„Es geht um ein respektvolles Miteinander“
Interview mit Baskets-Headcoach Silvano Poropat | Teil 1
Für Silvano Poropat läuft die Planung für 2016/2017 auf Hochtouren. Die vergangenen Wochen in Bonn waren für ihn Eingewöhnung und Lernprozess zugleich. Im ersten Teil des ausführlichen Sommergesprächs berichtet der Baskets-Trainer von Kommunikation in der Umkleide, gegenseitigem Abtasten und in sich greifende Mechanismen.
Coach Poropat, warum muss der Point Guard in der Kabine den mittleren Spind belegen?
Silvano Poropat: (lacht) „Das ist eine sehr gute Frage. Die Antwort ist ganz simpel: Weil der Point Guard meiner Meinung nach der zentrale Spieler ist. Das ist sicher nicht per se als Grundregel zu verstehen, aber wenn ich eine Ansprache mache, dann soll der, oder die, Aufbauspieler mit mir einen schnellen, sichtbaren Kontakt haben – das ist das Eine. Auf der anderen Seite soll die Mannschaft das Gefühl haben, dass der Point Guard im übertragenen Sinne mittendrin ist, anstatt irgendwo an der Seite zu sitzen und abzuwarten, was passiert. Das ist mir wichtig.“
Lässt sich solch ein Muster auch auf die Mannschaftsbank im Spiel übertragen?
„Darüber habe ich explizit noch gar nicht nachgedacht, aber den Tipp nehme ich gerne mit – das ist eine Überlegung wert. Ich weiß aber, dass es Spieler gibt, die gern nah beim Coach sitzen, um sich viel auszutauschen oder Informationen aufzuschnappen. Oder sie spekulieren darauf, dass der Trainer, wenn er schnell jemanden einwechseln will, den ersten nimmt, der ihm ins Blickfeld kommt (lacht). Jeder Spieler an sich ist wichtig für ein Team, aber es kann nicht gut sein, wenn sich der Kapitän, der Point Guard oder auch der älteste und erfahrenste Spieler am hinteren Ende der Bank versteckt – dafür nehmen sie eine zu besondere Rolle und Vorbildfunktion ein.
Ganz entscheidend ist aber, dass dieses Verhalten der Spieler ihrem Naturell entspricht. Wenn jemand eine Führungsperson sein soll, sich aber gern selbst rausnimmt, ist das schwierig. In dem Fall muss überlegt werden, welche Rolle derjenige alternativ einnehmen kann, ehe er zu etwas gezwungen wird.“
Ist es aus ihrer Sicht möglich, das Naturell der Spieler zu formen, zu verändern, oder ein Stück weit der geplanten Rolle anzunähern?
„Kurzfristig ist so etwas nahezu unmöglich. Mit genügend Zeit und entsprechender Persönlichkeitsentwicklung sowie gewonnener Erfahrung lassen sich gewisse Schritte machen. Aber es ist zweifelsfrei besser, wenn die Rolle und das Naturell des Spieler von sich aus zueinander passen.
Es ist oft so, dass Spieler grundsätzlich das Potenzial für eine Führungsrolle haben, dieses Naturell jedoch nicht eingesetzt, oder schlimmer noch, nicht erkannt worden ist. Das funktioniert aber auch im umgekehrten Fall – gerade, wenn Spieler auf dem Feld verbal sehr aktiv und laut sind. Die Aufgabe für uns als Trainer, als Verein, ist, das Potenzial jedes Einzelnen zu erkennen, ihn zu pushen und im Sinne des Teams bestmöglich einzusetzen.“
Bedeutet das konkret, dass im Sommer ein „lautes“ Puzzlestück gesucht wird, das Eugene Lawrence auf der Eins ergänzt?
„Ich habe Geno in meiner bisherigen Zeit nicht nur ruhig wahrgenommen. Er kommuniziert viel und gut – sowohl mit dem Team als auch den Coaches. Er nimmt aber auch gern die Position des Beobachters ein und schaut, wie sich die Dinge entwickeln, ehe er aktiv handelt. In diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht wichtiger, dass wir jemanden finden, der ein bisschen mehr Scoring reinbringt, der von außen Gefahr ausstrahlt – darauf liegt in erster Linie der Fokus.“
Wenn der Trainer Silvano Poropat sich in den vergangenen Wochen ein Bild von den Spielern gemacht hat, wie sehr fühlt sich der Headcoach „unter Beobachtung“?
