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Große Hallen, lange Gesichter

Basketball-Magazin Ausgabe 12.02

Von Martin Fünkele

 

Die Kölnarena gilt als die modernste Arena Europas. Nun wollen neue Tempel der kurzweiligen Unterhaltung – gestern Pop-Konzert, heute Basketball, morgen „Wetten dass?“ – in Hamburg und Berlin das Ranking neu aufmischen. Ob die Mega-Bauten jemals schwarze Zahlen schreiben? Aus Sicht der s. Oliver Basketball Bundesliga interessiert das weniger. Die deutsche Vorzeigeliga des Korbballs glaubt an die Gleichung: Moderne Hallen = mehr TV-Präsenz. Eine Bestandsaufnahme.

Ein Merksatz von Multifunktionsarena-Experten geht so: „Keine Halle rechnet sich.“ Einige wollen das nicht glauben. Geldgeber für neue Multifunktionswunder sind bereits in Hamburg und Berlin wieder aktiv. So lässt sich absehen, dass der offenbar mehrfach verwendete PR-Slogan „Modernste Multifunktionsarena Europas“ bald die Kundschaft verwirren wird. Ja, wo liegt denn nun Europas Hightech-Tempel Nr. 1: in Köln, in Hamburg oder bald in Berlin-Ost? Jedenfalls bejubelten 12.345 Hamburger schon mal das 5:4 der „heimischen“ Freezers in der neuen Color-Line-Arena (Eigenprädikat: „Europas modernste Multifunktionshalle“) gegen die Kölner Haie. Eine unglaubliche Zuschauerzahl, lag der bisherige Hamburger Eishockeyrekord doch bei 2.800, weshalb die Annahme der „Süddeutschen Zeitung“, dass hier viele „Hallentouristen“ dabei waren, das Phänomen durchaus erklärt.

 

Auch an der Alster setzt man auf das Hometeam-Konzept: Aus den Münchner Barons wurden die Hamburg Freezers und auf dem Wege der „Handball-Eingemeindung“ aus Bad Schwartau der HSV. Eigentlich liegt die Keimzelle der hanseatischen „Freezers“ aber im urbayerischen Landshut . . . eine andere Geschichte, eine die wenig mit Fans und Vereinen zu tun hat, aber viel mit der Ausgliederung von Profiteams in übers Land ziehende Profitcenter. Das neue Flaggschiff der deutschen „Multifunkti“-Szene, die Color-Line-Arena, hat 80 Mio. Euro gekostet, gehört der finnischen Jokerit-Gruppe um Harry Harkimo und wird von einer Betriebsgesellschaft gemanagt, an der zu 70 Prozent die Anschutz Entertainment Group (AEG) und zu 30 Prozent Jokerit beteiligt sind. Das Verhältnis 70:30 gilt auch für die „Freezers“, denn Club- und Betreiberführung sind eins. Philip F. Anschutz, einer der zehn reichsten Männer der Welt, will nun für 150 Mio. Euro in Berlin-Ost ein neues Ausrufungszeichen setzen. In dem 16.000er-Palast werden die Berliner Eisbären, die ihm freilich schon gehören, den Puck jagen. Auf dem AEG-Wunschzettel soll auch Basketball-Meister ALBA Berlin stehen, der sich in der Max-Schmeling-Halle eingerichtet hat, die dann, wenn in Friedrichshain die Lichter angehen, wohl nur noch zweite Liga wäre.

 

So wirken Teams als Spielbälle von Hallenbetreibern und sind irgendwann deren Eigentum. Ganz nach amerikanischem Vorbild. Denn Teams sind unverzichtbar, liefern sie doch einen Großteil des Hallenprogramms. Aber das „Kopierenwollen“ des US-Modells treibt in Deutschland allenfalls im Eishockey zarte Blaupausen. In der s. Oliver Basketball Bundesliga hat man gerade einmal den 3.000er-Hallenstandard ausgerufen. Beteiligungen eines Geldgebers an mehreren Teams sind unerwünscht, um ein Endspiel-Szenario wie „Eisbären vs. Freezers“, also Anschutz gegen Anschutz, von vorneherein auszuschließen.

