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So soll’s sein

Baskets-Eigengewächs Florian Koch im Portrait

Es ist so einfach und gleichzeitig verführerisch, stets vorhandenes als selbstverständlich hinzunehmen. Als gegeben. Als das, was scheinbar schon immer da war und auch nie weg sein wird. Dabei verzerrt sich oftmals der Blickwinkel und macht es schwer, den tatsächlichen Status Quo als solchen zu erkennen, zu wertschätzen und sich daran zu erinnern, dass gerade jemand wie Florian Koch schon lange kein Youngster mehr ist.

Seit über sechs Jahren im Bonner Bundesliga-Kader: Florian Koch (Foto: Sebastian Dorbrietz)

Es ist bei den Telekom Baskets Bonn eine alte Tradition, Nachwuchsspieler, die an die Bundesliga-Mannschaft herangeführt werden sollen, mit auf das offizielle Teamfoto zu nehmen. Es ist Ansporn und Wertschätzung zugleich. Als Florian Koch im Sommer 2010 im zarten Alter von 18 Lenzen zwischen Fabian Thülig und Folarin Campbell Aufstellung bezieht, ist er nicht mehr als ein Trainingspartner. Einer, der bei den großen Jungs unter Woche mit eingebunden wird, um am Wochenende mit dem Team Bonn/Rhöndorf in der Nachwuchs Basketball Bundesliga (NBBL) die Konkurrenz auseinander zu schrauben. Die Rechnung geht auf. Koch torpediert die Division Nordwest mit durchschnittlich 22,9 Punkten, 8,7 Rebounds sowie 2,6 Assists und führt die Spielgemeinschaft damit souverän in die Playoffs.

In der darauffolgenden Saison 2011/2012 – auf dem Teamfoto steht er zwischen Andrej Mangold und Daniel Hain – ist der Flügel bereit für das nächste Level, läuft primär bei Koorperationspartner Rhöndorf in der „Jungen Liga“ auf und wird vereinzelt in der Beletage für ein paar Schnupperminuten ins kalte Wasser geworfen. Dazu gehört auch, dass Koch nach einem Playoff-Spiel mit den Dragons am nächsten Morgen gemeinsam mit Mitarbeitern des Baskets-Office gen Bamberg fährt, um den Viertelfinal-Auftakt gegen die Franken hautnah mitzuerleben. Als die Bonner Reisegruppe zwei Stunden vor Tipoff in der Halle aufschlägt, herrscht eine gespenstische Ruhe. Es ist das erste Mal für Koch in jener Arena, in welcher er in den Folgejahren noch oft spielen wird. Auf dem Feld arbeiten Brose-Individualtrainer Stefan Weißenböck und Bambergs blutjunger Johannes Richter an Lowpost-Moves – aus der heutigen Sicht ein Beleg dafür, wie klein die Basketballwelt ist. Bonns Nachwuchsmann zieht sich um, macht das komplette Warmup mit, feuert anschließend die Routiniers im Baskets-Kader unentwegt an und wird Zeuge, wie Benas Veikalas mit dem Tip-In zum 75:74-Sieg die brüllend laute „Frankenhölle“ radikal schockgefriert.

Spaß beiseite, dies ist bitterer Ernst.

Den Sprung in die Gegenwart vollzogen, ist ein 24-jähriger Musterathlet Co-Captain seiner Mannschaft. Auf dem Teamfoto knien neben ihm Yorman Polas Bartolo und Yannick Kneesch, in der Rheinaue sitzt ihm Josh Mayo gegenüber. Es ist ein Event des ProBaskets e.V. und gleichzeitig soetwas wie eine inoffizielle Mannschaftsvorstellung im Kreise von Unterstützern, Partnern und Sponsoren. Koch kennt seine Rolle bei solchen Veranstaltungen und geht sie mit einer natürlichen Kombination aus Leichtigkeit und Professionalität an. Viele der geladenen Gäste sind neugierig auf das Team, sind hungrig auf die anstehende Saison. Zwar muss er nicht das Licht ausmachen, doch ist Koch trotz alledem das letzte Mitglied der komplett neuformierten Mannschaft, das die Location am Parkrestaurant verlässt. „Früh ins Bett gehen ist Teil des nächsten Trainings“, kommentiert er und schaut dabei auf die Uhr.

Gar keine Frage: Florian Koch ist das sportliche Gesicht der Telekom Baskets Bonn. So wundert es wenig, dass er bei allen erdenklichen Presseterminen eingespannt wird. Ob Fotoshooting auf einer blauen Couch, Ware abkassieren im örtlichen Drogeriemarkt, oder auch der BBL-Media Day in aller Herrgottsfrühe in einer Würzburger Parkgarage – der Vollprofi zieht solche Termin mit Leichtigkeit durch. Wer oft abgelichtet wird, und vor allem auch oft für PR-Aktionen als erster Wunschspieler genannt wird, muss sich seine Nominierung ehrlich erarbeiten. Oder in der Vergangenheit bewiesen haben, zu was er auf dem Parkett in der Lage ist.