„Das ist ein ständiger Prozess, der in beide Richtungen geht. Immerhin stehst du fast täglich zusammen in der Halle und musst miteinander arbeiten. Ein sehr erfahrener Trainer hat mir einmal gesagt: Du darfst nie unterschätzen, wie sehr die Spieler auf das schauen, was du tust, und vor allem wie du es tust. Als Coach bist du automatisch in einer Führungsposition, du kontrollierst viele Dinge. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass es sich dabei um einen Prozess des konstanten Austauschs und Miteinanders handelt, bei dem jeder seine natürliche Rolle einnimmt. Je authentischer jemand ist, desto fruchtbarer sind beispielsweise Gespräche, die während oder nach der Saison geführt werden. Ich kommuniziere gern und offen mit meinen Spieler, wünsche mir aber auch, dass das entsprechend von der anderen Seite ebenfalls gelebt wird. Wenn ich etwas gut finde, dann sage ich das. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann sage ich das. Das wissen die Spieler. Daraus hat sich unter anderem eine klarere Idee entwickelt, wie ich in Zukunft in Bonn arbeiten und spielen lassen will, als noch bei meinem Dienstantritt.“
Wie schwer, oder einfach, ist es seinem Naturell zu entsprechen, wenn der neue Verein eine schwierige Zeit durchlebt?
„Das war auf jeden Fall sehr interessant für mich, auch wenn ich seinerzeit in Lettland eine ähnliche Situation vorgefunden habe. Einerseits war mich wichtig, dass ich mich gebe wie ich bin, um den Leuten hier in Bonn von Anfang an ein Gefühl dafür zu vermitteln, was für ein Typ Mensch ich bin. Auf der anderen Seite wollte ich kennenlernen, wie bei den Baskets gewisse Prozesse ablaufen. Bei Dingen, die für mich ungemein wichtig sind, habe ich direkt Einfluss genommen. Es gibt aber auch Sachen, die ich mir erstmal anschaue, um die Abläufe und Hintergründe zu verstehen – du lernst schließlich nie aus. Ich bin hier in einen Verein gekommen, der eine gewisse Tradition und der in sich ganz eigene Mechanismen entwickelt hat. Ich habe für mich bereits viele Schlüsse gezogen und Überlegungen angestellt, wie wir in Zukunft einige Dinge angehen. Die Details dazu werde ich unter anderem mit Michael Wichterich besprechen, um einen klaren Fahrplan zu entwickeln. Ich muss sagen, dass die vergangenen acht Wochen die vielleicht interessantesten waren, wenn wir von einem Neuanfang sprechen.
Allein die Abläufe nach dem Spiel mit der ausführlichen Pressekonferenz und dem anschließenden Fantalk im Foyer … da bist du fast eine Stunde unterwegs. Das gehört hier in Bonn so dazu und ist gut so. Solche Dinge wären mir früher, vor ein paar Jahren vielleicht noch zu viel gewesen, weil ich mich nur auf das Sportliche konzentrieren wollte. Heute aber weiß ich, dass all das dazu gehört und der Verein diese Abläufe aus guten Gründen eingeführt hat.“
Jetzt wird die Box aufgemacht: Was kann in Bonn beispielsweise besser gemacht werden, und was funktioniert Ihrer Meinung nach besonders gut?
„Das Gesamtkonstrukt besteht aus unheimlich vielen Teilen, die letztlich ineinander greifen uns funktionieren müssen. Dabei liegt mein Fokus in erster Linie auf dem sportlichen Bereich. Mir ist wichtig, dass wir klare Abläufe entwickeln, weil sich zuletzt durch drei Trainer in einer Saison immer wieder Dinge verändert haben, oder die Mechanismen leicht anders griffen. Da muss eine spürbare Linie rein. Das gilt für unser Verhalten in der Kabine, beim Spiel, nach dem Schlusspfiff. Das mag auf den ersten Blick profan wirken, ist mit dem Blick auf das große Ganze aber ungemein wertvoll, wenn solche Regeln bestehen. Für mich geht es dabei um ein respektvolles Miteinander.
Für mich war und ist Bonn immer ein sehr gut organisierter Verein gewesen. Da gibt es wenig Neues zu entdecken. Es geht einfach darum die Aufgaben des Trainers, des Assistenten, des Physios klar zu beschreiben, damit letztlich alle reibungslos arbeiten können.“