SucheSuche

Bonner Rundschau vom 04.09.01: Interview mit Baskets-Chef Wiedlich

Pratesi darf gehen - Peter Schmücker neuer Jugendcoach - Hallen-Projekt: "Ziel ist ein Sportzentrum für alle"

Bonn. In gut einer Woche steht für die Telekom Baskets Bonn das erste Europaliga-Qualifikationsspiel in Istanbul auf dem Programm, in einem Monat startet die Bundesliga mit der brisanten Partie in Köln. Über die bevorstehende Saison und die mittelfristigen Perspektiven des Klubs sprach die Rundschau mit Präsident Wolfgang Wiedlich.

 

Frage: Am Freitag gegen Lüttich war das neue Team erstmals zu sehen. Wie war Ihr Eindruck?

 

Wiedlich: Ich denke, die Mannschaft hat höchstens 50 Prozent ihres Leistungsvermögens gezeigt. Einige der Spieler waren auch extrem verblüfft, dass zu einem solchen Testspiel so viele Zuschauer gekommen sind, und haben entsprechend nervös agiert. Man darf da nicht vergessen, dass Bonn etwa für Zecevic und Nadfeji die erste Auslandsstation ist.

 

Frage: Was trauen Sie der Mannschaft zu?

 

Wiedlich: Es lässt sich nie vorhersagen, wie die Chemie in einem Team stimmt. Aber ich bin guter Dinge, dass wir trotz erheblich stärkerer Konkurrenz wieder die Play-offs erreichen.

 

Frage: Trainer Predrag Krunic hat sicher entscheidend die Komposition des Teams bestimmt. Wie ist Ihr Eindruck von der bisherigen Zusammenarbeit?

 

Wiedlich: Er nimmt auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins Rücksicht, er hat aber seine eigenen Vorstellungen. Inwieweit sich seine Philosophie, künftig im Team mehr zu wechseln und Nachwuchsspieler stärker zum Einsatz kommen zu lassen, umsetzen lässt, wird der Ligaalltag zeigen.

 

Frage: Der Kader umfasst zwölf Spieler, so viel wie noch nie bei den Baskets. Maurizio Pratesi hat schon davon gesprochen, Bonn verlassen zu wollen.

 

Wiedlich: Das werden wir akzeptieren. Ich habe Verständnis dafür, dass angesichts der Konkurrenz auf den Aufbau- und Flügelpositionen keine Perspektive für sich sieht.

 

Frage: Wie wichtig wäre eine Qualifikation zur Europaliga für die Baskets?

 

Wiedlich: Man darf nie vergessen: Vor sechs Jahren haben wir Zweite Liga gespielt. Wenn wir jetzt die Europaliga schaffen, wäre das ein sensationeller Weg. Das würde viele Dinge beflügeln, auch den Hallenneubau.

 

Frage: Wie ist denn Stand der Dinge bei diesem Projekt?

 

Wiedlich: Wir greifen im Grunde den Ball der Oberbürgermeisterin auf, als sie sagte, die Stadt könne nur noch Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wir sind noch ganz am Anfang von diesem Projekt, die Bergetappen warten noch auf uns. Wenn aber die Halle doch nicht entstehen sollte, möchte ich nach fast 25 Jahren im Bonner Basketball wenigstens das Gefühl haben, alles versucht zu haben.

 

Frage: Wie hoch sind die "Berge" hinsichtlich der Kosten?

 

Wiedlich: Das zentrale Ziel der Baskets ist, in jedem Fall eine Miteigentümerschaft an der

Halle zu erreichen. Warum?: Die Erfahrung mit anderen betreibergeführten Großhallen etwa in Braunschweig zeigt täglich, dass immer wieder Spielverlegungen nötig sind, weil der Betreiber die Halle für profitablere Veranstaltungen braucht.

 

Frage: Wie sieht denn das Konzept aus?

 

Wiedlich: Wir arbeiten an einem Konzept, in dem es auch um Bundes- und Europaliga, aber primär um Jugend- und Kindersport geht. Wir haben einen Boom ausgelöst, den wir selbst auf zehn städtische Hallen verteilt nicht aufgefangen bekommen. Wir wollen ein Sportzentrum, in dem alle Baskets-Aktivitäten stattfinden, in dem gerne auch andere Vereine ihren Sport betreiben. In diesem Gelände, in dieser Halle, die eine sehr einladende Ausstrahlung haben muss, wären mit SSF, Bonner SC und uns drei Vereine zu Hause.

