Everybody loves the sunshine
Baskets-Forward Malcolm Hill im Portrait
Das Leben ist großartig. Besonders nach Beendigung des Studiums. Gefühlt stehen alle Türen der Welt offen und warten darauf vollständig eingerannt zu werden. Bonns Rookie Malcolm Hill sieht in Zivil allerdings eher aus, als ob er sich bei dem Versuch alle Knochen brechen würde – doch wehe, wenn er den magentafarbenen Dress überstreift.
Ende Oktober feierte der Jungspund seinen 22. Geburtstag. Auf völlig unspektakuläre Art und Weise. Ohne eine große Party. Die Telekom Baskets Bonn hatten zwei Tage zuvor nach Verlängerung mit 87:89 gegen CEZ Nymburk verloren. Trotz 21 Punkten von Malcolm Hill. Allein zwölf davon kamen im letzten Viertel sowie der Extraschicht. An ihm hatte es definitiv nicht gelegen. Und doch schlich er an seinem Ehrentag wie ein geprügelter Hund durch die Katakomben des Telekom Dome. Von hinten betrachtet, ließ sich schnell der Eindruck gewinnen, das biologische Alter des US-Amerikaners wäre mindestens doppelt so hoch wie sein Reisepass glauben machen will. „Das war bei mir schon immer so“, lacht Hill. „Die Leute sehen und schätzen mich völlig falsch ein – auf und neben dem Feld.“ Will heißen: Der erste Eindruck täuscht.
Wie es sich für einen anständigen Jugendlichen gehört, lebt Malcolm Hill in jungen Jahren einfach in den Tag hinein. Er geht zur Penne und verbringt die freie Zeit am liebsten mit Kumpels und dem orangefarbenen Freudenspender. An der Belleville East Highschool entwickelt er sich sportlich so gut, dass bald die ersten Anrufe interessierter Colleges das heimische Telefon auf Trab halten. „Ich wollte den ganzen Stress des Rekrutierungsprozesses nicht haben, wo du von einem Campus zum nächsten reist und dauernd jemanden am Hörer hast, der dir genau das verspricht, was du schon zigmal von anderer Stelle gehört hast“, beschreibt Hill. So fällt seine Entscheidung früh – schon zwei Jahre vor seinem Highschool-Abschluss – für die University of Illinois. Hill: „Ich kann mich glücklich schätzen, in meinen Eltern als auch in meinem damaligen AAU Coach tolle Berater gehabt zu haben, die mir bei allem geholfen haben.“
Just bees and things and flowers
In der NCAA kommt er zwischen 2013 und 2015 zunächst von der Bank, was seiner Entwicklung keinesfalls schadet. Vielmehr hält ihn die Tatsache, dass er nicht mehr im unmittelbaren Mittelpunkt der taktischen Ausrichtung steht, an, konstant an seinem Spiel zu arbeiten. Die Rechnung geht auf. In seinem Freshman-Jahr steht er bereits durchschnittlich mehr als 30 Minuten auf dem Platz und zeichnet für 14,4 Punkte pro Partie verantwortlich. Erst in seinen letzten zwei Spielzeiten wird er in die Startformation berufen und dankt es den „Fighting Illini“ mit jeweils über 600 auf die Anzeige gebrachten Zählern. „Zu dieser Zeit habe ich deutlich mehr verstanden, welchen Wert ich für ein Team haben kann. Dass es nicht immer nur auf die aufgelegten Punkte, die abgegriffenen Rebounds oder verteilten Assists ankommt“, sagt Hill. „Oftmals sind es eben die Dinge, die erst auf den zweiten Blick ersichtlich sind.“ Es war Headcoach John Groce, welcher als ehemaliger Mathematik-Lehrer das Auge fürs statische Detail hatte und seinen Schützling damit infizierte. Hill: „Durch ihn hat es sich bei mir eingebürgert, dass ich beim finalen Scouting immer zuerst auf den Plus-Minus-Wert schaue.”
