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Die kleinen Freuden des Simonas Serapinas

Bonns litauischer Flügelspieler hat stets ein Ass im Ärmel ... und Erfahrung en masse.

Es gibt Situationen in einem Basketballspiel, wie es sie schon hunderte, tausende Male zuvor gegeben hat. Dann kommt es drauf an, ob der gerade aktive Spieler sich der geschichtlichen Wiederholung bewusst ist, oder nicht. Erkennt er den Ablauf der Dinge, die da waren, die da sind und die da sein werden? Handelt er nach einem sturen Muster, oder ist er in der Lage die vorhandenen Pfade zu verlassen und sein Tun entsprechend anzupassen? Im Falle von Simonas Serapinas ist die Antwort obligat, denn der Litauer im Team der Telekom Baskets Bonn hat mit seinen 29 Jahren schon einiges in Europa gesehen, hat in seiner Heimat, in Italien und der Ukraine Meisterschaften gefeiert. Von daher verwundert es nicht, dass er nach einem strammen Sprint entlang der Grundlinie hinter der Dreierlinie den Ball bekommend erst einmal eine Schusstäuschung macht. Sein Verteidiger, der so oder so keine Chance auf eine erfolgreiche Vereitelung des Wurfs gehabt hätte, segelt an Serapinas vorbei ins Aus. Es folgt ein kleines, justierendes Dribbling zur Seite, ein prüfender Blick gen Ring, dann wird der Spalding auf die Reise geschickt.

Noch Tage später kann sich Serapinas sehr gut an die oben beschriebene Szenerie aus dem Finale des RheinMain-Cups erinnern. „Das ist schwer zu beschreiben, aber ich wusste einfach, ohne meinen Verteidiger im Rücken überhaupt sehen zu können, dass ich durch den Fake etwas mehr Zeit für einen guten Wurf würde gewinnen können“, berichtet der Flügelspieler. „Das sind die kleinen Freuden als älterer, erfahrener Spieler. Gewisse Dinge funktionieren einfach immer, aber das weißt du erst mit den Jahren.“ Es heißt nicht umsonst, dass Erfahrung auf Kosten von harten Lehrjahren gewonnen wird. Serapinas hat, ehe er im Sommer bei den Telekom Baskets anheuerte, schon einige dieser Lehrjahre hinter sich gebracht.

 

Wie so üblich, begann Simonas Serapinas mit dem Basketballsport, weil er schlichtweg Spaß daran hatte, einen runden Ball durch einen Ring zu werfen. „Ich wollte einfach nur spielen und verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, dass ich eines Tages Profi werden würde“, erinnert sich der 1,97 Meter-Mann an seine Jugendtage zurück. „Als ich besser und besser wurde, dann eines Tages die Anfrage von Zalgiris Kaunas kam, bin ich fast aus allen Wolken gefallen.“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist klar: Aus dem Jungen kann was werden. Serapinas schafft den Sprung in den litauischen Junioren-Nationalkader und wir von Zalgiris schließlich mit einem Fünf-Jahres-Vertrag an den Verein gebunden. „Ich hätte prinzipiell schon früher ins Ausland gehen können, aber durch den bestehenden Vertrag mit Zalgiris kam es vorerst nicht dazu.“

 

Nachdem er 2004 und 2005 mit Zalgiris die Meisterschaft abgegriffen hat, geht es 2006 zur ersten Auslandsstation, Aris Thessaloniki, nach Griechenland. „Das war ein ziemlicher Kulturschock für mich“, gibt Serapinas unumwunden zu. „Sei es die Mentalität der Leute, das Essen oder das Wetter ... Griechenland ist komplett anders als Litauen. Das hat mir zu Beginn ein wenig Angst gemacht.“ Die stramme Saisonvorbereitung trägt allerdings dazu bei, dass der Allrounder kaum Sauerstoff im Blutkreislauf hat, um überhaupt an die gerne Heimat denken zu können. „Wir haben über zwei Wochen komplett durchtrainiert, ohne einen Tag Pause zu machen - das war heftig.“

 

Beim polnischen Serienmeister Prokom wird Serapinas, der keine körperliche Herausforderung scheut, doch sehr schnell an seine mentalen und physischen Grenzen herangeführt. „In der Liga ging es insgesamt sehr robust zu, das war ein richtiger Knochenjob“, weiß er noch heute. „Die besondere Herausforderung bestand darin, dass wir uns als Mannschaft an den Erfolgen der Vergangenheit messen lassen mussten. Als ich 2008 dazu kam, hatte der Verein bereits die letzten vier Meisterschaften gewonnen - das verpflichtet.“ Serapinas und Co. halten dem Druck stand und holen neben dem Ligatitel auch den Pokal ins Vereinsheim. „Das war ein unheimlich tolles Gefühl, obwohl fast alle nichts anderes von uns erwartet haben. Die Verantwortlichen waren so fixiert auf die Titelverteidigung, dass vor dem Beginn der Playoffs sogar noch ein Trainingslager abgehalten wurde.“

 

Beim ukrainischen Powerhouse Mariupol steht 2009 ebenfalls der Titel-Doppler ganz oben auf der Wunschliste, zumal allein die Liga zwischen 2003 und 2008 fünf Mal gewonnen werden konnte. „An Motivation hat es dort nicht gemangelt“, konstatiert Serapinas. „Wenn du in eine neue Situation hineinkommst, bist du automatisch topmotiviert und willst deine Verpflichtung in gewisser Weise auch rechtfertigen.“ Am Ende der Saison sind Meisterschaft und Pokal eingetütet, der Litauer kann gemeinsam mit seinen Teamkollegen - zu denen auch Ex-Albatros Dijon Thompson gehört - ordentlich feiern.

 

Nach einer verletzungsbedingten Schaffenspause und einem Kurzengagement für Varese im italienischen Oberhaus heuert Serapinas im Sommer 2011 bei den Telekom Baskets Bonn an. „Eine gute Entscheidung für mich, denn hier habe ich die Gelegenheit wieder richtig auf die Füße zu kommen“, beschreibt der Litauer. „Und ich merke, dass wir hier eine wirklich gute Truppe beisammen haben, die sich auch abseits des Platzes versteht.“ Für einen Vergleich mit vorherigen Teams ist es noch zu früh. „Dafür ist die Saison noch zu jung und wir haben noch keine richtige Stresssituation meistern müssen“, so Serapinas. Dass der Familienvater für den Fall der Fälle aber vorbereitet ist, steht vollkommen außer Frage. Serapinas ist mit dem Wettkampf-Virus infiziert. Er will sich und das Team voran bringen, will im Kollektiv auf beständig hohem Level arbeiten - auch wenn das bedeutet, in seltenen Einzelfällen eine persönliche Mission zu verfolgen. Als er in einem Spiel vom Verteidiger einen Schlag auf die Wurfhand bekommt, hält er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Rechte. Anstatt sich auswechseln und auf der Bank behandeln zu lassen, schaltet Serapinas einen Gang höher und versenkt seine nächsten drei Würfe aus dem Feld - darunter zwei Dreier.

 

Wie viel Basketball in dem 29-Jährigen schlummert, wird sich vielleicht erst im Laufe der Saison vollends zeigen. Mit durchschnittlich 16,0 Punkten pro Spiel - bei einer Dreierquote von 44,4 Prozent - hat Serapinas nach nur vier Saisonspielen bereits klargestellt, dass er ein wichtiger Eckpfeiler des Baskets-Teams ist. Und genau das lässt darauf hoffen, dass Basketball-Deutschland noch viele kleine Kabinettstückchen geboten bekommt.


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