Bonn, die Baskets und der Kampf um die Halle

General-Anzeiger vom 21.01.03

Von Bernd Leyendecker Dieses Szenario kann schon im Sommer eintreten: Die Vorzeige-Basketballer werden Deutscher Meister - und dürfen nicht in der Europaliga spielen - In den nächsten Monaten wollen Politiker und Verein die Chancen für eine neue Spielstätte ausloten

Bonn. "Kämpfen Baskets, kämpfen!" Wie aus einem Mund brüllen sich mehr als 3 000 Fans in der engen Hardtberghalle die Seele aus dem Hals, feuern Branko, Terrence & Co. an, wenn's eng wird im Spiel, wenn der erhoffte Sieg in Gefahr gerät. Meistens hilft es. Kämpfen ist auch außerhalb des Courts angesagt. Denn die "Bürgerbewegung" Baskets mit den besten Fans der Liga und einer Hundertschaft ehrenamtlicher Mitarbeiter engagiert sich seit mehr als drei Jahren für eine neue, größere Halle. "Ein äußerst komplexes Thema - gleich einem Labyrinth", sagt Club-Präsident Wolfgang Wiedlich. Dennoch lässt er sich nicht entmutigen. In zwei Jahren könne die Halle stehen - "wenn alle mitziehen". Zunächst müsse aber die Standortfrage - und damit die Finanzierung - geklärt werden. Der Stadtrat mit OB Bärbel Dieckmann an der Spitze will, so hat es derzeit den Anschein, mit den Baskets jetzt an einem Strang ziehen. Weil in anderen Städten längst größere Hallen gebaut wurden, gehört die Schulsporthalle auf dem Hardtberg mit ihren 3 500 Plätzen (Auslastung pro Heimspiel: 97,2 Prozent) inzwischen zu den kleinsten in der Bundesliga; 1997 und '98 waren die Baskets "Vize-Meister" in puncto Zuschauerzahl pro Saison. Um wirtschaftlich und sportlich konkurrenzfähig zu bleiben, führe an einem Neubau kein Weg vorbei, versichern die Baskets, denen die Zeit davon läuft. So ist die Hardtberghalle für die Europaliga, die der Club fest im Visier hat, nicht zugelassen. Bereits im nächsten Sommer könnte die Stadt Bonn vor einem Offenbarungseid stehen: Würden die Telekom Baskets tatsächlich Meister, dürften sie nicht Europaliga spielen. "Wir müssen der Bonner Basketball-Begeisterung eine eigene Heimstätte geben" Rückblick. Am 20. April 1999 bekräftigte Bärbel Dieckmann ihre Absicht, sich für den Bau einer vielseitig nutzbaren Halle für Sport-, Kultur- und Kongressveranstaltungen mit einer Kapazität von etwa 6 000 Zuschauern "innerhalb der nächsten fünf Jahre" (also 2004) einzusetzen: Die Idee einer "Bonn-Arena" war geboren. Doch die OB räumte ein: "Ich habe noch niemanden getroffen, der mir gesagt hätte, wie so eine Halle kostendeckend oder gar mit Gewinn arbeitet." Was mit "so einer Halle" gemeint war, blieb unklar, denn es gibt zahlreiche Modelle, wie derartige Projekte genutzt und finanziert werden können. Gleichwohl brachte die OB das Problem auf den Punkt. Denn die Stadt ist nicht bereit, ein derart unkalkulierbares finanzielles Risiko einzugehen. Das muss sie bereits bei einem anderen Projekt - dem Internationalen Kongresszentrum Bundeshaus Bonn (IKBB). Trotz Unterstützung von Bund und Land bleibt die Stadt langfristig auf den Betriebskosten für dieses Mega-Unternehmen hängen. Pläne, im Rahmen des IKBB-Neubaus auch eine Multifunktionshalle zu errichten, sind zwar noch nicht gänzlich vom Tisch, stoßen aber bei Politikern aus Kostengründen inzwischen auf äußerste Skepsis. In der Diskussion über eine neue Halle muss zwischen zwei Typen unterschieden werden: - Multifunktionshalle: Sie würde - da Stadt und/oder Baskets als Bauherr quasi ausscheiden - voraussichtlich von einem privaten Investor gebaut, betrieben und an den jeweiligen Nutzer vermietet. - Dieses Modell käme die Baskets teuer zu stehen: Die Hallenmiete, die aufgrund der hohen Bau- und Betreiberkosten erfahrungsgemäß happig ist (gestern Messe, heute Udo Jürgens, morgen Basketball), würde die Mehreinnahmen auffressen. - Vor allem würde eine solche Halle kein Problem der expandierenden Baskets-Aktivitäten im Bereich Kinder- und Jugendmannschaften lösen. Der Club hätte keine Gastronomie-Rechte, müsste zudem den Fanartikel-Shop mieten und jede Trainingsstunde zahlen. Kurzfristige Spielverlegungen aus TV-Gründen wären kaum möglich. - Zudem sind die Erfahrungen von Mietern derartiger Hallen zwiespältig. "Hallen, die sich für alles eignen, eignen sich letztlich für nichts richtig; man muss immer Kompromisse schließen", sagen Experten. - Monostrukturelle Sporthalle: Sie