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Mehr als nur zweite Wahl

Die Junge Liga gilt als Plattform für talentierte Deutsche wie Fabian Thülig und Jonas Wohlfahrt-Bottermann. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Bestes Beispiel ist Phoenix Hagen, am Sonntag nächster Gegner der Baskets im Telekom Dome.

Patrick Flomo ist so ein Kandidat. Einer, der mit einem einzigen Spiel die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Publikum für sich gewinnen kann von diversen Coaches einmal ganz abgesehen. Natürlich, die Geschichte ist nicht mehr ganz neu. Aber sie ist immer wieder erzählenswert, denn sie zeigt ganz klar auf, worum es in den folgenden Absätzen gehen wird. Da war also dieser junge Spieler, seinzeit hatte er schlanke 25 Lenze auf dem Buckel, und legt für die Hertener Löwen beim Auswärtsspiel in Rhöndorf beinahe ein Triple-Double auf. Nicht, dass der statistische Drilling ohnehin äußerst selten vorkommt, aber Flomo demonstrierte mit seiner Vorstellung aus 16 Punkten, zehn Rebounds, acht Blocks plus drei Assists und zwei Steals, dass er eindeutig zu stark für die zweite Liga ist. Eine Tatsache, die der in der Menzenberger Halle anwesende Michael Koch nur bestätigen konnte und nach der Sommerpause war Flomo ein Teil der Telekom Baskets Bonn.

 

Mit der Akte Flomo begann in der ersten Liga ein Trend, der sich durch die BBL-Aufsteiger Bremerhaven (2005), Ulm (2006), Göttingen (2007) von einer Modeerscheinung weg hin zum anerkannten Mittel entwickelte. Die Rede ist von Spielern, die in der zweiten Liga lies: früher getrennt in Nord- und Südhälfte, in der Gegenwart ProA und ProB ihre ersten Deutschlanderfahrungen sammelten, um von dort den Sprung in die Beletage in Angriff zu nehmen. Früher hatte die Junge Liga eher den Ruf eines Abstellgleises für ausländische Akteure, die mit ihrer dortigen Ankunft scheinbar ihr Leistungsmaximum erreicht hatten. Weit gefehlt, und auch wenn die zweite Liga sich mit ihrem selbst auferlegten Slogan Die Stars von morgen heute in der Jungen Liga vornehmlich an deutsche Talente richtet, so nutzen immer mehr Internationale diese Plattform, um sich auf eine ordentliche Karriere in der Beko BBL vorzubereiten. Das war bei Patrick Flomo so, ebenso wie bei den beiden Ulmern Rocky Trice und Walt Baxley oder Wayne Bernard vom MBC. Wenn die Telekom Baskets Bonn auf Phoenix Hagen treffen (Sonntag, 24.10.2010, 17.00 Uhr), stehen bei den Feuervögeln mit Mark Dorris und Edward Seward die jüngsten Vertreter dieser Generation auf dem Parkett des Telekom Dome.

 

Der 1,88m große Dorris brauchte nach seiner Ankunft bei den Cuxhaven BasCats im Sommer des vergangenen Jahres ein wenig, ehe er richtig in Schwung kam. Im ersten Spiel warf er insgesamt nur acht Mal auf den Korb und hatte am Ende des Tages neun Zähler auf dem Konto er sollte in der gesamten Saison nur zwei weitere Spiele mit einstelliger Ausbeute haben. Es dauerte bis zum siebten Spieltag, ehe Dorris in der heimischen Rundturnhalle gegen Hannover die Bombe platzen ließ: 34 Punkte, vier Rebounds, fünf Assists, vier Steals und zwei Blocks der damals 24-Jährige war endlich angekommen. Auch wenn es sein einziger offensiver Ausflug jenseits der Dreißiger-Marke sein sollte, die Leistungen des Guards pendelten sich auf hohem Niveau ein. Dafür wurde er im Monat Januar von der Jungen Liga zum Spieler des Monats gewählt.

 

"Im Eins-gegen-Eins ist er kaum zu stoppen, sein Mitteldistanz-Fade-Away-Sprungwurf ist kaum zu verteidigen, da er sehr hoch abspringt. Zudem ist er in der Offensive sehr kreativ und kann beidhändig abschließen", sagt seinerzeit Benas Matkevicius, Co-Trainer der BasCats. Sein enorme Sprungkraft gepaart mit gutem Timing sorgen dafür, dass er die lange Garde oft beim Rebound entlastet und so selbst mit dem Ball in der Hand zum Break durchstarten kann. Einzig sein Wurf aus der Distanz ist Dorris nicht genehm. In Cuxhaven nimmt er in 29 Spielen zwar 90 Würfe von Downtown, verwandelt davon jedoch lediglich derer 24 (26,7 Prozent). Ein Manko, dass Hagens Trainer Ingo Freyer locker verkraften kann, denn mit durchschnittlich 18,3 Punkten, 4,8 Rebounds und 3,7 Korbvorlagen pro Partie ist er eine wandelnde Allzweckwaffe. Nachdem Dorris bei den Volmestädtern angeheuert hat und die neue Dreierlinie einen halben Meter weiter zurückliegt, wird es mit einer anhaltenden Liaison zwischen ihm und einem amtlichen Distanzwurf sicher noch dauern. Doch 14,0 PpS, 2,5 RpS und 4,5 ApS in den ersten vier Spielen der Beko BBL-Saison 2010/2011 machen ihn zu einem eminent wichtigen Baustein des Hagener Erfolgs.

 

Ähnlich verhält es sich bei Center Edward Seward, der mit seinen 32 Jahren eher auf den Herbst seiner Karriere zugeht, als dass er sich im Basketball-Frühling befindet. Doch auch bevor der erste Schnee fällt und die Gelenke einzufrieren scheinen, gibt es oftmals noch Sonnentage. Seward schlug vor seinem jetzigen Kollegen Dorris in Cuxhaven auf und dominierte 2008/2009 die ProA-Zonen fast nach Belieben. Mit einem Double-Double im Schnitt, um genau zu sein 11,3 Punkten und 10,4 Rebounds pro Partie, einer durchschnittlichen Feldwurfquote von beängstigend guten 70,6 Prozent sowie 1,4 Blocks empfahl er sich für höhere Aufgaben. Erst als er die Leistungen im starken Bayreuther Meisterschaftskader bestätigte (2009/2010: 8,2 PpS, 7,4 RpS, 60,9% FG), musste auch dem letzten Trainer in der Beko BBL klar gewesen sein, dass der Rasta-tragende Big Man noch genug Sprit für ein paar Erstliga-Kilometer im Tank hat. Der offensive Output des 2,06m-Mannes ist im Dienste der Westfalen zwar auf 5,5 PpS runtergegangen, doch mit einer Feldwurfquote von 57,1 Prozent und teamintern überragenden 7,0 Rebounds agiert er im Hagener Konzept hochgradig effizient.

 

Die Beko BBL ist das Zugpferd des deutschen Basketballs, keine Frage. Das muss aber noch lange nicht bedeuten, dass die zweite Liga keinerlei Qualität birgt oder noch immer ein Abstellgleis ist. Spieler, ob Einheimische oder aus Übersee, begreifen die gegebenen Strukturen immer mehr als Chance für ihre persönliche Entwicklung. Patrick Flomo, Mark Dorris und Edward Seward sind beste Beweise dafür, dass es diese Chance nicht nur theoretisch gibt, sondern in der Praxis zu einen Ticket gen Oberhaus führen kann ohne Rückfahrtschein!

 


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