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Mit der Schnelligkeit sinkt nicht nur im Basketball die Trefferquote"

Telekom-Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich zur aktuellen Situation

Liebe Basketsfans,natürlich verursacht diese Saison mehr Schmerzen als Freuden. Unsere Mannschaft begeisterte zum Jahresende gegen starke Teams und zwischendurch in Berlin, spielte zuletzt jedoch gruselig gegen schlagbare Teams. Alle, die zuschauen, leiden. Noch mehr leiden, still und leise, alle im Team hinter dem Team.Ein Internetforum mit anonymen Meinungsmeldungen eignet sich hervorragend, um Frust und schnellgeschossene Ideen abzulassen. Jeder kriegt sein Fett weg. Es ist auch nicht alles bierernst zu nehmen. Mancher Fan vergisst schnell und gerne: Gestern war die Verpflichtung von Chris Ensminger noch eine Art Todsünde der Baskets gegenüber ihren Fans, heute liegt über solchen anonymen Statements der dicke Teppich der kurzen Erinnerung.

 

Die neuen Kommunikationswelten machen es für alle nicht einfacher. Hier Twitter, dort Facebook. Alles spielt zudem auf verhängnisvolle Weise Pingpong mit immer schneller taktenden Printmedien. Hier entsteht eine brisante Mischung, die manchmal aus Gerüchten Fakten und aus unreflektierten Zusammenhängen vermeintlich treffende Analysen entstehen lässt. Mit der Schnelligkeit sinkt jedoch nicht nur im Basketball die Trefferquote.

 

Ich teile den Frust der Fans zur Spielweise der Telekom Baskets Bonn in den letzten Wochen. Aber: Ab wann wir noch in dieser Saison welchen Schalter umlegen, ohne uns ins eigene Knie zu schießen, kann ich heute nicht verraten. Ich bitte um Verständnis. Schweigen muss ich auch zur nicht-sportlichen Nicht-Nutzung unserer neuen Halle, dem damit verbundenen Einnahmeausfall und seinen Ursachen. Leider gibt es noch ein weiteres ärgerliches Thema, das den wirtschaftlichen Druck auf die Baskets massiv erhöht, aber auch hier gilt: Die Büchse der Wahrheiten öffne ich erst, wenn alle Verhandlungen ergebnislos enden sollten. Bis dahin ertragen wir geduldig auch die böswilligsten und unkundigsten Anonym-Kommentare im Internet.

 

Dennoch habe ich mich entschlossen, heute hier einige Fakten zu nennen:

 

UNSERE NEUE HALLE: Leider konnten wir die Zusatzeinnahmen (Ticketerlöse) aus den furiosen Finalspielen 2007/08 und den Playoffs 2008/09 nur teilweise (für 08/09) oder gar nicht (für 09/10) in den Teametat reinvestieren. Die Gründe liegen im Telekom Dome nebst Ausbildungszentrum. Das Ganze kostet pro Jahr einen Erstliga-Mindestetat (1,0 Mio. Euro). Das bedeutet nicht, dass der Bundesliga-Teametat gnadenlos zusammengestrichen worden wäre, wie das in Internetforen oder Medien gelegentlich vermutet wird. Reinvestieren hätte erhöhen bedeutet.

 

JUGENDFÖRDERUNG: Unser gemeinnütziger Telekom Baskets Bonn e.V. ist nun der achtgrößte Basketballverein Deutschlands. Die weitgehend leistungsbezogenen Aktivitäten von mehr als 500 Kindern und Jugendlichen sind längst auch in die Haupthalle expandiert, weil das Ausbildungszentrum aus allen Nähten platzt. Trainer werden fortgebildet, Einzeltraining gehört zum Alltag. Unser neuer sportlicher Leiter Carsten Pohl setzt Impulse, wo er kann. Will sagen: Ich kenne kaum einen BBL-Standort, wo das alles unter einem Dach stattfindet. Man kann das, je nach Standpunkt, Kosten oder Investment oder Selbstverständnis nennen. Jedenfalls geht die Saat auf. Unser Verein stellt aktuell zwei A2-Nationalspieler, die bei uns groß geworden sind, und hat mit dem NBBL(U19)-Team Bonn/Rhöndorf die Playoffs erreicht.

