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Hand aufs Herz

Baskets-Forward Johannes Richter im Portrait

Es gibt viele von ihnen. Junge Männer, die im Laufe ihrer Karriere als Jugendspieler auf dem Radar erscheinen, sich dort festsetzen und zu gestandenen Männer heranwachsen, die in der Bundesliga eine feste Rolle bekleiden. Oftmals sind es genau diese Akteure, deren Historie sträflichst unterschätzt wird, die aber einen nicht zu verachtenden Wert für ihren Verein haben. Johannes Richter kann ein Lied davon singen, denn der Big Man hat basketballerisch schon eine Menge erlebt.

Innenspieler mit weichem Handgelenk: Johannes Richter (Foto: Jörn Wolter)

Ein Teil des Bonner Publikum dürfte Johannes Richter erstmals wahrgenommen haben, als die Baskets anno 2012 im Playoff-Viertelfinale auf Bamberg traf. Allerdings mussten die mit ins Frankeland Gereisten ganz genau hinsehen, um den damals 18-Jährigen überhaupt wahrzunehmen. In einem Team mit Casey Jacobsen, Anton Gavel oder auch Marcus Slaughter lag das Auge des öffentlichen Interesses auf den gestandenen Kräften. Doch diejenigen, die schon früh nach Hallenöffnung in der Arena waren, noch ehe die Stammspieler beider Mannschaften zum Warmup auf die erste Partie der Serie das Parkett betraten, konnten einen Blick in die Zukunft erhaschen. Immer und immer wieder die gleiche Bewegung. Immer und immer wieder der gleiche Ablauf. Immer und immer wieder mit dem gleich Ergebnis. Bambergs Individual-Trainer Stefan Weissenböck spielte den im Lowpost wartenden Johannes Richter an, der zwei harte Dribblings in die Mitte machte, harter Pumpfake, Drehung zur Grundlinie, Korbleger. Während die „Frankenhölle“ zum Leben erwachte, ließ sich das hart arbeitende Duo nicht davon abhalten, den Werkzeugkasten des jungen Pivoten um eine weitere Facette zu erweitern.

Als Benas Veikalas den Tip-In zum Bonner 75:74-Sieg verwandelt, sitzt der Youngster am Ende der Bamberger Bank. Auf dem Statistikbogen ist hinter seinem Namen ein „dnp“ – did not play – eingetragen. Ein normaler Umstand für einen Nachwuchsmann in Basketballdeutschland, der auf dem Sprung aufs nächste Level ist, gegen Bundesliga-Routiniers aber noch Lehrgeld bezahlt. Wer genau hinsieht, erkennt allerdings, dass Richter weiß, dass seine Zeit noch kommt. Denn er hat in jungen Jahren bereits mehr Erfahrungen machen dürfen, als die meisten seiner Altersgenossen.

Darf ich Sie höflich darum bitten,
alles zu geben was Sie haben

Anno 2010 findet das NBBL TOP4, die Endrunde der U19-Bundesliga, in Bamberg statt. Die lokalen Jungspunde, angeführt von Philipp Neumann (heute RASTA Vechta), gelten als einer der ganz heißen Anwärter auf die Krone in Deutschlands höchster Jugendspielklasse. Das ist auch noch so, als sie im Playoff-Viertelfinale auf die Konkurrenz der Franken Hexer treffen – mit Richter als Innenspieler und Coach Weissenböck auf der Kommandobrücke. „Wir waren sicherlich keine Übertalente, aber eine hart arbeitende Truppe, in der jeder für den anderen gekämpft hat und seine Rolle kannte“, beschreibt Richter rückblickend. Kurzerhand werden Neumann und Co. aus dem Weg geräumt, das Ticket zum TOP4 gelöst und der Ruf des bissigen Underdogs schamlos weiter kultiviert. Richter: „Bei uns hat damals einfach viel gepasst, auch und vor allem was die Rotation anging.“ Damit meint er, dass Power Forward und Hexer-Topscorer Dennis Ogbe nach einer Verletzung im Laufe der Saison zunächst von der Bank kam, was sich als enormer Erfolgsfaktor entpuppte. „Wenn Dennis eingewechselt wurde, bin ich auf die Fünf gegangen, was mir wiederum in meiner Entwicklung geholfen hat, da es gegen physischere Gegner ging“, so Richter.“ Im Halbfinale der Endrunde geht es für die Hexer gegen den amtierenden Meister ALBA Berlin um einen gewissen Konstantin Klein – mit einer herben 57:87-Packung als sportliche Folge.

Im gleichen Sommer finden in Hamburg, Germany, die erstmals ausgetragenen U17-Weltmeisterschaften statt. Der Deutsche Basketball Bund  (DBB) richtet die Wettkämpfe aus und schickt sich an, eine schlagkräftige Truppe auf die Beine zu stellen, welche Schwarz-Rot-Gold gegen die globale Elite vertreten soll. Mit dem Adler auf der Brust am Start: Johannes Richter, von dem Bundestrainer Frank Menz „ganz genau wusste, was ich bekomme: Eine fokussierte Einstellung und Physis am Brett, wann immer wir es brauchten.“ Die anderen Nationalmannschaften laufen mit dermaßen vielen NBA-Prospects auf, dass die anwesenden Scouts und College-Coaches ihre Notizbücher schneller mit Infos füllen könnten, als die Tinte aus dem Füller läuft. Bei den USA sorgen Michael Kidd-Gilchrist (Charlotte Hornets), Bradley Beal (Washington Wizards) oder auch Andre Drummond (Detroit Pistons) dafür, dass der Turniersieg ungefährdet nach Übersee geht. Bei Polen sorgt Mateusz Ponitka (Pinar Karsiyaka) für Aufsehen, Kanada hat neben Aufbau-Überflieger Kevin Pangos (Zalgiris Kaunas) die späteren beiden Nummer Eins Draft-Picks Andrew Wiggins und Anthony Bennett im Kader. Deutschland schlägt sich aufopferungsvoll, gewinnt in der Vorrunde gar gegen die „Ahornblätter“ mit 69:68 und kommt schlussendlich auf einem respektablen achten Platz über die Ziellinie. „Dieses Turnier war eine riesige Erfahrung für mich, da ich auch relativ überraschend und kurzfristig eingeladen wurde“, erinnert Richter sich. „Bis dahin hatte ich nichtmal in der Bayern-Auswahl gespielt, war auch nicht im U16-Nationalkader. Umso mehr habe ich mich gefreut, als Coach Menz anrief … natürlich habe ich da zugesagt und alles gegeben, was ging.“