Der Plus-Minus-Wert fasst weniger die individuelle Leistung eines Spielers zusammen, als vielmehr seinen Wert für das Team, solange er auf dem Feld steht. Mit Hill auf dem Parkett erzielen die Telekom Baskets in der Champions League durchschnittlich 4,6 Zähler mehr als der Gegner – lediglich Martin Breunig kann einen besseren Wert vorweisen (+5,9). „Es gibt viele Arten, mit denen du ein Spiel beeinflussen und den Rhythmus der Begegnungen ändern kannst. Offensiv wie defensiv. Ich bin keiner, der für spektakuläre Punkte sorgt, aber ich kann auf unterschiedliche Arten effektiv sein. In der Defense helfen mir meine langen Arme, um gewisse Anspiele zu verhindern oder Pässe abzufangen“, beschreibt der 1,98 Meter-Mann. Es kommt dem Rookie entgegen, dass er im Konstrukt von Coach Predrag Krunic mit der zweiten Fünf das Parkett betritt, da er so vorab in Ruhe ein Gefühl für die Partie entwickeln kann. „Diese Situation ist nicht neu für mich“, so Hill. „Ich sehe es vielmehr als Herausforderung, mit der Einwechslung sofort die Intensität des Spiels mitgehen zu können.“
Feel, what I feel,
when I feel, what I feel
Vor allem in der Basketball Champions League gelingt dies dem variablen Forward extrem gut. Mit durchschnittlich 19,0 Punkten ist er der drittbeste Scorer des gesamten Wettbewerbs – lediglich DJ Kennedy (20,4 PpS, Pinar Karsiyaka) und Gabe York (19,6 PpS, Bayreuth) treffen besser. „Meine Leistungen mögen für viele Leute vielleicht überraschen kommen, doch das ist alles andere als ein Zufallsprodukt.“ Sagt’s, und wirkt dabei überhaupt nicht mehr wie der schüchterne Frischling, der seiner Komfortzone entrissen allein in Europa unterwegs ist. „Mein Vater hat mich immer gelehrt, dass du als Produkt immer nur das herausbekommst, was du zuvor an Arbeit hineingesteckt hast. Dazu bin ich bereit, darauf ist mein Lebensstil in Bonn ausgerichtet“, umreißt Hill, und lacht: „Das ist hier aber auch deutlich einfacher, weil ich nicht mehr in der Uni sitze, Vorlesungen habe und pauken muss, sondern mich ganz auf Basketball konzentrieren kann.“ Es sind die kleinen Dinge, die Malcolm Hill schon an seiner ersten Profistation unverschämt erwachsen erscheinen lassen. „Unscheinbare Dinge wie Pünktlichkeit oder ein ordentlich geführter Haushalt gehören zum Profi-Dasein dazu.“
In der Bundesliga tut er sich bislang noch etwas schwerer, doch das ist für ihn kein Grund zur Beunruhigung. „Nach dem College und den drei Monaten auf den Philippinen dachte ich anfangs, dass ich in Deutschland würde dominieren können – denn ich weiß, was ich kann“, sagt Hill. Doch die Realität ist (noch) eine andere. Seine durchschnittlichen 8,6 Punkte und 2,3 sind für einen Rookie mehr als ordentlich, doch sie werden dem eigenen Anspruch (noch) nicht gerecht. Der Flügel nimmt fast doppelt so viele Dreier (23 Versuche) wie Würfe aus dem Zweipunktbereich (12). Auf internationalem Terrain ist die Verteilung der auf den Weg gebrachten Schüsse weitaus besser verteilt, dort stehen für ihn 27 Versuche aus dem Zweier-Bereich, 20 Würfe von „Downtown“ sowie 31 Trips an die Wohltätigkeitslinie zu Buche. „Die Leute übersehen oft, dass ich ein effektiver Scorer bin, weil meine Treffer oftmals in Schüben kommen.“ Will heißen, dass es Hill regelmäßig gelingt, binnen kürzester Zeit sein Punktekonto reich zu füllen. Zehn Punkte im Schlussviertel gegen Oostende, zehn Zähler im dritten Abschnitt gegen Nanterre, satte 17 auf der Zielgeraden gegen Zielona Gora. „Unsere Gegner nehmen meine Präsenz definitiv war und stellen sich immer mehr darauf ein“, umschreibt Hill, dass die Verteidigung ihm immer mehr auf die Pelle rückt. „Aber wenn ich so einen Mann an mich binde und dadurch beispielsweise in der Zone mehr Platz für den Drive von außen oder ein Post-Up ist … umso besser.“ Dann trägt Malcolm Hill auf seine unprätentiöse Art dazu bei, dass die Baskets eine bessere Siegchance haben – und über dem Hardtberg öfters die Sonne scheint.
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