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„Von beiden Seiten volle Pulle“

Interview mit Baskets-Headcoach Silvano Poropat | Teil 2

Der Blick richtet sich nach vorn. Im zweiten Part des Interviews mit Silvano Poropat berichtet der Cheftrainer von Bonner Eigenheiten, Bruno Socé sowie zu erfüllende Erwartungen. Er gibt zudem einen Ausblick darauf, wie wichtig die Fans in der abgelaufenen Saison waren und auch zukünftig sein werden.

Ist ein Freund klarer Strukturen: Silvano Poropat

Gibt es eine Eigenschaft, eine Eigenheit, die Bonn aus Ihrer Sicht von anderen Bundesliga-Standorten unterscheidet?

Silvano Poropat: „Ja. Es gibt eine Sache, die hier vorhanden, aber nur schwer zu beschreiben ist. Ich habe den Eindruck – ohne mit anderen Clubs vergleichen oder etwas werten zu wollen –, dass in Bonn die menschliche, die emotionale Komponente sehr zu spüren ist. Wie die Leute miteinander umgehen. Es ist sieht so aus, als sei dies stark im Vordergrund. Der Fokus auf Basketball und das sportliche Abschneiden sind wichtig, sind gegenwärtig. Aber diese menschliche Kontaktfreude, die Offenheit der Leute ist stark entwickelt.
Und du spürst in Bonn die Erfolgsjahre, die den Club während der letzten zwei Jahrzehnte geprägt haben. Du spürst diesen Anspruch, den die Fans an den Verein haben. Du spürst, dass die Leute Erfolg gewöhnt waren. Das ist sehr interessant, vor allem in Zusammenhang mit der Entwicklung der gesamten Liga und der Orientierung nach einer neuen, eigenen Philosophie. Es wird interessant sein zu sehen, wie wir alle damit umgehen und den Erfolgshunger gestillt bekommen. Mit dieser Frage müssen sich letztlich alle auseinandersetzen. Denn wir sind ehrgeizig, wir wollen gewinnen – das ist wichtig.“

Inwiefern ist es für den jetzt Bonner Trainer Silvano Poropat ein Vorteil oder Nachteil, einst der Schützling von Bruno Socé gewesen zu sein?

„Es ist für mich deswegen auf jeden Fall kein zusätzlicher Druck da. Bruno ist in Bonn eine Legende, in Ludwigsburg haben wir nicht ganz eine Saison zusammengearbeitet. Ich bin stolz, und auch dankbar, jetzt in dem Verein tätig zu sein, den Bruno entscheidend geprägt hat. Tatsächlich kam mir noch nie der Gedanke, ob damit irgendwelche Erwartungen an mich geknüpft sind. Ich konnte bei ihm viele tolle Einblicke gewinnen, habe aber auch meinen eigenen Lebenslauf, der mich zu dem Trainer gemacht hat, der ich heute bin.
Mein Ziel war immer, mit meinem Club nach vorn zu gehen. Ich will europäisch spielen, ich will auf die Playoffs hinarbeiten. Und auch wenn es nach der vergangenen Saison, zum jetzigen Zeitpunkt, etwas komisch klingen mag: Ich will irgendwann auch um die Meisterschaft spielen. Das allein sollte Druck und Anspruch genug sein. Es gibt keinen Mensch auf dieser Erde, der mir mehr Druck machen kann, als ich mir selbst auferlege. Den Ehrgeiz, den jemand hat, kann er nur aus sich selbst heraus entwickeln und diesem gerecht werden.
Um konkret auf die Frage zu kommen: Jeder Mensch geht seinen Weg, auf dem er immer wieder mit anderen Leuten in Berührung kommt, ein Stück gemeinsam geht, durch sie und mit ihnen Erfahrungen sammelt. Dadurch entstehen Verbindungen, die nie wieder weggehen – und das ist schön.“

Die Baskets stehen vor einem Umbruch. Inwiefern ist Bonn auch für Sie als Trainer nach Ihrer Pause ein Neuanfang?

