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A kind of magic

Kenne deinen Feind: Jared Jordan

Es gibt Dinge im Leben, die lassen sich nur schwer erklären. Es gibt Momente, denen etwas Magisches anhaftet. Und es gibt Jared Jordan, in dessen Welt sowohl Raum als auch Zeit manchmal still zu stehen scheinen…

Seit Anfang der Woche stolzer Papa: Jared Jordan (Foto: Sebastian Dorbrietz)

Kollektive Erheiterung im Telekom Dome. Dabei herrschte bis zu diesem Moment vollkommener Erst. Eben jener Ernst, den eine Mannschaft an den Tag legt, wenn sie das erste Mal aufs Feld schreitet, um in die Saisonvorbereitung zu starten. Das Team hat konzentriert gearbeitet, ist mit voller Energie zu Werke gegangen. Auch bei dem Cut von Zvonko Buljan zum Korb war alles noch in bester Ordnung. Es war eine Bewegung, die der Forward instinktiv immer macht: Ball annehmen, Optionen abwägen, in diesem Falle weiterpassen, auf die nächste freie Position schneiden. Doch plötzlich wird Buljans Lauf jäh unterbrochen. Durch seinen besten Freund, den Spalding. Wie und warum das Leder in am Kopf treffen konnte, beantwortet Coach Michael Koch mit einem schmunzelnden „Du spielst jetzt mit Jared!“ und deutet mit einem Kopfnicken zu dem Aufbau herüber. „Für alle: Seid allzeit bereit!“

The bell that rings inside your mind
Is challenging the doors of time

Die Szene aus dem Sommer 2011 steht sinnbildlich für das, was schon vielen Mitspielern von Jared Jordan widerfahren ist. Steht für viele dieser Momente, in denen der Floor General den Ball irgendwie ans Ziel gebracht hat, wo außer ihm niemand sonst ein Bull’s Eye vermutet hätte. Steht für Sequenzen, die dem jetzigen Regisseur der WALTER Tigers Tübingen den Spitznamen „The Magician“ eingebracht haben.

So taktisch und technisch anspruchsvoll der moderne Basketball auch sein mag, der Faktor Antizipation ist an keinem Ende des Feldes zu unterschätzen. Jeder, der schonmal im Verein oder auf dem Freiplatz Hand an das orangefarbene Leder gelegt hat, kennt diesen Wimpernschlag, in dem eine Situation erkannt wird und der eigene Körper wie von selbst die Bewegung ausführt, die alle Anwesenden staunend zurücklässt. Komplimente hier, die hohe Fünf dort … doch der Unterschied zu Jared Jordan ist: Er produziert solche Highlights am laufenden Band. „Ich versuche immer das ganze Feld, alle Mit- und Gegenspieler im Blick zu haben. Aber wirklich erklären kann ich das alles auch nicht“, gab der heute 31-Jährige einst in einem Interview zu.

Fakt ist, dass Jordan eine fleischgewordene Passmaschine ist. In den vergangenen sechs Jahren hatte er am Ende der Saison jeweils die meisten Assists an den Nebenmann gebracht – unabhängig davon, ob er gerade in Deutschland, Griechenland oder Spanien unterwegs war. Bei seinem Gastspiel auf der iberischen Halbinsel (San Sebastian, 2014/2015) gelangen ihm mit durchschnittlich 7,0 Korbvorlagen gar so viele, wie in der gesamten ACB niemandem sonst seit der Jahrtausendwende.

This flame that burns inside of me
I'm hearing secret harmonies

Doch selbst im Leben des “Pass First Point Guards” Jared Jordan gibt es diese Abende, an deinen alles um ihn herum noch eine Spur langsamer abzulaufen scheint. Wie an jenem 6. Januar 2013, als er die Trier im Alleingang zerlegt. Sein Auftritt ist so speziell, dass TBB-Trainer Henrik Rödl auf der Pressekonferenz davon sprechen wird, wie „sehr Jordan das Spiel dominiert hat, ohne einen einzigen Punkt zu machen.“ Ganze drei Würfe feuert er auf den Korb der Moselaner ab, von denen kein einziger ins Ziel geht. Hingegen stehen am Ende der Partie 16 Assists in 32:52 Minuten auf der Habenseite – bei lediglich einem einzigen Ballverlust.

Bei seinem jetzigen Arbeitgeber in Tübingen egalisierte Jordan in der vergangenen Saison gar seine eigene Bestmarke von 18 direkten Korbvorlagen. Ein Wert, den außer ihm bislang nur Austen Rowland (2006/2007, Ulm) erreichte. Doch dass „JJ“ ausgerechnet bei den Tigers landete, hat beinahe etwas von einer Tragikomödie. Denn an der Seitenlinie der Schwaben steht der Mann, der ihm seinen hehrsten Wunsch, seinen größten Traum verwehrte: Tyron McCoy.

Wie oft wurde Bamberg in den letzten sieben Jahren Deutscher Meister und qualifizierte sich damit direkt für die Teilnahme an der Euroleague? Richtig: Sechs Mal. Nur 2014 gingen die Franken leer aus. Am Ende einer von Verletzungen durchzogenen Saison, in der Jordan von den Telekom Baskets weggelockt wurde. Gescheitert im Viertelfinale am kleinen gallischen … äh, artländischen Dorf namens Quakenbrück (1:3). „Uns war klar, dass wir Jareds Spiel verändern, dass wir ihn zum Scorer machen mussten, um eine Chance zu haben“, berichtet Tyron McCoy, damals noch Cheftrainer der Dragons. „Er ist zweifelsfrei der beste Passgeber, den die Liga in den letzten zehn Jahren gesehen hat.“

Musste sich McCoy in der Vergangenheit damit beschäftigen, wie er den einstigen Draft Pick der Los Angeles Clippers (2007, 45. Stelle) am besten verteidigen lässt, konzentriert sich in Tübingen nun mehr als nur die Offense rund um Jordan. „Was mir früher nie so aufgefallen war, ist, wie wahnsinnig gut er in der Verteidigung antizipiert, in Passwegen steht oder auch in der Hilfe fernab des Balls rotiert“, gesteht McCoy. „Davon abgesehen hat er mit seinen Fähigkeiten alles verändert, was wir im Angriff machen können und wollen. Und seine Mitspieler haben verstanden, wie wertvoll gutes Spacing ist, denn Jared wird sie finden, sobald sie offen sind.“ Welch zentrale Rolle der 1,88 Meter-Mann im Tigers-Konstrukt einnimmt, lässt sich nach drei Spieltagen an seinen durchschnittlich 14,0 Punkte, 3,0 Rebounds und 7,5 Assists ablesen. Ach ja, und laut Coach McCoy „hat im Training noch niemand einen Ball an den Kopf bekommen.“ Scheint so, als wären Jordans Mitspieler allzeit bereit.


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