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Ex-Baskets und Nymburk-Anführer Eugene Lawrence im Portrait

Point Guards haben in Bonn eine lange, ruhmreiche Tradition. Sie schufen sich selbst Denkmäler wie einst Eric Taylor mit seinem “Wurf vom Parkplatz” gegen Berlin. Oder passten sich in die Bundesliga-Annalen wie seinerzeit Jared Jordan mit seinen 18 Assists gegen Oldenburg. Und es gibt natürlich eine große Fraktion aus New York stammender Spielmacher, die den Baskets ihren Stempel aufdrückten: Derrick „The General“ Phelps, Terrence „The Commander“ Rencher sowie Eugene „The Tank“ Lawrence – Letzterer kehrt nun mit CEZ Nymburk im Rahmen der Champions League-Saison 2017/2018 in den Telekom Dome zurück.

Absolvierte 88 Bundesliga-Partien für Bonn: Geno Lawrence (Foto: Jörn Wolter)

Der Linden Boulevard ist eine der meistbefahrenen Straßen New Yorks und verbindet Queens mit Brooklyn. Er führt unter anderem an dem von klugen Planern erschaffenen Grünstreifen vorbei, welcher auf den Karten als Linden Park verzeichnet ist. Acht Tennisplätze, ein Football-Feld sowie ein großer Spielplatz prägen das Bild der Anlage. Doch das Highlight bilden die unter den Baumkronen versteckten Basketball-Freiplätze. Drei an der Zahl. Besser bekannt als „Gersh Park“, abgeleitet von der nahegelegenen George Gershwin Highschool. Hier ist der Puls Brooklyns allabendlich spürbar. Wenn im Sommer die Söhne der umliegenden Viertel von Übersee heimkehren und sich mit dem örtlichen Nachwuchs messen, sind die Tribünen dermaßen überfüllt, dass das junge Publikum auch gern auf die umliegenden Bäume klettert, um einen Blick auf die Courts zu erhaschen. Eugene Lawrence könnte den knapp halbstündigen Fußmarsch von Brownsville aus über die Pennsylvania Avenue nach Osten und die Vermont Street gen Süden blind absolvieren. Seit jeher ist er Stammgast auf dem rauen Asphalt, der ballspielende Jungs in Windeseile zu echten Kerlen macht. Er war MVP des „Summer Classic“, das sich abseits des Blitzlichtgewitters rund um den weltberühmten Rucker Park als härtestes Turnier der Stadt einen Namen gemacht hat. „Diesen Sommer nicht dort zu spielen, um meine Knochen zu schonen, war echt hart“, verrät Geno, und lacht: „Meine Kumpels haben dauernd versucht mich zu überreden, doch noch zu zocken – aber die Saison mit Nymburk war lang, und 2017/2018 wird mindestens genauso taff.“

Im zarten Alter von 31 Jahren weiß er genau auf seinen Körper zu hören. Eugene Lawrence, dieser im Körper eines Tight Ends gefangene Spielmacher. Den „Big Apple“ auf die rechte Schulter tätowiert, stattliche 105 Kilogramm auf den Rippen. Ein gewinnendes Lächeln, das sich in Rekordzeit ins Grinsen eines Mannes verwandelt, der genau weiß was er will. Und der sich dabei von nichts und niemandem aufhalten lässt. Er ist einer, der keine Herausforderung scheut. Einer, der dankbar ist für das, was ihm Basketball gegeben hat – und immer noch gibt. Das ist vor allem beim Blick in den Rückspiegel auf zweieinhalb Jahre bei den Baskets klar erkennbar. „In Bonn war Basketball immer mehr als nur ein Job. Mehr als nur die Arbeit auf dem Feld“, berichtet er. „Angefangen von meiner Ankunft bis hin zur Unterstützung während der unfassbar schweren letzten Saison – die familiäre Atmosphäre bei den Baskets ist ganz, ganz besonders.“

Swingin‘ through your town
like your neighborhood Spider-Man

Als Lawrence im November 2010 das erste Mal mit den Telekom Baskets in Berührung kommt, wissen beide Seiten nichts von dem, was die Zukunft noch für sie (gemeinsam) bereithält. In seinem gerade erst dritten Profijahr führt es seinen Club BK Prostejov in der Eurochallenge auf den Hardtberg. „Ich weiß noch, dass wir auf der Fahrt viel Poker gespielt haben. Ganz viel Poker.“ Aus der tschechischen Provinz geht es in einer Zwei-Tages-Tour mit dem Bus gen Rheinland. Am Telekom Dome angekommen, steigen Lawrence und Co. aus, entführen einen 81:74-Sieg und machen sich unversehens auf die Rückreise. Lawrence: „Was für ein abgefahrener Trip. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass die Stimmung im Dome hitzig war und sich Nic Wise verletzt hat.“ Er selbst legt solide zehn Punkte, drei Rebounds und zwei Assists auf, haut dafür beim 86:63-Rückspielerfolg in Prostejov mit elf Zählern, sechs „Boards“ und sieben direkten Korbvorlagen richtig einen raus.

