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"Das Ziel müssen immer die Playoffs sein"

NBBL-Trainer Christian Mehrens im Interview

Christian Mehrens hat im Basketball beinahe alles gesehen: Basketballprofi in der ersten und zweiten Bundesliga, Trainer im Damen- und Herrenbereich und nun auch Coach in der Nachwuchs Basketball Bundesliga (NBBL). Nach seiner ersten Saison an der Seite des Team Bonn/Rhöndorf in der NBBL spricht Mehrens im Interview über seine Trainerphilosophie, die Entwicklung seiner Mannschaft und wagt einen Ausblick auf die kommende Saison

Feierte mit den Köln 99ers 2002 die Vizemeisterschaft, war mehrfacher ALLSTAR und 1996 der beste Shotblocker der Basketball Bundesliga: Christian Mehrens (Foto: Jörn Wolter)

Ihr habt den Klassenerhalt durch die Relegation geschafft. Wie bewertest du die vergangene Saison?

Christian Mehrens: Für mich war die Saison sehr erfolgreich. Man muss sich anschauen, wo wir begonnen haben. Letzte Saison sind wir als Mannschaft abgestiegen und mussten uns dann durch die Qualifikation quälen. Auch wenn wir damals die Spiele zum Teil deutlich gewonnen haben, lastete sehr hoher Druck auf uns. Dann haben wir diese Saison gut angefangen, sind im Herbst in ein Loch gefallen, aber wir haben uns spielerisch weiterentwickelt und nur knapp die Playoffs verpasst. Wir haben es geschafft, eine funktionierende Mannschaft auf die Beine zu stellen. Jetzt kann ich sagen, dass zwei, drei meiner Spieler durchaus auch in der Regionalliga bestehen können. Das war vor der Saison nicht zu erwarten.

Wer dich im Training und im Spiel beobachtet hat merkt, dass du einen guten Draht zu deinen Spielern hast. Ist es dir wichtig, die Jungs auch abseits des Feldes besser kennenzulernen?

Ja, gerade in ihrem Alter ist es für mich wichtig zu wissen, was bei ihnen zuhause passiert. Wir haben Spieler aus den unterschiedlichsten familiären Verhältnissen im Team – egal ob reich, arm, intakte Familien oder Scheidungskinder. Die gehen natürlich alle ganz anders mit Problemen um, daher muss ich auch jedem Spieler anders begegnen. Umgekehrt wissen sie auch, dass sie jederzeit mit mir reden können – das haben auch viele angenommen. Meine persönliche Geschichte hat dabei natürlich auch eine Rolle gespielt. Ich bin selbst Scheidungskind, bin unter verschiedensten Bedingungen aufgewachsen und kann deshalb auch vieles nachempfinden, was die Jungs durchleben.

Hast du auch Rückmeldungen von deinen Spielern bekommen, wie sie die Saison mit dir erlebt haben?

Nach dem letzten Spiel habe ich Jonas Spychalski gefragt, ob ihm die Saison gefallen hat, da es ja auch sein letztes Spiel in der NBBL war. Er strahlte und sagte mir, dass es ihm richtig viel Spaß gemacht und er viel gelernt habe. Das ist das Ziel. Natürlich geht es auch um Ergebnisse, keine Frage, das habe ich auch versucht, den Jungs klar zu machen. Aber es geht auch darum, dass sie Spaß am Basketball haben und lernen, worum es in diesem Sport geht.

In welchen Bereichen habt ihr euch am meisten entwickelt?

Im Spielverständnis. Wir haben gelernt, dass wir ein Spiel nur zusammen gewinnen können, und dass wir höhere Trefferquoten erzielen, wenn wir den extra Pass auf den besser postierten Mann spielen. Unsere besten Spiele waren die, in denen wir viele Assists verteilt haben. Es dauert leider immer etwas, bis alle Zahnräder ineinandergreifen. Aber gerade zum Ende der Saison haben wir unseren besten Basketball gespielt und einige knappe, wichtige Spiele gewonnen.

Was hast du persönlich in dieser Saison gelernt?

Ich nehme aus dieser Saison einiges mit. Ich hätte beispielsweise früher klarmachen müssen, worum es hier geht. Ich hatte die Hoffnung, dass sich das von selbst erklärt. Gerade bei den Spielern des jüngeren Jahrgangs, die vielleicht weniger Spielzeit bekamen als sie sich erhofft hatten. Das hat bei manch einem auch zwischendurch zu Unzufriedenheit geführt, was ich auch nachvollziehen kann.

War es für dich deshalb schwer, den Spagat zwischen weichen Zielen wie Spielerentwicklung und harten Zielen wie Tabellenplatzierungen zu vollziehen?