„Das lässt sich jetzt nur schwer sagen, sondern wird erst die Zeit zeigen. Aber ich mache hier neue Erfahrungen, die mir die Möglichkeit geben, die Dinge mit Abstand zu betrachten und daraus zu lernen. Das ganze Leben ist so, dass wir uns selbst oft viel zu wichtig nehmen, anstatt den Blick darauf zu schärfen, was wirklich ist. Das war für mich die große emotionale Herausforderung in den ersten Wochen zu Jahresbeginn.
Du beginnst in Ludwigsburg als jüngster Headcoach der Bundesliga, musst dich allen beweisen und gehst dreimal in die Playoffs, kommst sogar bis ins Halbfinale, stehst im Pokalendspiel. Du nimmst das alles ausschließlich sportlich, menschlich-emotional war da wenig. Beim MBC ist von Beginn an klar, dass es ausschließlich um den Aufstieg geht, ohne Wenn und Aber. Da marschierst du einfach durch, und im Nachgang geht es immer nur darum in der Liga zu bleiben. Irgendwann bleibst du dabei menschlich auf der Strecke, die stetige Belastung kommt zu dir zurück. Dadurch sind unheimlich viele Emotionen entstanden haben, die mich zu dem für mich wichtigen Schritt bewegt haben.
Die kommende Saison wird mir sicherlich ganz viel für die Zukunft geben. Denn sportlich war die Ausgangslage hier in Bonn ursprünglich sehr angespannt, als ich die Mannschaft übernommen habe – das war fast eine Wiederholung der Situation beim MBC. Für mich ist wichtig, bei den Baskets mit Optimismus, einer klaren Philosophie, einer spürbaren Linie zu arbeiten, die den gesamten Club nach vorn bringt.“

Thema: Zukunft. Wie lassen sich Variabilität im Kader mit der individuellen Erfüllung einer klar definierten Rolle überein bringen?

„Ich definiere die Rolle eines Spielers über dessen Stärken. Wenn jemand über einen guten Wurf verfügt, leitet sich seine Rolle automatisch daraus ab. Einerseits muss derjenige lernen, sich auf dem Feld in die Position zu bringen, wo er diese Qualität einsetzen kann, andererseits gilt es für uns, das taktische Gerüst entsprechend danach auszurichten – dadurch entsteht für mich der erste Bezug zur Rolle. Seine Qualitäten einzubringen, bezieht sich nicht nur auf Verteidigung und Angriff, sondern auch auf den Charakter des Spielers. Die Aufgabe ist immer, die individuellen Stärken der Spieler so zur Geltung zu bringen, dass damit die Schwächen anderer aufgefangen werden.
Ich bin überzeugt, dass Erwartungshaltungen grundsätzlich schwierig sind. Wenn ich meine Aufgabe erledige, meine Rolle lebe, dann werden eventuelle Erwartungen automatisch erfüllt – der Denkansatz ist also ein anderer. Florian Koch ist ein gutes Beispiel, da er aus Bonn kommt und viele Leute deswegen besonders genau darauf schauen, was er macht. Kein anderer Spieler dieser Mannschaft wird von Freunden, der Familie, ehemaligen Teamkameraden, von Jugendspielern so sehr beäugt. Für ihn ist die Erfüllung einer Rolle umso wichtiger, weil bei ihm so viel mehr mit seiner Person verbunden ist. Es gibt ligaweit nur wenige Fälle wie ihn, wo eine ganze Stadt eine gewisse Erwartungshaltung auf einen Spieler projiziert. Unsere Aufgabe ist es, seine tollen Grundvoraussetzungen zu nehmen und daraus zwei, drei Dinge zu festigen, die ihn als Spieler klar definieren.“

Abschlussfrage: Wie nehmen Sie die Stimmung im Telekom Dome wahr, da Sie die Fans auf dem Hardtberg nun im Rücken anstatt gegen sich haben?

„Ich bin mir sicher, dass die Atmosphäre besser und heißer wird, wenn die Mannschaft andere Ergebnisse abliefert. Dennoch habe ich immer das Gefühl gehabt, dass die Leute bereit waren, das Team zu unterstützen – das hat niemand im Verein als selbstverständlich hingenommen. Die Fans sind ein unheimlich wichtiger Teil des großen Ganzen, das wird auch kommendes Jahr zu sein. Unsere Aufgabe als Mannschaft ist es, mit Einsatz und den richtigen Ergebnissen dafür zu sorgen, dass diese Unterstützung wieder mit Spaß gelebt wird. Wenn beide Seiten volle Pulle gehen, kann hier viel bewegt werden.“

 

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