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Feature: Shoot ´Em Up...

Mit der BG Göttingen empfangen die Telekom Baskets eines der offensivstärksten Teams der Beko BBL. Anlass genug, um die hohe Kunst der Wurfauswahl zu thematisieren.

Jeder Schuss ´ne Mark ... Du nicht wirfst, du nicht triffst ... Jeder Wurf ist ein guter Wurf ... Stopp! Es gibt viele Basketball-Weisheiten oder Plattitüden, die durchaus zutreffend sind. Aber ist wirklich jeder Wurf ein guter Wurf? Gibt es nicht Unterschiede zwischen Würfen und Würfen? Ist nicht die Schussauswahl mitentscheidend über Sieg oder Niederlage? Fragen über Fragen, denen im Zusammenhang mit der Partie der Telekom Baskets Bonn gegen die BG Göttingen auf den Grund gegangen werden will.

 

In der Zweitligasaison 2006/2007 gewann die damalige BG 74 Göttingen 28 von 30 Spielen. Die beiden Niederlagen gegen den MBC (78:87) und Schalke 04 (87:88) fielen knapp aus. Das Erfolgsrezept der Veilchen lag schon damals darin begründet, dass die Mannschaft über 40 Minuten ein kontinuierlich hohes Tempo ging und massenweise Würfe generierte. Würfe, die von außen betrachtet oftmals wild, überhastet und taktisch unklug wirkten. Tatsächlich aber ist es ein von Coach John Patrick mit Kalkül praktizierter Hochgeschwindigkeits-Wahnsinn, der bis dato auch in der Beko BBL seinesgleichen sucht. Der Trick ist oftmals der, dass durch rasante Transition Freiräume entstehen, die gegen eine geordnete Halbfeldverteidigung erst mühsam herausgearbeitet werden müssen. Ein guter Wurf ist, wenn der Werfer im Training hochprozentig trifft und somit auch im Spiel bei freier Sicht sicher vollstreckt, erklärt BG-Trainer John Patrick. In einer Spielsituation wird nochmals unterschieden, ob der Schütze ohne einen Verteidiger im Gesicht abschließen kann, oder ob beispielsweise beim Fastbreak durch ein Überzahlspiel viele Rebounder zur Stelle sind.

 

Auffällig ist, dass im Göttinger Kader die großen Leute beachtlich schnell von einem Ende des Feldes zum anderen unterwegs sind was sie nicht nur als Trailer für den Durchstecker vom Flügel, sondern auch als Rebounder im Falle eines frühen Wurfes wertvoll macht. In der Hauptrunde der Saison 2009/2010 nahmen die Veilchen satte 2175 Würfe (64,0 pro Spiel) aus dem Feld damit lagen sie ligaweit an erster Stelle. Von all diesen Korbversuchen fanden ordentliche 45,8 Prozent den Weg in den Korb, viel interessanter jedoch wird diese Statistik unter Berücksichtung der eingesammelten Offensiv-Rebounds. Mit 421 Abprallern (12,4 pro Spiel) vom gegnerischen Brett war Göttingen auch damit an der BBL-Spitze auf Rang zwei folgte abgeschlagen Phoenix Hagen mit 371 Offensiv-Rebounds (10,9 pro Spiel). Zum Vergleich: Die Telekom Baskets sackten am offensiven Brett während der regulären Saison 357 Rebounds (10,5 pro Spiel) ein.

 

Durch die neue, um einen halbe Meter weiter entfernte Dreierlinie nimmt die Bedeutung der guten Wurfauswahl besonders aus der Distanz drastisch zu. Vor allem in den Ecken des Feldes, die für Schützen klassische Aufenthaltsorte sind, ist es jetzt kniffliger gute Würfe zu generieren, so Patrick. Die Dreierlinie ist näher an der Auslinie, wodurch der Werfer verstärkt darauf achten muss, dass der mit seinen Füßen nicht aus Versehen auf der Linie steht und einen eigentlich guten Wurf abgepfiffen bekommt.

 

Ansonsten ist die Begrifflichkeit guter Wurf immer in Anhängigkeit mit der jeweiligen Spielsituation zu betrachten. Ein Wurf in den ersten sechs, sieben Sekunden der Angriffssequenz ohne freie Sicht auf den Korb und potentiellen Rebounder ist deutlich schlechter einzuordnen, als ein Schuss gegen den Mann bei Ablauf der 24-Sekunden-Uhr. Und es kommt immer darauf an, wer den Wurf nimmt, fügt Patrick an. Dominiert ein Point Guard den Ball und feuert einen Wurf ab, der daneben geht, ist das für das Teamgefühl schlechter, als wenn ein designierter Schütze nicht trifft.

 

Eine pauschale, allgemein gültige Definition ist schwerlich möglich, dafür ist das Spiel an sich zu komplex und bringt Unmengen zu betrachtender Parameter mit sich. Für mich ist beispielsweise ein guter Wurf, wenn vor dem Schuss möglichst viele Spieler den Ball berührt und somit gemeinsam die Korbaktion kreiert haben, gibt Michael Koch seine Sicht auf die Thematik preis. Dann hat jeder auf dem Feld das Gefühl, an den Punkten teil zu haben. In den neuen Linien sieht Trainer der Telekom Baskets die erhöhte Möglichkeit, durch schnelles Passspiel einen hochprozentigen Abschluss von jenseits der Dreierlinie oder aus der Mitteldistanz zu bekommen. Es ist insgesamt mehr Operationsraum da, in dem sich die Verteidigung bewegen kann, gleichzeitig werden die Wege für die Verteidigung länger. Im konkreten Fall der Telekom Baskets möchte Koch langfristig dahin kommen, dass wir ein Verhältnis von zwei Dritteln aller Abschlüsse am Brett oder in der Zone zu einem Drittel Würfe von außen haben. Chris Ensminger, Jacob Jaacks und Tim Ohlbrecht sollen im Lowpost gesucht und gefunden werden, um dort ihre Stärken auszuspielen. Kommt die Hilfe vom Flügel, stehen die Schützen mit dem Finger am Abzug bereit. Koch: Wobei dann nicht immer automatisch der Dreier kommen muss. Ist der Verteidiger schnell auf den Füßen und will den Schuss verhindern, können wir mit einem langen Dribbling gegen die Laufrichtung von außen das Brett attackieren.

 

Es gibt viele Ansätze und Meinungen, was ein guter Wurf ist oder sein könnte. Die eine, für alle geltende Definition gibt es nicht. Jede Theorie hat ihre Daseinsberechtigung und lässt sich anhand vieler Beispiele belegen und genauso gut entkräften. Doch am Ende des Tages thront die vielleicht größte Basketball-Phrase über der gesamten Thematik: Wer trifft hat Recht!

 


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