Der Teamgedanke stand im Vordergrund, ihm musste sich jeder unterordnen – egal, ob es ein Alex Möller oder ein Nainoa Schmitt gewesen ist. Das hatte ich anfangs nicht so klar wie nötig gemacht. Ich hatte die Hoffnung, dass sich die Team-Hierarchie selbstständig in der Mannschaft etabliert – nur dann kann sie funktionieren. Wenn ich sie von außen aufzwingen muss, wird am Ende jemand unzufrieden mit seiner Rolle sein und wird deshalb sein Potential nicht abrufen können. Damit hatten wir anfangs Probleme. Es war ein Prozess, der sich dann aber zum Positiven entwickelt hat. Wenn wir als Team agiert haben, waren wir nur sehr schwer zu schlagen. Das hat mir dann richtig Spaß gemacht und war auch toll mitanzusehen.


 

 

Der scheidende 98er-Jahrgang: (hintere Reihe v.l.n.r.) Christian Mehrens (HC), Alex Möller, Anton Geretzki, Sebastian Staab, Igor Uzelac, Alex Sauer (AC), (vordere Reihe v.l.n.r.) Lars-Lucas Karp, Jonas Spychalski (Foto: Baskets)


Ihr verliert nun euren starken 1998er-Jahrgang, wie ärgerlich ist das für einen Coach?

Ärgerlich ist das nicht. Im Gegenteil: Ich rolle ihnen den roten Teppich aus und sage: Geht und spielt Basketball! Und wenn euch jemand fragt, wo ihr es gelernt habt, dann sagt: bei den Telekom Baskets Bonn – bei Olaf Stolz und Christian Mehrens! Klar, jetzt wird uns ein wichtiger Teil unseres Kaders verlassen, aber der Teil der bleibt weiß nun, worum es in der NBBL geht. Das macht es einfacher, die neu zu integrierenden Spieler an die Mannschaft heranzuführen. Vor einem Jahr wusste keiner meiner Spieler, was ich von ihnen wollte und sie hatten große Augen, wenn der große böse Mann mal wieder rumgeschrien hat. Jetzt ist es so, dass ich fünf, sechs Spieler in meinem Team haben werde, die bereits wissen, was ich will, und die mit ihrer Erfahrung vorangehen können. 

Trotzdem wird euch ein wichtiger Teil eurer Mannschaft fehlen….

Mit meinen sechs 98er-Jahrgängen werden uns nächste Saison über 50 Punkte fehlen, die wir ersetzen müssen. Das sind gut dreiviertel unserer pro Spiel erzielten Punkte. Da wird natürlich viel Potential fehlen. Aber auch bei Max Fouhy und Daniel Lindner, die beide Jahrgang 2000 sind, wissen wir nicht, wie sich ihr Werdegang entwickelt. Max macht jetzt sein Abitur, Daniel hat in Finnland Basketballspielen gelernt und nun das Angebot erhalten, dort in einem Sportinternat leben zu können. Es kann also passieren, dass uns gleich acht Rotationsspieler fehlen werden.

Wirst du deshalb euren Spielstil zukünftig anpassen müssen?

In der vergangenen Spielzeit haben wir die Offensive in den Vordergrund gestellt. Ich wollte dadurch den Spaß am Spiel zurückbringen. Der Fokus in der nächsten Saison wird auf der Verteidigung liegen, weil wir einfach nicht mehr so viel Potential im Angriff haben werden. Das müssen wir erst langsam entwickeln. Hauptsächlich wird es darum gehen, Grundlagen zu vermitteln, egal ob in der Defense oder in der Offense.

Wir haben viel über die Umstrukturierung des Kaders gesprochen. Musst du deshalb in der nächsten Spielzeit dein Saisonziel Playoffs anpassen?

Das Ziel muss immer sein, die Playoffs zu erreichen, egal wie gut der Kader ist. Dass die Chance geringer sein wird als in der vergangenen Saison, das ist klar. Aber wenn ich nicht dieses Ziel formuliere, wofür arbeiten wir dann? Für jeden Sportler muss es das Ziel sein, die Playoffs zu erreichen. Meine Spieler müssen von Anfang an wissen, um was es hier geht. Am Ende des Tages steht der Klassenerhalt und der schnellste Weg dahin führt nun einmal über die Playoffs. Aber ich kann nicht vor der Saison vom Ziel Klassenerhalt sprechen, damit würden wird kein Spiel gewinnen. 

Wirst du auch in der nächste Saison an der Seitenlinie des Team Bonn/Rhöndorf stehen?

Ich hoffe, dass ich weiterhin der Trainer sein werde, aber entschieden ist es noch nicht. Auch die Zusammenarbeit mit meinem Co-Trainer Alex Sauer hat prima funktioniert, wir haben uns gut ergänzt. Im Training hat er oft das Gespräch mit den Spielern gesucht, wenn ich wieder zu ungeduldig gewesen bin. „Good cop – bad cop“, „Zuckerbrot und Peitsche“ – so hätte man unsere Aufgabenverteilung beschreiben können. Er hat mir oft den Rücken freigehalten, dafür bin ich ihm dankbar. 


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