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Nach Hause

Kenne deinen Feind: Karsten Tadda (EWE Baskets Oldenburg)

Wenn sich das Haupthaar lichtet, werden die gefühlt schon immer dagewesenen Geheimratsecken deutlicher sichtbar. Es ist eine mit einem Augenzwinkern versehene Parallele zum Basketballspiel des Karsten Tadda vorhanden, dessen sportliches Repertoire seit jeher mehr Tiefgang hatte, als die öffentliche Wahrnehmung bereit war zu erkennen und erst jetzt so langsam ans Tageslicht kommt. Dabei ist der gebürtige Franke schon seit über einen Jahrzehnt auf hohem Niveau unterwegs, hat sich gegen weitaus talentiertere Youngster durchgesetzt und ist zu einer festen Größe im DBB-Trikot gereift – wovon die EWE Baskets Oldenburg dieser Tage maßgeblich profitieren.

Eine personelle Konstante in der BBL und für den DBB: Karsten Tadda (Foto: Ulf Duda)

Es gibt in der Bundesliga nur sehr wenige Akteure, die immanent mit der Geschichte eines einzigen Clubs verbunden sind. Per Günther und Ulm. Quantez Robertson und Frankfurt. Rickey Paulding und Oldenburg. Karsten Tadda und Bamberg – zumindest bis 2015. Die Saison ist gerade angelaufen, da wechselt der im Programm des TSV Tröster Breitengüßbach gereifte Guard von der Regnitz an die Lahn nach Gießen. Ein Schnitt, der von außen betrachtet abrupt unwirklich daherkommt, denn Tadda war schlichtweg die Identifikationsfigur des Serienmeisters. Bamberg ohne den Sohn der Stadt – oder umgekehrt – schien weit außerhalb aller Möglichkeiten. „Innerlich hat der Abnabelungsprozess für mich bereits früher eingesetzt“, erzählt Tadda. „Als ich ging war Bamberg nicht mehr das Bamberg, das es noch unter Wolfgang Heyder und Chris Fleming gewesen ist. Mit der Zeit hat es mich immer weiter vom Verein weggetragen, wodurch die Umstellung auf Gießen schneller ging als vielleicht gedacht.“


Draußen wartet das Paradies

Was bleibt, sind fünf Deutsche Meisterschaften und drei Pokalerfolge. Aber auch legendäre Selfies auf dem heimischen Balkon mit nationaler Hardware in der Hand. „Die Tradition, dass der Pott am Ende der Party von einem Bamberger Jung mit nach Hause genommen wird, habe ich von Steffen Hamann übernommen. Am nächsten Tag wurde die Trophäe einmal trocken abgewischt und ins Büro gebracht“, lacht Tadda, und fügt an. „In Oldenburg habe ich jetzt zwar auch eine Wohnung mit Balkon, aber tatsächlich lag die Priorität bei der Wahl der Unterkunft eher darauf genug Platz für meine Familie du Besuch aus der Heimat zu haben.“

Das Eine tun, ohne das Andere lassen zu müssen. Der heute 30-Jährige ist lange genug im Geschäft, um nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Dies hat vor allem darin seinen Ursprung, dass er nie etwas geschenkt bekam – und sich stattdessen auf ehrliche Tugenden besonnen hat. „Ich musste mir das, was ich jetzt habe, durch harte Arbeit, Ehrgeiz und Fleiß verdienen. Das war schon immer so.“ Eine Rückblende in die Saison 2006/2007 hilft zu verstehen, was der Shooting Guard meint. In der neu geschaffenen Nachwuchs Basketball Bundesliga schafft Güßbach den Sprung in die Endrunde, wobei der Fokus auf Sajmen Hauer und Tim Ohlbrecht liegt. Im Schatten des talentierten Duos findet Tadda einerseits nur wenig Beachtung, hat auf der anderen Seite aber auch genügend Spielraum zur persönlichen Entwicklung, ohne unter dem analytischen Mikroskop zu liegen.

