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Feature: Patriotische Brüder

Bonns Folarin Campbell und Braunschweigs Tony Skinn schrieben vor fünf Jahren NCAA-Geschichte

Wenn am 2. Januar 2011 die Telekom Baskets Bonn bei den New Yorker Phantoms Braunschweig antreten, wird ein in allen Basketball-Ligen dieser Welt übliches Ritual zu beschauen sein. Akteure beider Mannschaften treffen sich auf Höhe der Mittellinie, um sich begrüßend die hohe Fünf zu geben, sich vielleicht sogar freundschaftlich zu umarmen und Geschichten auszutauschen. Anders hingegen wird es am 2. Januar 2011 zwischen Bonns Folarin Campbell und Braunschweigs Tony Skinn ablaufen. Wenn sich die beiden Guards in der Volkswagen Halle begegnen, dann ist es das Treffen zweier Brüder, zweier nunmehr gewachsener Männer, zweier College-Helden alles dank eines verrückten Monats März vor fünf Jahren.

 

Vor genau fünf Jahren, am 2. Januar 2006, befand sich das Basketball-Team der überschaubar großen George Mason University auf einem Auswärtstrip in Boston, wo am selben Abend in der schönen Matthews Arena ein 71:68 über die Northwestern Huskies eingefahren werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte weder der Spielerkader um Campbell und Skinn, noch Coach Jim Larranaga wohin die Reise im Laufe der Saison noch gehen würde.

 

Als die March Madness begann, schien sie für die Patriots auch schon wieder vorbei zu sein. Mit Michigan State und den in Deutschland bestens bekannten Drew Neitzel wurde ihnen in der ersten Runde die Alma Mater von Lakers-Legende Magic Johnson zugelost, was das designierte Turnieraus hätte sein sollen zumindest nach einhelliger Meinung der Experten. Doch die Larranaga-Truppe nutzte die Rolle des Underdogs als Motivation und ritt auf den Schultern eines brennend heißen Folarin Campbell (21 Punkte, sieben Rebounds, drei Assists, 100 Trefferquote aus dem Feld) per 75:65 in die nächste Runde.

 

Dort, das war so sicher wie das Amen in der Kirche, sollte gegen den amtierenden NCAA-Meister der University of North Carolina inklusive Reyshawn Terry (Bamberg) und Marcus Ginyard (Bayreuth) Endstation sein. Erneut lagen die Experten falsch. Zu großen Gefallen hatten Campbell, der auf stolze 15 Zähler und sieben Rebounds kam, und Skinn, welcher die Rolle des Energizers von der Bank mit acht Punkten und zwei Assists perfekt ausfüllte, daran gefunden sich weiter den Turnierbaum empor zu arbeiten. Für Coach Larranaga kam das 65:60 nicht von ungefähr. Das letzte, was ich den Jungs vor dem Spiel mit auf den Weg gab war ‚Welche Farbe hat Kryptonit? und sie antworteten ‚Grün’. Ich sagte ‚Schaut euch eure Jerseys an. Ihr habt alles, um dieses Spiel zu gewinnen’.

 

Die Aschenputtel-Geschichte fand in der Sweet 16 immer noch kein Ende, die Patriots spielten wie im Rausch. Gegen Wichita State netzte Campbell seine ersten drei Würfe von Downtown ein und verkörperte genau das, was Coach Larranage nach dem 63:55-Sieg zu Protokoll gab. Wir wussten schon immer, dass wir gut sind. Durch die Siege in den ersten zwei Runden haben die Jungs endlich das Selbstvertrauen und wissen, dass sie es mit den großen Schulen aufnehmen können. Und Skinn, mit 14 Zählern zweitbester Punktesammler der Patriots an diesem Abend, stellt klar, dass wir uns das ganze Jahr über haben beweisen müssen, weil wir angeblich nicht gut genug für dieses Turnier sind. Nicht nur, dass George Mason 2006 erstmals in der Geschichte des Programms über die erste Runde hinauskam. Die Qualität der Geschlagenen machte diesen Lauf so besonders und war noch nicht vorbei.

 

Mit UConn um Rudy Gay (Mempghis Grizzlies, NBA) wartete in der Runde der letzten 8 der NCAA-Champ des Jahres 2004 darauf, sein Ticket für das Final Four zu lösen. Doch die Huskies hatten die Rechung ohne Patriots-Wirt gemacht. Die viel kleineren George Mason-Spieler rafften sich zusammen, gingen als geschlossene Einheit zusammen und kauften dem Favorit im Rebound den Schneid ab. Dennoch sahen sich Campbell und Co. in der ersten Hälfte zwischenzeitlich einen zwölf Punkte zählenden Rückstand gegenüber. Nach dem Seitenwechsel netzten die Patriots ihre ersten sechs Dreierversuche ein und sorgten damit plötzlich für eine vollkommen offene Partie. Erst in der Verlängerung sorgte ein Baseline-Jumper von Campbell für die beinahe vorentscheidende 84:80 Führung. UConn spielte seine ganze Klasse aus, foulte taktisch klug und hatte mit einem letzten Dreierversuch gar die Chance auf Sieg. Der Wurf verfehlte jedoch sein Ziel, mit 86:84 ging der Sieg an George Mason.

 

Der Einzug der basketballerisch Aufständischen von George Mason ist noch heute in den Annalen der NCAA-Historie als einer der berauschendsten und unwahrscheinlichsten Läufe ins Final Four verzeichnet. Im Halbfinale gegen den späteren Meister Florida war es mit Lee Humphrey der jetzige Ulmer Scharfschütze, der das letzte Patriots-Kapitel schrieb. Sechs Dreier schenkte der Guard dem Underdog ein, insgesamt trafen die Gators zwölf Mal von weit draußen und zogen mit 73:58 ins Finale ein. Folarin Campbell, der die ganze Partie über mit Foulproblemen zu kämpfen hatte, kam auf zehn Zähler, während sein Backcourt-Partner Tony Skinn für 13 Punkte verantwortlich zeichnete.

 

Wenn sich am Sonntag die Spieler der Telekom Baskets Bonn und der New Yorker Phantoms Braunschweig vor dem Spiel auf dem Feld begegnen, dann werden Folarin Campbell und Tony Skinn sicher auch über den März 2006 sprechen. Sie werden sich umarmen, wie Brüder, und anschließend ihre Teamkollegen daran erinnern, dass im Basketball alles möglich ist. Oder wie Skinn einst formulierte: Du brauchst nur eine Gelegenheit und eine Chance, der Rest liegt an dir selbst.

 

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