 

Die BBL-Clubs wagen indes erste Schritte in die große weite Multiarenen-Welt. Schauplatz Kölnarena: Mini-Pizza für vier Euro, Bierchen dazu drei Euro, Eintrittskarte, die teuerste, 40 Euro, die billigste sechs Euro, letztere dort, wo Basketball so klein wirkt wie „Minigolf“. Welcher Familienvater kann sich das leisten? Michael Mronz, Geschäftsführer von RheinEnergie Cologne (REC), kann für Bier- und Pizzapreise nichts, weil das Club-fremdes Terrain ist. Er sagt: „Umfragen haben ergeben, dass Menschen, danach befragt, ob etwas zu teuer sei, immer antworten: Alles viel zu teuer.“ Ein Einmalmieter muss für das zeitgemäße Event in der Kölnarena, wozu dann auch der Einfamilienhaus-große Multimediawürfel gehört, rund 70.000 Euro berappen. Das ist kein Geheimnis. Ein Geheimnis ist, was Mehrfachmieter, wie etwa REC, zahlen. Mronz: „Es gibt einen Vertrag, der im gegenseitigen Einvernehmen geschlossen wurde und der an keine Dritte kommuniziert werden soll.“ Das klingt nach Rabatt. Und für die Ticketpreise kann Mronz wahrscheinlich auch nichts: „Gewinn machen wir erst ab dem 7.000 Zuschauer.“

 

REC-Nachbar Telekom Baskets Bonn war auch schon Mal in der Kölnarena. Teuerster Ticketpreis im April 2000: umgerechnet 24 Euro. Gegen ALBA Berlin gab es damals einen neuen Indoor-Basketball-Europarekord (18.500). Die Baskets zogen im Rahmenprogramm eine unvergessliche und wohl auch unvergesslich teure Show ab. Und sie sorgten mit dem „Woah“-Event vermutlich auch für den letzten Tick, damit kam, was die Liga brauchte: den Kirch-TV-Vertrag. Dabei wollten die Bonner weder den Kirch-Mächtigen imponieren noch Profit machen, sondern nur ihre Stadtväter beeindrucken: „Seht her, eine 5.000er-Halle ist für Bonn kein Risiko, die füllen wir locker.“ Doch in der Beethoven-Stadt regten sich nur Lippenbekenntnisse. Der „Express“ ahnte am 7. April 2000: „Bonns Basketballer küssen Köln wach.“ Beides ging nicht in Erfüllung. REC wartet bis heute auf die Masse der „Wachgeküssten“ und Bonn auf eine große Halle.

 

„Der Kölnarena-Ausflug war eine wirtschaftliche Lehre“, sagt Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich. Während die lokalen Gazetten die „Bonn-Kegel“-Vision – Hotel, UN-Kongresszentrum, 8.000er-Sporthalle – des Schalke-Arena-Erbauers Rüdiger Schmitz hochschrieben, hatten Wiedlich & Co. längst andere Pläne. Erkenntnis: Wenn der Fan Cola oder Bier trinke oder ein Fan-Käppie kaufe, müsse das dem Erstliga-Etat zugute kommen.

 

Fernab des Rheins sputeten sich andere BBL-Standorte. In Braunschweig entstand die Volkswagenhalle (7.000 Zuschauer), in Bamberg das Forum (4.500). Klassisches Muster: Investor, Betreiber, Mieter. Braunschweigs Manager Thomas Stille: „Am gastronomischen Umsatz verdienen wir keinen Cent.“ Zuletzt türmten sich 300.000 Euro Mietschulden. Die würden jetzt „abgestottert“. In die Gewinnzone penetrieren die Korbjäger erst ab 4.500 Zahlenden. Der triumphale Umzug von der „Alten Waage“ (1.550) in die Volkswagenhalle brachte zunächst einmal Proteste wegen höherer Eintrittspreise, dann ein langes Gesicht beim Kassierer: „Im Schnitt 1.000 bis 2.000 Euro weniger pro Spiel im Vergleich zur alten Halle“, sagt Stille – trotz verdoppelter bis verdreifachter Zuschauerzahlen.