Von nichts kommt nichts, ich weiß

Als Jugendspieler vom Hauptkorb der Trainingshalle verjagt, wenn die Profis das Parkett betraten, wurde der Eifer des Karsten Tadda nur noch zusätzlich entfacht. „Jungs wie Rick Stafford haben mich wissen lassen, wo mein Platz in der Nahrungskette ist“, berichtet er von seiner harten Schule, die ihm offensichtlich mehr geholfen denn geschadet hat. „Heute bekommt die Jugend viel zu sehr das Bett gemacht. Wer zu früh extrem behütet wird, neigt dazu es sich bequem zu machen und mit dem Status Quo zufrieden zu sein.“ Harte aber ehrliche Worte eines Athleten, der weiß wovon er spricht – und dem gesprochenen Wort mit Taten den Rücken stärkt.

Nirgends wurde dies offensichtlicher, als nach dem Wechsel von Bamberg zu den 46ers. Plötzlich war der uneigennützige Rollenspieler ein echter Leader. Einer, der offensiv voranschreitet, anstatt sich auf Kettenhund-Verteidigung und den Dreier aus der Ecke zu beschränken. Einer, der den Ball aufsetzen und den Korb attackieren kann, der als Passgeber fungiert und die Truppe beisammen hält. Tadda: „Diese Qualitäten habe ich schon immer besessen, doch im Bamberger Konstrukt waren sie weniger gefragt.“ Doch der Schuster bleibt selbstverständlich auch bei seinen Leisten, bildet gemeinsam mit Yorman Polas Bartolo eines der unangenehmsten Defense-Tandems der Liga und bringt die Hessen bis auf einen verlorenen direkten Vergleich gegen Würzburg an die Playoff-Plätze heran.

Ist es Zufall, dass Ulm nach seiner Verpflichtung anno 2016/2017 zwischenzeitlich 27 Siege in Serie einfährt (BBL-Rekord) und die Hauptrunde auf dem ersten Platz abschließt? Sicher nicht, das wissen auch die Verantwortlichen in Oldenburg und nehmen den mittlerweile Familienvater gewordenen unter Vertrag. Als unprätentiöser X-Faktor wirkt er nun innerhalb einer Mannschaft, in der er nicht das Alphatier (Rickey Pailding) oder den Topscorer (Will Cummings) geben muss. Und doch schickte ihn Headcoach Mladen Drijencic in bislang jedem Spiels als Starter aufs Bundesliga-Parkett. Weil sich Defense, Einsatzbereitschaft, Kampfgeist und der Pass vor dem Assists nur schwer in Zahlen ausdrücken lassen.

Acker' den ganzen Tag, hab' es irgendwann geschafft

Oder doch? Zumindest um die Ecke gedacht. Wer keinen nachhaltigen Wert für ein Team hat, wird niemals 414 BBL-Begegnungen absolvieren – nur sechs Aktive weisen mehr Einsätze vor. Wessen Fähigkeiten sich nicht auf das höchstmögliche Niveau übertragen lassen, macht keine 87 Spiele mit dem Adler auf der Brust – während des letzten Nationalmannschaftsfensters nur durch Bastian Doreth (88) und Robin Benzing (135) übertroffen. „Für mich steht es komplett außer Frage, dem DBB abzusagen“, platzt es förmlich aus Tadda heraus. „Es war und ist für mich immer eine große Ehre für die Nationalmannschaft aufzulaufen – auch nicht mit 30 Jahren. Außerdem macht es wahnsinnig viel Spaß, abseits des Ligaalltags mit den Jungs zusammen zu spielen.“

Bricht nach der souverän über die Bühne gebrachten WM-Qualifikation nun die (gesunde) Diskussion um den Turnier-Kader los, stehen die Dennis Schröders und Maodo Los im Vordergrund. Doch Karsten Tadda weiß schnörkellos auf den Punkt zu bringen, was sich hinter der stoischen fränkischen Fassade verbirgt. „Ich kann dem Team eine hohe Verteidigungs-Qualität geben, bin ein Führungsfaktor und habe kein Problem damit auch mal drei oder vier Angriffe lang keinen Ball zu bekommen.“ So wie in Oldenburg, wo sie sich genau diese teamorientierte Einstellung zu Nutze machen – und damit die Liga in Atem halten.






 


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