Da draußen
Kenne deinen Feind: Luis Figge
In Braunschweig haben sie während des Sommers 2016 einen großen Umbruch durchlebt. Teil der Umstrukturierung war die Besinnung auf etwas, das den Standort über all die Jahre ohnehin auszeichnete, bis dahin aber meist nur in der zweiten Liga gelegt wurde. Jetzt ist Juniorennationalspieler Luis Figge einer von mehreren Youngstern, die sich im deutschen Basketball-Oberhaus freischwimmen, beweisen und weiterentwickeln sollen.
Die prominentesten Gesichter der jüngeren Basketball-Historie mit Braunschweiger Hintergrund sind Daniel Theis (Jahrgang 1992, Bamberg) und Dennis Schröder (1996, Atlanta Hawks). Das Duo führte seinerzeit eine ganze Generation von niedersächsischen Hoffnungsträgern bis ins NBBL TOP4 2011 und bewiesen, dass arbeitswillige Jungspunde mit etwas Anlauf in der U19-Bundesliga als auch der „Jungen Liga“ den Sprung nach ganz oben schaffen können. Das Duo steht allerdings nicht alleine dar. Schon in den frühen 2000ern machten es sich die Löwenstädter zur Aufgabe, Trainerfuchs Liviu Calin eine ganze Schar an Talenten anzuvertrauen, die sich beinahe aus dem gesamten Bundesgebiet rekrutierten.
Nach dem Abgang von Cheftrainer Raoul Korner, den es im Sommer nach Bayreuth zog, suchten die Verantwortlichen nach einem Nachfolger, der mit schmalem Budget ein Konzept und einen Kader aufbaut – beides möglichst nachhaltig. Gefunden wurde mit Frank Menz, seines Zeichens ehemalige A-Nationalmannschaftstrainer und ausgewiesener Fachmann im Juniorenbereich. So war es wenig verwunderlich, dass der neue Mann auf der taktischen Kommandobrücke über die Stadtgrenzen hinaus schaute, um junge Deutsche zu rekrutieren, die nach einer Plattform schauten, auf der sie gleichermaßen gefordert und gefördert werden. Einer, der genau zuhörte und Menz‘ Ruf folgte, war Luis Figge.
Wir ändern den Kurs nicht,
denn wir sind immer noch durstig
Beim Versuch, den variablen Flügel spielerisch und von seiner Einstellung her richtig einordnen zu können, reicht ein Blick auf die Station, an welcher er seine basketballerische Grundschule durchlaufen hat. Im ostwestfälischen Paderborn kommt Figge im zarten Alter von gerade einmal 14 Lenzen zu dem Vergnügen, um die Deutsche Meisterschaft in der Jugend Basketball Bundesliga (JBBL) mitspielen zu dürfen. Als Jahrgangsjüngerer nimmt er im Konstrukt der Baskets zwar keine riesige, aber dennoch eine nicht zu unterschätzende Rolle ein. Im Finale um die Deutsche U16.Meisterschaft treffen Figge und Co. auf den großen FC Bayern München. Doch der Außenseiter beweist, dass Paderborner Basketball von Unnachgiebigkeit, Herzblut und Kampfgeist lebt. Schlussendlich werden die Bajuwaren mit 88:75 in die Knie gezwungen, der Titel wandert in die Domstadt.
In der darauffolgenden Saison 2012/2013 ist Figge eine größere Rolle im JBBL.Kader sicher. Mit durchschnittlich 15,2 Punkten, 6,1 Rebounds, 3,2 Assists und 1,8 Steals pro Partie gibt er der Mannschaft alles, was das Boxscore aufnehmen kann – und ist darüber hinaus der mit Abstand bissigste Verteidiger entlang des Perimeters. Und doch steht er im Schatten eines Hochgelobten: Niklas Kiel. Der Power Forward mit den Bewegungsabläufen eines Guards und dem weichen Handgelenk ist die bestimmende Figur der gesamten Liga (26,7 PpS, 18,8 RpS), weswegen die öffentliche Wahrnehmung Figge kaum tangiert.