In Oberfranken protestierten auch erst einmal die Fans. Binnen zwei Jahren stiegen die Eintrittspreise um 30 Prozent. Die Stadt Bamberg, ein Teil des Investorkonsortiums, sponsere den Club indirekt über eine „günstige Miete“, sagt Wolfgang Heyder, Geschäftsführer des TSK uniVersa Bamberg. Doch das Multifunktionskonzept rechnet sich nur auf dem Papier. Zwei Betreiber sind binnen zwei Jahren schon in Insolvenz gegangen. Ursache: „Utopische Business-Konzepte“, sagt Heyder.

 

Schauplatz Max-Schmeling-Halle. Vize-Präsident Marco Baldi berichtet, dass sein Club die Werbefreiheit der Halle mit 90.000 Euro pro Jahr vom Betreiber Velomax „erkaufen“ müsse, pro Heimspiel fielen zudem rund 15.000 Euro an, weil man Serviceleistungen vom Betreiber anmieten müsse. Unterm Strich zahle der Club, so Baldi, keine Miete, aber der Senat partizipiere an den Zuschauereinnahmen. Man darf unterstellen: Die „Albatrosse“ profitieren von der Tatsache, dass der Senat nichts mehr scheute als die Aussicht auf eine neue, nicht genutzte Halle, entstanden im Rahmen der fehlgeschlagenen Berliner Olympia-Bewerbung. Ansonsten gilt auch in Berlin: Der Fan löscht seinen Durst nicht Clubetat-steigernd.

 

Zwischenfazit: In Betreiber-geführten Hallen kann ein Club sich zwar zeitgemäßer präsentieren, aber Gewinne werfen nur noch Spitzenspiele ab. „Wir gehen davon aus, dass verbesserte Hallenstandards zusätzliche Sponsoren und das Interesse der TV-Gesellschaften nach sich ziehen werden“, sagt Otto Reintjes, Commissioner der s. Oliver BBL. Dass die Forderung nach Kapazitäten von mindestens 3.000 Zuschauern „nicht der Freifahrschein in eine gesicherte, glückliche Zukunft bedeutet, ist mir schon klar“. Hierzu gebe es an 14 BBL-Standorten 14 verschiedene Probleme. Um auf einem riesigen Entertainment-Markt überhaupt eine Chance zu haben, „muss man guten Sport und eine Atmosphäre in den Arenen bieten, die sowohl originär als auch professionell ist“. Die Zeit der Turnhallen sei vorbei.

Dass in Multifunktionsarenen Heimspiele nur bei regem Publikumszuspruch ein Plus machen, ist kein Einzelfall. In der Liga spricht man von „Anfangsinvestitionen“. Dr. Gunnar Wöbke, Manager der Opel Skyliners Frankfurt, sagt zur Miete für die Ballsporthalle nur: „Die ist beachtlich.“ Wöbke geht in seiner Langfristkalkulation jedoch davon aus, dass „in Zukunft über Zuschauereinnahmen Geld verdient wird“. Der Trend des „permanenten Draufzahlens“ werde kippen.

 

„Geld verdienen“ mit Heimspielen, das tun immer noch jene BBL-Clubs, die in städtischen Turnhallen unterwegs sind, etwa in Gießen, Hagen, Trier, Oldenburg oder Würzburg. Aber auch dort sind die Grundsteinlegungen für neue Multifunktionshallen bereits erfolgt bzw. geplant, allerdings alle nur im „1:4-Maßstab“ der Color-Line-Arena. Alles einige Nummern kleiner und alles im Rahmen einer Investor-Betreiberlösung. Nur in Bonn brüten die Baskets weiter über einer eigenen Halle, die ein Novum in der s.Oliver BBL wäre. Nur wie finanzieren? Zumindest soll bald wenigstens ein Grundstück von der Stadt – kostenlos – zum Club wandern. Aus wirtschaftlichen und Hallen-atmosphärischen Gründen heißt das Zauberwort in Bonn „Monostruktur“, also nur Basketball. Keine großen Umbauten, keine großen Kosten. Das Ganze begleitet von der Erkenntnis, die im Fußball längst verbreitet ist: Eine Sportstätte, die sich für alles eignen soll, eignet sich für nichts richtig. Es geht um Atmosphäre. Deshalb wird ja auch kein Fußballstadion mehr mit Leichtathletik-Laufbahn gebaut, das den Fan vom Geschehen trennt. Der Zuschauer soll den Schweiß des Sportlers nicht nur ahnen, sondern sehen.


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