 

Frage: Nochmal zu den "Bergetappen". Wie groß soll die Halle werden, wie groß ist das Investitionsvolumen?

 

Wiedlich: Unter 5000 Plätzen macht es keinen Sinn, denn sie muss europaligatauglich sein. Wir planen aber keine Luxushalle, sondern ein funktionales Sportzentrum mit Gastronomie und Physiotherapie. Dies wären dann aber auch potenzielle Einnnahmequellen, die auch kleinere Beiträge zur Hallenfinanzierung leisten können. Wir sind mit denBerechnungen im Feinschliffstadium, in jedem Fall handelt es sich um einen zweistelligen Millionenbetrag.

 

Frage: Thema Jugendarbeit: Wie sieht es dort aktuell aus?

 

Wiedlich: Nur einige Stichworte: Wir haben bei den Baskets mit 28 Mannschaften einen Melderekord, wir sind in der kommenden Saison in jeder Jahrgangsstufe in der höchsten Liga, der NRW-Liga, vertreten, und wir haben gerade für die Jüngsten, die sechsjährigen "Mikros", eine neue Gruppe eröffnet. Bei all dem spielt die neue Halle den

Schlüsselfaktor. Schon jetzt sind wir aber personell in Vorleistung getreten.

 

Frage: Was heißt das?

 

Wiedlich: Wir haben mit Peter Schmücker einen hauptamtlichen A-Lizenztrainer für die Jugendarbeit eingestellt, der zuletzt Co-Trainer beim Damen-Bundesligisten Aschaffenburg war. Es ist zudem daran gedacht, eine weitere hauptamtliche Stelle im

Jugendbereich zu schaffen, eine Art Sportdirektor. Unser Wunschkandidat ist aber

erst im April 2002 verfügbar.

 

Frage: In Berlin basiert das Jugendkonzept auf der Kooperation Alba/Lichterfelde. Warum

wollen die Baskets dies anders handhaben?

 

Wiedlich: Das Berliner Modell hat viele Vorzüge, weil jeder Verein in seinem Kernbereich tätig ist. Wir streben aber aus Gründen der Identifikation die Lösung aus einem Guss an. Dabei sind wir aber noch längst nicht am Ende des Weges.

 

Frage: Wie könnte der weitere Weg aussehen?

 

Wiedlich: Leistungsorientierte Jugendarbeit heißt noch lange nicht, dass Erstligaspieler produziert werden. Das wäre die nächste Stufe. So soll Peter Schmücker auch gezieltes Einzeltraining mit den Spielern mit Doppellizenz machen. Eines muss ich aber herausheben: Dass wir noch 27 andere Mannschaften haben außer der, die immer im Rampenlicht steht. Und da liegt auch eine Haupttriebfeder für den Hallenneubau.

Vielleicht steht am Ende des Weges in zehn Jahren ja ein Bundesleistungszentrum, eine

Hochbegabten-Förderung im Basketball mit Internat und allem, was dazu gehört.

 

Frage: Da drängt sich die Idee auf, den Fechtclub OFC Bonn mit seinem Internat mit ins Boot zu holen.

 

Wiedlich: Richtig, vieles ist denkbar. Aber, und da wiederhole ich mich: Dafür brauchen

wir Halle, Physiotherapie, das sportliche Leitungspersonal etc.

 

Frage: Zurück zur Gegenwart. Zwölf Spieler im Kader, zusätzliche Trainer verpflichtet: Hat es einen Quantensprung beim Etat der Baskets gegeben, wie viele es vermuten?

 

Wiedlich: Der Etat ist zumindest nicht gesunken, aber er ist auch nicht erheblich höher geworden. Denn es sind ja auch etliche, ich sage mal "Besserverdienende"

ausgeschieden. Dadurch wurde sehr viel Geld frei.

 

Frage: Betrifft das auch den ehemaligen Trainer?

 

Wiedlich: Dass ein Cheftrainer, der sechs Jahre bei einem Verein gearbeitet hat, zu diesem Kreis gehört, dürfte nicht überraschen.

 

 

Bert Mark

 

 

 


Druckansicht zum Seitenanfang