wäre weitgehend nur für eine Sportart geeignet und ist hinsichtlich der Bau- und Betreiberkosten die günstigste Variante. Wiedlich: "Eine derartige reine Basketshalle kostet bei streng funktionaler Bauweise rund acht Millionen Euro." Zum Vergleich: Die Kosten für eine Multifunktionshalle liegen zwischen 15 und 25 Millionen Euro. Die Baskets strebten daher von Anfang an eine Monostrukturhalle an, die sie in Eigenregie bauen und betreiben möchten. Vordergründig erscheint Wiedlich die Standortfrage: "Es geht vor allem um eine seriöse Hallenfinanzierung." Faustregel: Je größer ein Grundstück, desto eher lässt sich ein Baukomplex denken, in dem die Halle einer von vielen Baukörpern ist und so teilweise quersubventioniert werden kann. Dieses Modell ließe sich nach derzeitigem Stand bei zwei Grundstücken verwirklichen, die sich nach Ansicht von Bärbel Dieckmann "grundsätzlich für ein Hallenprojekt eignen": Das ehemalige BGS-Gelände auf dem Hardtberg (66 000 Quadratmeter) und die städtischen Sportplätze "An der Josefshöhe" (24 000 Quadratmeter). Nachdem Landesbau- und Sportminister Michael Vesper den Plan des Hardtberger Bezirksvorstehers Gerhard Lorth abgelehnt hat, den Baskets das BGS-Gelände aus Überschüssen der "Entwicklungsmaßnahme Hardtberg" zur Verfügung zu stellen, verfolgt Lorth jetzt ein anderes Modell. Das Grundstück zwischen Autobahn A 565 und Konrad-Adenauer-Damm soll von der Stadt ausgeschrieben und der Investor verpflichtet werden, nach den Plänen der Baskets dort auch eine Halle zu bauen, die er langfristig zu günstigen Konditionen an den Club vermietet - oder verkauft. Auf dem verbleibenden, größeren Grundstücksteil könnte der Investor Büros oder Geschäfte - auch für Großhandelsketten - bauen. Dieses Modell, ist Lorth sicher, sei für die Baskets am günstigsten, weil der Investor Synergieeffekte für verschiedene Nutzungen der Neubauten verwirklichen könnte. Der CDU-Politiker: "Drei Bewerber stehen bereits zur Verfügung und ich bin sicher, dass innerhalb von zwei Monaten zehn Interessenten auf der Matte ständen." Er sieht einen weiteren Vorteil: Mit der angrenzenden ehemaligen BGS-Sporthalle und der jetzigen Hardtberghalle ständen den Baskets oder für große Sport-Turniere auf engem Raum drei Hallen zur Verfügung. CDU und SPD haben einen weiteren Standort wieder in Erinnerung gerufen, den die Baskets ursprünglich favorisiert haben und für den sie mit dem Bonner Architekten Jan van Dorp bereits konkrete Pläne erarbeitet haben - den Sportpark Nord an der Kölnstraße. In Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Sportverein SSF sollte ein Teil der maroden Sportanlagen neben dem Fußball-Stadion abgerissen, die verbliebenen Bauten saniert und durch eine Halle ergänzt werden. Dieser Plan scheiterte, weil die SSF zwar mieten, aber nicht investieren wollten. Dass der Verein eine neue Halle benötigt, untermauert Wiedlich mit Beispielen: - "Wir brauchen eine 5 000er Halle, um europäisch eine Perspektive zu haben, denn diese Größe ist dort ein Zulassungskriterium. - Wir müssen unsere auf 16 Hallen verstreuten 40 Kinder- und Jugendteams endlich bündeln. - Wir müssen bei Heimspielen flexibel auf TV-Wünsche reagieren können. - Wir müssen unserem Bundesliga-Team optimale Trainingsmöglichkeiten bieten. - Wir müssen als einer der sieben größten Basketballvereine Deutschlands im Jugendbereich Höchstleistungsförderung betreiben können, was im engen Rahmen städtischer Hallenstunden unmöglich ist. - Wir müssen der Bonner Basketball-Begeisterung eine eigene Heimstätte geben." Er hofft, das "jetzt endlich Bewegung in die Sache kommt und die Stadt die bundes- und inzwischen europaweite Popularität der Baskets auch als Chance für sich selbst begreift". Und er erinnert daran, dass in Städten wie Trier, Bamberg oder Braunschweig Hallenprojekte zügig umgesetzt wurden - mit immenser Unterstützung der jeweiligen Kommunen. Die Chance will die Stadt jetzt wohl ergreifen. Bärbel Dieckmann strebt einen "breiten politischen Konsens" über das weitere Verfahren an. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit dem Club in den nächsten Monaten die Realisierungschancen für das Hallenprojekt auszuloten. Baubeginn 2004? Vielleicht. Jedenfalls hätte die OB dann mit ihrer Prognose vom April '99 richtig gelegen. Also: "Kämpfen Baskets, kämpfen!"