Allerdings braucht er das Rampenlicht auch gar nicht, sondern bleibt sich und seiner ehrlichen Arbeitseinstellung treu. In seiner letzten Saison an der Pader – Kiel ist in der Zwischenzeit bereits nach Frankfurt gewechselt – ist Figge zum vollwertigen ProA-Spieler gereift, steht fast 24 Minuten auf dem Parkett und legt solide 8,1 Punkte und 2,0 Assists auf. Der Jugendbereich ist zu diesem Zeitpunkt schon lange kein Thema mehr, was in den zwei Partien deutlich wird, in denen er doch noch auf NBBL-Level aufläuft. Er torpediert die Konkurrenz mit 25 Punkten, 13,5 Rebounds, 6,0 Assists und 2,0 Ballgewinnen. Deutlicher können die Zeichen nicht sein: Der Junge ist reif genug, um den nächsten Schritt zu gehen.
Wir ham einiges in Planung,
darauf kannst du Gift nehmen
Dieser Schritt führt ihn nach Braunschweig, wo er einen Dreijahresvertrag unterschreibt. Damit steht schon jetzt fest, dass der 1,97 Meter-Athlet die nötige Zeit zugesprochen bekommt, um sich langsam auf die neuen Herausforderungen einzulassen und an ihnen zu wachsen. „Er ist ein hochinteressanter Spieler, weil er von sich aus viele Dinge mitbringt, die du im Training nicht erlernen kannst“, bekräftigt Löwen-Headcoach Frank Menz. „Er hat eine ungemein positive Einstellung und trainiert immer sehr intensiv – ungeachtet der Situation. Es gibt in seinem Jahrgang vielleicht Jungs mit mehr Talent, aber Luis verfügt über ein immenses Selbstvertrauen und hat keine Angst, sich mit gestandenen BBL-Akteuren oder an einer ihm gestellten Aufgabe zu messen.“
Figge stellt aktuell die Speerspitze der Jungspunde dar, die momentan in Braunschweig an die Beletage herangeführt werden sollen. Aus Würzburg konnte mit Constantin Ebert (´96) ein hoffnungsvoller Aufbau an die Oker gelockt werden. Mit Lars Lagerpusch (´98) komplettiert ein Eigengewächs das Youngster-Trio. Menz: „Wir wollen hier mit ihnen und um sie herum etwas aufbauen, das im Idealfall Signalwirkung für kommende Generationen hat.“
Wir ändern den Kurs nicht,
denn wir sind immer noch durstig
Zum Start der Saison 2016/2017 durchlegen die Basketball Löwen schwere Zeiten. Bis auf den Auftaktsieg gegen Vechta (72:59) gab es bislang nichts zu gewinnen. Den schwierigen Spagat zwischen Jugendförderung und Erfolgsdruck steckt Figge im ersten Monat der neuen Spielzeit überraschend gut weg. Es ist die von Menz angesprochene Angstlosigkeit, gepaart mit einer ordentlichen Portion Toughness, die ihn die ersten Wochen bei durchschnittlich 9:11 Minuten auf dem Feld nicht den Kopf hängen lässt. Stattdessen wird im Training hart gearbeitet, sich immer wieder angeboten, an den Schwächen des einen Werkzeugkastens gefeilt. „Wir arbeiten viel an seinem Wurf, ohne ihn zu einem Schützen machen zu wollen. Auch das Pick-and-Roll steht auf der Liste, dabei wird er perspektivisch ein Einser werden“, beschreibt Menz. „Aber das sind alles Dinge, die sein Spiel abrunden und komplettieren, so dass er später problemlos auf Point Guard und Small Forward wird aushelfen können.“
Im Niedersachsen-Duell gegen Oldenburg wird Figge erstmals in die Startformation befördert. Es ist wieder einer dieser kleinen Schritte, die für den 19-Jährigen viel bedeuten. Zwei Punkte, drei Steals und 13:23 Minuten später ist sein Arbeitstag jedoch beendet. Muskelfaserriss im Fuß. Zwei Wochen Zwangspause. Mögliche Rückkehr aufs Bundesliga-Parkett: Beim Auswärtsspiel im Telekom Dome. „Er ist für uns ein wahnsinniger Energizer, der mit seiner Freude, hart zu spielen, die gesamte Mannschaft mitreißen kann“, so Coach Menz. „Gerade deswegen werden wir seine Rückkehr nicht überstützen, da er auf dem Feld unheimlich körperlich agiert und deswegen zu hundert Prozent fit sein muss, wenn er wieder einsteigt.“