SucheSuche

Feature: Die Akribie der Spielvorbereitung

Michael Koch und Björn Harmsen sind bekannt für ihre intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Gegner. Grund genug, den beiden Trainern einmal über die Schulter zu schauen.

Ein Basketballspiel besteht aus 40 Netto-Minuten, in denen es darum geht mindestens einen Punkt mehr als der Gegner zu erzielen soweit die graue Theorie. In der Realität dehnt sich eine reguläre Partie in der Beko BBL gern auf fast zwei Stunden aus. In dieser Zeit wollen Woche für Woche abertausende Zuschauer nicht nur plump unterhalten werden, sondern auf höchstmöglichem Niveau. Den Trainern hingegen geht es weniger um den Unterhaltungswert dieser ist ein dankbar angenommenes Nebenprodukt , als den sportlichen Erfolg. Damit dieser erreicht wird, reicht es schon lange nicht mehr aus, als Mannschaft quer durch die Republik zu düsen, aufs Feld zu gehen und sein Bestes zu geben. Aus diesem Grunde stecken die Übungsleiter zunehmend mehr Zeit in die Spielvorbereitung.

 

Im Falle von Björn Harmsen, seines Zeichens Trainer des Mitteldeutschen BC, bedeutet dies pro Partie schnell mal einen Stundenaufwand im zweistelligen Bereich. Nach Möglichkeit versuche ich zwei bis drei Spiele unseres nächsten Gegners zu gucken, berichtet der Wölfe-Coach. Dabei schaue ich mir die komplette Partie an und mache mir dabei Notizen zu Dingen, die mir in Angriff und Verteidigung auffallen. Mit dem Daumen auf der Pause-Taste macht allein das Harmsen’sche Videostudium drei Stunden pro Begegnung aus. Zudem schneiden unsere beiden Assistenz-Trainer die Spiele in offensive und defensive Sequenzen zusammen, so der 28-Jährige. Daraus lässt sich beispielsweise gut erschließen, wer wie, wo und aus welchen Situationen heraus gerne abschließt. Es geht aber auch, und das ist dem MBC-Trainer wichtig, darum zu erkennen, wie die Spielweise des Gegners auf die eigene wirkt. Konkret: Wie passen die Weißenfelser Angriffsysteme auf die von Bonn gespielte Verteidigung, wie nimmt die defensive Grundausrichtung des MBC den Baskets ihre Stärken. Bei diesem Schritt schauen wir auch darauf, ob wir irgendwelche Schwachstellen ausmachen, die dann eventuell gezielt attackiert werden können.

 

Gemeinsam mit den Assistenten Anton Mirolybov und Dirk Dittrich gleicht Harmsen seine Erkenntnisse ab (Wir versuchen den größten gemeinsamen Nenner zu finden.), woraufhin für jeden seiner Spieler ein USB-Stick mit Schlüssel-Statistiken und einigen Videoclips vorbereitet wird. Während einer englischen Woche kann der enorme Aufwand rund um das eigentliche Spiel auch schon mal zu kurzen Nächten führen. Harmsen: Im konkreten Fall, wo wir donnerstags in Trier und die Baskets freitags gegen Berlin spielen, geht es schlichtweg darum, gewisse Tendenzen einer Mannschaft anzugehen. Wird vermehrt Pick-and-Roll gespielt? Wer ist momentan heiß? Wie wird in der Verteidigung rotiert? Hinzu kommt, dass die Kopien aller Spiele in der Videodatenbank spätestens 24 Stunden nach Spielende abgelegt worden sein müssen. Wenn wir aus dem Berlin-Spiel noch kurzfristig Erkenntnisse gewinnen wollen, bedeutet das von Samstag auf Sonntag eine Nachtschicht für uns, konstatiert Harmsen trocken. Wobei es nicht das erste Mal wäre, dass der Headcoach in aller Späte noch auf die Mattscheibe starrt. Oftmals fallen mir kurz nach einem Spiel auf dem Heimweg noch Antworten auf taktische Fragen ein, die ich dann sofort per Video nachschauen muss. Das gibt mir die Möglichkeit, meinen subjektiven Eindruck mit dem objektiven Blickwinkel der Kamera abzugleichen.

 

Vom Ansatz her ähnlich verfährt Michael Koch bei der Vorbereitung auf ein Spiel. Meistens schaue ich mir zwei komplette Spiele an, mache mir zwischendrin Notizen, spule vor und zurück, lasse bestimmte Szenen noch mal in Zeitlupe durchlaufen, verrät der Baskets-Coach. Ich versuche dabei oft gelaufene Systeme und generelle Tendenzen einer Mannschaft zu erkennen. Spielt das Team viel Mann oder Zone? Laufen sie im Angriff Pick-and-Roll über die Seite oder über die Mitte? Versuchen sie eher Eins-gegen-Eins-Situationen zu kreieren? Anhand dieser Erkenntnisse von gut sechs bis acht Stunden Recherche vor der Mattscheibe wird ein Video zusammengeschnitten, welches dann in einer gut einstündigen Sitzung mit Ensminger und Co. in Augenschein genommen wird.

 

Bei all dem Fokus auf die Ausrichtung des Gegners betont Koch allerdings, dass ihm die eigene Marschroute stets am wichtigsten ist. Wenn du dich immer nur am anderen Team orientieren würdest, müsstest du jede Woche etwas Neues machen das geht nicht gut, so Bonns Chefstratege. Von daher muss unsere Verteidigung grundsätzlich greifen. Wir haben in der eigenen Hälfte gewisse Grundprinzipien, die sich auch im Laufe einer Saison relativ wenig ändern. Das Konstrukt ist jedoch nicht so starr, als dass Koch die Gabe der Anpassungsfähigkeit abhanden gekommen wäre. Kleinigkeiten muss man immer umstellen, je nach offensiver Ausrichtung des Gegners. Es gibt Teams, da sollte der Verteidiger sich versuchen über einem Block langzukämpfen, bei anderen Mannschaften kann man hinter dem Block durchgleiten. Der eigene Angriff ist in den Augen Kochs ein Selbstläufer, der durch die Spielintelligenz seiner Spieler getragen wird. Wir kreieren keine gesonderten Systeme gegen bestimmte Mannschaften, sondern setzen viel mehr auf basketballerische Automatismen, lassen die Spieler die Verteidigung lesen und kommunizieren viel.

 

 

 


Druckansicht zum Seitenanfang