Zur Saison 2011/2012 findet bei den Baskets nach den verpassten Bundesliga-Playoffs ein personeller Umbruch statt. Auf der Kommandobrücke nimmt Rückkehrer Jared Jordan seinen Platz ein, für Geno Lawrence geht es von Prostejov aus zum tschechischen Platzhirsch a.k.a. CEZ Nymburk. Der „Magician“ führt Bonn ins Pokalfinale und zurück in die Postseason, während „The Tank“ in seiner neuen sportlichen Heimat das Double gewinnt. Es folgt der Ruf des guten Geldes aus der Ukraine, wo Lawrence zur Spielzeit 2012/2013 in Hoverla anheuert. In dem von politischen Unruhen gebeutelten Staat bleibt nicht nur eine Friedenslösung, sondern auch die ein oder andere Gehaltszahlung aus. Und so kommen der Familienvater und die Baskets im Frühjahr 2014 doch noch zusammen, nachdem Jordan der Clubführung seinen Wunsch nach einem Wechsel ins Frankenland unterbreitet hat. „Wie könnte ich das Karnevalsspiel jemals vergessen … das ist etwas, das sich mit nichts in der Welt vergleichen und nur schwer in Worte fassen lässt“, beschreibt Lawrence seinen Einstand. Vor 6.000 Jecken im Telekom Dome wird der 1,84 Meter-Mann ins kalte rheinische Wasser geworfen – und netzt eiskalt den siegbringenden Dreier zum 80:79 über Bremerhaven ein!

And get far like a shooting star

Der Dreier gegen Bremerhaven soll für Lawrence nicht die einzige Heldentat von “Downtown” bleiben. Obwohl der Wurf von außen im Laufe der Zeit in Bonn immer seltener fällt, entsteht keinerlei Scheu davor in wichtigen Momenten die Verantwortung zu schultern – das Ergebnis: Ein vorentscheidender Dreier in München, der letztlich den 91:84-Auswärtssieg unter Dach und Fach bringt. „Insgesamt habe ich viele tolle Erinnerungen an meine Zeit in Bonn“, sagt Lawrence. „Dass wir nach meiner Ankunft kein einziges Heimspiel mehr verloren und die Hauptrunde als Fünfter beendet haben. Dass wir anschließend noch einen draufsetzen konnten und sogar als Vierter in die Playoffs gegangen sind. Dass ich viele tolle Jungs um mich herum hatte, an die ich 500 Bundesliga-Assists verteilen konnte.“ Und doch beginnt für ihn im Sommer 2016 ein neues Kapitel – jedoch auf bereits bekanntem Terrain.

Die Saison 2016/2017 führt Lawrence zurück nach Nymburk. Zurück nach Tschechien, wo er mit durchschnittlich 8,0 Punkten und 5,2 Assists seinen Teil zum erneuten Gewinn des Doubles beiträgt – und über den Sommer hinaus auch weiterhin an Bord bleibt. „Die Situation in der Liga und im internationalen Wettbewerb kommt mir entgegen, Coach Ronen Ginzburg lässt hier einen zu mir passenden Basketball spielen“, berichtet er. „Wir bekommen es regelmäßig mit guten Teams zu tun, wir drücken aufs Tempo, und abseits des Feldes weiß ich auch genau, was ich bekomme.“ Die Zeit als Profi hat ihn reifen und die Gegebenheiten genau abwägen lassen. Im zehnten Jahr nach seinem Abschluss an der St. John’s University weiß der Guard seine Fähigkeiten auf dem Parkett genau einzuschätzen und im Dienst der Mannschaft einzusetzen – lies: 9,3 PpS und 4,3 ApS für Nymburk in der tschechischen Liga. Von seinen Qualitäten als Führungsspieler ganz abgesehen. Diese werden bei der Rückkehr in den Telekom Dome besonders gefragt sein. Lawrence: „Ich werde den Jungs mit auf den Weg geben, dass wir irgendwie versuchen müssen das Publikum aus dem Spiel zu nehmen. In Bonn hast du als Gastmannschaft erst gewonnen, wenn die Schlusssirene ertönt – bis dahin kann einfach alles passieren.“

Was am 24. Oktober 2017 auf dem Hardtberg tatsächlich geschieht, davon wird Eugene Lawrence sicher auch seiner Tochter und seinem Sohn erzählen. Vielleicht nicht gleich auf der Heimfahrt, doch ganz sicher während der nächsten Offseason, wenn er mit seinen Kindern die halbe Stunde von Brownsville zum Gersh Park spaziert.








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