Ich atme tief ein,
wenn ein neuer Tag beginnt

Die folgenden drei Jahre zwischen Sommer 2010 und 2013 verbringt Richter im Nachwuchsprogramm Bambergs, wo er weiterhin mit dem ebenfalls an die Regnitz gewechselten Stefan Weissenböck arbeitet. „Das gesamte Trainerteam in Bamberg, das sich um uns junge Kerls gekümmert hat, ist großartig gewesen“, stellt er heraus. „Was Ulf Schabacker, Mirko Petrick und Thomas Lorber an Zeit, Engagement und Geduld in uns Spieler investiert haben, ist nicht selbstverständlich.“ Richter fühlt sich wohl, was sich auf dem Feld in Form von durchschnittlich 16,8 Punkten und 11,0 Rebounds als Double-Double ausdrückt. In der Endrunde geht es diesmal einen Schritt weiter, doch im Finale erweist sich Serienmeister Urspring als zu stark (57:68).

Der große Wurf gelingt Richter im dritten und finalen Anlauf, ehe er altersbedingt aus dem Jugendbereich ausscheidet, im Frühjahr 2012. Zwar sind seine persönlichen Werte in der NBBL im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgegangen (15,9 PpS, 10,5 RpS), dafür bindet er aus dem Lowpost heraus seine Nebenleute immer besser mit ein. Doch als das Team ihn braucht, ist er da: 21 Punkte machen ihn zu bestimmenden Akteur des NBBL-Finales gegen Bremerhaven, an dessen Ende ein überzeugender 79:65-Sieg sowie die große Sause stehen. „Für uns war immer wichtig, intensiv und mit vollem Einsatz zu spielen“, reüssiert Richter. „Wenn das gegeben ist, passieren automatisch gute Dinge auf dem Feld. Abgesehen davon sind durch die gemeinsame Zeit viele Erinnerungen und Freundschaften fürs Leben entstanden.“

Was ist denn los mein Sohn,
du guckst so streng

Egal, wer zu dem heute 23-Jährigen befragt wird oder über ihn berichten soll, das Etikett „harter Arbeiter“ wird schneller verteilt, als Bützje an Karneval. Was wie eine schmale Plattitüde daherkommen mag, findet seinen Ursprung in einer steten Konditionierung, die sich irgendwann festgesetzt hat. „Ich musste, soweit ich mich zurückentsinnen kann, immer gegen größere und stärkere Jungs ran. Musste gegenhalten, wollte mich beweisen“, sagt Richter. In der Jugend trainiert er meist bei dem eine Altersklasse weiteren Mannschaft mit. „Da merkst du schnell, dass du dich durch irgendetwas auszeichnen musst, wenn du bestehen willst. Das körperliche Spiele war genau meins, und das ist bis heute so geblieben.“

Es sind diese mannschaftsdienlichen Qualitäten, welche 2013 ausschlaggebend dafür sind, dass Frankfurt sich um die Dienste der Power Forwards bemüht, um ihn in den Kern der „jungen Wilden“ um Johannes Voigtmann, Danilo Barthel und eben Konstantin Klein zu integrieren. Zunächst darf er sich in der ProB austoben, wo er neben äußerst soliden 10,5 PpS und 6,0 RpS vor allem einen überraschend konstanten Dreier (47,2 Prozent Trefferquote) an den Mann bringt. Die Einsätze in der „Jungen Liga“ werden von Saison zu Saison nur bedingt rarer, dafür umso dominanter. Am Ende der Spielzeit 2015/2016 stehen für Richter durchschnittlich 17,3 Punkte, 8,3 Rebounds und 3,0 Assists zu Protokoll, mit dem Bundesliga-Team geht es bis ins Playoff-Halbfinale, und auf internationaler Ebene machen die Bankenstädter durch den Gewinn des FIBA Europe Cup auf sich aufmerksam. Der nächste Schritt muss her…

…und führt die A3 gen Norden nach Bonn. „Mein Vorteil ist, dass ich auf beiden großen Positionen spielen kann“, sagt Richter. „Wenn entweder Filip oder Julian in Foulprobleme geraten, kann ich dort einspringen. Wenn auf den Außenpositionen jemand fehlt und Ojars oder Ken hochrotieren, bin ich da.“ Es ist diese positive Sichtweise mit der jederzeit vorhandenen Bereitschaft, sich das Warmup-Shirt abzustreifen und direkt liefern zu können, die Bonns #8 so wertvoll für das Team macht. Nirgend wurde es deutlicher, als in den letzten Wochen, in denen Filip Barovic mit gebrochenem Daumen und in Zivilkleidung auf der Bank saß. Vier Siege in Serie und gestiegene Einsatzzeiten trügen nicht: Johannes Richter hat einen Status erreicht, wo er längst mehr als nur einem kleinen Teil des Bonner Publikums ein Begriff ist. Zurecht.

 


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