 

TEAMETAT: Für die Saison 2008/09 erhöhte sich der Bundesliga-Teametat um rund 35%, für 2009/10 sank er um rund 5%, für 2010/11 sank er nochmals um rund 5% (stets gegenüber der Vorsaison). Gegenüber der Vizemeister-Saison 2007/08 liegt der aktuelle Teametat also höher. Relative wirtschaftliche Stärke verursacht nicht zwangsläufig sportlichen Erfolg, sie macht ihn nur wahrscheinlicher. Wenn ich 14 Baskets-Erstligajahre analysiere, fällt auf, dass unsere Finalteilnahmen sehr, sehr selten durch ein wirtschaftliches Baskets-Hoch flankiert waren. Es kam auf andere Dinge an, deren Fehlen wir heute beklagen.

 

BERUFSGENOSSENSCHAFT(VBG)/KRANKENKASSE: Jedes mal wird im Verletzungsfall eines Spielers im Fanforum die wirtschaftliche Möglichkeit zur Neuverpflichtung erörtert. Tenor: Alles klar: Krankenkasse/VBG zahlen, also wird Geld frei für einen neuen Spieler. Das stimmt leider nur zu einem ganz geringen Teil.

 

DEUTSCHES ARBEITSRECHT: Wir halten uns daran. Im Forum werden gelegentlich die Gepflogenheiten an anderen BBL-Standorten zum (kostensparenden) Vorbild erhoben. Eine Hire-and-Fire-Praxis im Monatsrhythmus wäre sicher ein probates Mittel, unseren Ruf in Deutschland und in Europa von heute auf morgen zu zerstören.

 

EINORDNUNG: Ob die Baskets mit ihrem Spieleretat zwischen Rang 4 und 6 oder zwischen 7 und 12 liegen, weiß definitiv nur der Gutachterausschuss der Liga. Alles andere ist Spekulation. Die Tatsache, dass wir viele Spieler, die sich bei uns positiv entwickelt haben, in den zurückliegenden Jahren nicht halten konnten, spricht m.E. eine deutliche Sprache. Dass einige Akteure bei ihrem Weggang Krokodilstränen in den Medien weinten (Der Club hat mir kein Angebot gemacht), ist nicht mehr als professionelle Rhetorik.

 

Nachfolgend einige Fakten:

 

Playoff-Teilnahmen seit 1997: Berlin 14, Bonn 13, Bamberg 12, Leverkusen und Frankfurt je 9, Köln und Oldenburg je 6.

 

Endspiel-Qualifikationen seit 1997: Berlin 9, Bonn und Bamberg je 5, Frankfurt 3.

 

Wir haben sportlich oft weit über unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten abgeschnitten. Unser Mittel dazu hieß Baskets-Spirit, den wir heute in Teilen schmerzlich vermissen. Aus den Erfolgen über viele Jahre resultiert zwangsläufig eine hohe Erwartungserhaltung in unserer Stadt und auf unseren Tribünen. Die Kehrseite davon ist verständlicherweise purer Frust, wenn es einmal ganz anders läuft.

 

Auch wenn eine Nicht-Playoff-Teilnahme wirtschaftliche Konsequenzen für die nächste Saison hat, lassen sich Lehren ziehen. Aus einer Dürre, so belegt es unsere Historie, gehen die Baskets stets gestärkt hervor. In diesem Sinne sollte man uns zutrauen, dass wir gegenwärtig alles daran setzen, aus der momentanen Situation das Bestmögliche zu machen, erst recht für die nächste Saison.

 

 

 


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