucht es neue Grunddienstbarkeiten für Parkplätze auf dem gesamten Gelände, und das wiederum bedeutet komplizierte und langwierige Verhandlungen. Das Thema hier im Detail auszubreiten und zu erläutern, würde den Leser langweilen. Um es einmal stark zu vereinfachen: Der Laie fragt sich, wenn Finalspiele Bonn-Berlin mit ihrem hohen Geräuschpegel keinen Anlieger belästigten, wieso ist dann ein neues Schallgutachten nötig? Schließlich liegt direkt daneben noch eine sechsspurige Autobahn mit ihrem Geräuschpegel. Das läuft aber völlig anders. Die Kommune unterstellt oder muss unterstellen, dass der Telekom Dome das neue Heavy-Metal-Zentrum des Rheinlands werden will, weshalb wir eines Nachts fast unsere Beschallungsanlage zerstört haben, nur um in der Halle den geforderten Dezibelwert zu produzieren, während in den Anliegerstraßen gemessen wurde.

 

Wieso nachts? Da würde doch eh kein Konzert stattfinden . . .

 

Wiedlich: Man kann auch ein Konzert in der Rush-hour veranstalten, aber trotzdem zählt die Autobahn nicht. Ein Schallgutachten muss die Lärmbelastung eines Konzerts isoliert ermitteln, deshalb musste gemessen werden, wenn auf der Autobahn nichts los ist.

 

Stimmt es, wie hier häufig anonym im Forum geäußert, dass die Stadt Angst vor dem Telekom Dome hat und um die Auslastung ihrer eigenen Veranstaltungsstätten fürchtet und sie deshalb immer neue Hürden aufbaut?

 

Wiedlich: Es gibt Gesetze und Ermessensspielräume. Ich halte es lieber mit den Fakten: Die Stadt hat den Baskets einen Drei-Millionen-Zuschuss als Hilfe zur Selbsthilfe gewährt, und im Gegenzug haben die Baskets mit ihren fast 30 Jugendteams 5.500 Nutzungsstunden im Jahr in städtischen Hallen für andere Sportvereine freigemacht. Zudem hatten wir die Auflagen, von dem Zuschuss das Grundstück von der Entwicklungsmaßnahme Hardtberg, also von Land und Stadt zu kaufen und neben der Haupthalle ein Ausbildungszentrum zu bauen und es dem Nachwuchssport 10 Jahre lang zur Verfügung zu stellen. Das war der vertraglich geregelte Deal, und beide Seiten haben ihn erfüllt.

 

Das Grundstück wurde also nicht geschenkt?

 

Wiedlich: Es ist mir ein Rätsel, warum die Formel „Drei Millionen plus Grundstück für den Profisport“ immer wieder die Runde macht. Nachdem wir das Grundstück, rund 1,2 Millionen, und Baugebühren von rund 180.000 Euro bezahlt hatten, blieben noch etwa 1,6 Millionen für das Ausbildungszentrum, das mehr als 2,0 Millionen gekostet hat.

 

Jetzt haben wir noch keine Antwort auf die Ausgangsfrage: Behindert die Stadt die nicht-sportliche Nutzung? Oder ist es so, wie ebenfalls einige Fans vermuten, dass die Baskets jetzt nachträglich mit einer nicht-sportlichen Nutzung um die Ecke kommen?

 

Wiedlich: Von Anfang an war klar, dass wir die Halle in begrenztem Umfang auch für andere Veranstaltungen vermieten dürfen – begrenzt, weil es sich um ein sportsubventioniertes Grundstück handelt. Im Businessplan für die Halle, der Voraussetzung zur Bewilligung des städtischen Zuschusses war, sind Einnahmen aus tageweiser Vermietung unübersehbar genannt. Zweitens: In der Begründung zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan sind kommerzielle Aktivitäten zur Refinanzierung der Halle ebenfalls genannt. Es war und ist völlig illusorisch anzunehmen, dass man langfristig den Kapitaldienst für einen Sechs-Millionen-Kredit sowie andere Hallenkosten allein mit dem Verkauf von Basketball-Eintrittskarten stemmen könnte. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten die nicht-sportliche Nutzung dauerhaft genehmigt bekommen, weil wir die gestellten Hausaufgaben dann alle abgearbeitet haben.

 

Viele Statements von Fans im Internet-Forum zur Halle entspringen ja auch der Unwissenheit und sind auch durch die nicht gerade offensive Info-Politik des Clubs verursacht. Also: Warum sind Sie weiter so defensiv?

 

Wiedlich: Wir haben mit unserer lautlosen und ausdauernden Art, viel Mut und mit Hilfe von Sponsoren, Fans und unermüdlichen Leuten an der Baufront den preisgünstigsten Hallenkomplex Deutschlands in dieser Größenordnung errichtet, der mir bekannt ist, obwohl viele Fans den Hallenbau zuvor längst abgehakt hatten . . . nur weil nichts in der Zeitung stand. Wer mit seinen Problemen vorschnell das Rampenlicht der Medien sucht, und unsere Homepage ist ein öffentliches Medium, der bekommt nicht automatisch eine schnellere Lösung. Sorry, aber da haben wir unsere Prinzipien.


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