Die WALTER Tigers Tübingen werden sich noch gut an jenen 23. Dezember 2015 erinnern, als Bonn ein 109:96 aus dem Schwabenland entführte. Auf der einen Seite stellte diese Partie den Endpunkt des dunkelsten Abschnitts der Baskets-Historie dar, auf der anderen Seite leuchtete der Stern des Florian Koch so hell auf wie nie zuvor. Dreier, Drive, Midrange Jumper, Rebounds, Hustle in der Defense – das volle Programm. Am Ende schreitet der Swingman mit einer Ausbeute von 20 Zählern, acht Rebounds und vier Steals vom Feld, während Tübingen nicht mehr als ein gelber Anschreibebogen bleibt.

Es ist zugegebenermaßen nicht viel Positives aus der Saison 2015/2016 im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben. Die grundsoliden 7,0 Punkte und 2,7 Rebounds in fast 17 Minuten pro Spiel von Florian Koch gehören definitiv dazu. Seine Trefferquote aus der Distanz (40,9 Prozent) schraubt er auf einen neuen Karrierebestwert empor. Die Qualität des Baskets-Forwards spricht sich in der Bundesliga zwar schnell rum, doch effektiv wegnehmen kann ihm diese Waffe niemand – über 40 Prozent seiner Würfe schickt Koch von „Downtown“ auf die Reise.

Du fragst: Wie geht denn das?
Ganz einfach, Mann.

Dieser statistische Ausbruch nach oben ist beileibe kein Zufall. Er ist das Ergebnis jahrelanger, kontinuierlicher Arbeit. Eines strikten Regiments, dem sich alles anzupassen, teils gar zu unterwerfen hat. Es sind Riten und Routinen, die konsequent eingehalten werden und dadurch die Korsettstangen der eigenen Leistungsfähigkeit bilden. Auch deswegen ist Florian Koch im Sommer regelmäßig im Kraftraum des Telekom Dome zu finden. „Da schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe“, berichtet der gelernte Industriekaufmann. „Einerseits ist das mein Ruheraum, in dem ich mental abschalten und runterkommen kann. Aber es ist auch eine Möglichkeit, den Körper auf Vordermann zu bringen und intensiver mit Gewichten zu trainieren, als das unter der Saison möglich ist.“

In der Offseason 2016 kommen zwei entscheidende Faktoren hinzu: Ein Trainingscamp in Bamberg mit Stefan Weißenböck, bei dem „viele neue Reize gesetzt worden sind, für die ich sehr dankbar bin und die ich mit nach Hause genommen habe.“ Aber auch ein stets auf seine Schützlinge achtender Baskets-Physiotherapeut Bogdan Suciu, der Stunden um Stunden mit seinem Schützling an den Gewichten und TRX-Bändern verbringt. Koch: „Es war nie mein expliziter Plan, diesen Sommer noch breiter oder kräftiger zu werden, da mein Körper an sich keine Schwachstelle darstellt. Dass sich das Mehr an Krafttraining so ergeben hat, wird mir in Zukunft aber sicher helfen.“

Die von Koch beschriebenen Reize setzte er seinerseits abseits des Feldes, als die neuen Spieler in der Bundestadt eintrudeln. Er ist jetzt der Veteran, der Bonn erklären, die Baskets und die Bundesliga erklärt. Ulms Per Günther beschrieb diesen Umstand, jedes Jahr einer Schar von Spielern die immer wieder gleichen Sätze aufzutischen als „ermüdend, weil du in gewisser Weise immer bei null anfängst.“ Florian Koch hingegen sieht es als seine Pflicht an, wichtige Informationen weiterzugeben. „Als derjenige, der den Verein sehr gut kennt, bist du automatisch in dieser Rolle“, so der ehemalige A2-Nationalspieler. „Und sicherlich wiederholt sich auch der ein oder andere Satz, der den eigenen Mund verlässt. Doch es ist wichtig, dass alle ein gutes Gefühl für die hiesige Situation bekommen und verstehen, dass in Bonn von einem erwartet wird, für den Loose Ball auch mal über die Bande zu gehen.“

Denn sie wissen nicht was sie tun,
wie James Dean.

Das gesprochen Wort ist eine Sache, die aktive Handlung auf dem Feld eine andere. Es gibt in der Bundesliga nur wenige Spieler des Jahrgangs 1992, die so lange dabei sind wie Florian Koch. Die so viel gesehen haben wie er. Die für ihre Heimat an den Start gehen. Die mit dem Selbstverständnis ins Auftakttraining der Vorbereitung gehen, den ersten Wurf zu nehmen und zu treffen.

„Ich erwarte von mir und den Jungs immer vollen Fokus und dass wir mit viel Energie spielen“, so Koch. „Die letzte Saison hat mich dahingehend sehr geprägt. Jetzt gehen viel schneller die Alarmglocken an, weswegen ich auch oft was sage, sobald jemand Gas rausnimmt. Aber es ist eine feine Linie zwischen Motivation der Mitspieler und überzogener Paranoia.“ Letzteres muss nicht sein, und bislang hat Koch den emotionalen Spagat stets geschafft. Damit ist er Ansporn für heranwachsende Youngster, ihm nacheifernde Jugendspieler und gleichzeitig personifizierte Wertschätzung des Bonner Nachwuchs-Programms. So soll’s sein.



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