Feature: Matchup-Führer Ensminger vs. Kruel

Center jenseits der 30 haben es in der Beko BBL der Neuzeit nicht leicht. Und doch machen Chris Ensminger und Bernd Kruel die jungen Emporkömmlinge regelmäßig frisch

Erst waren es Nic Wise sowie Tübingens Assistmaschine Branislav Ratkovica. Dann wanderte der Blick auf die Flügelpositionen zu Jeremy Hunt und Julius Jenkins (Berlin) sowie Folarin Campbell und Jimmy McKinney (Frankfurt). Zuletzt kamen die Spielanlagen von Nationalspieler Tim Ohlbrecht und MBC-Vierer Guido Grünheid auf den Seziertisch. Fehlt nur noch die Centerposition, welche die Reise des Matchup-Führers abrundet. Anlässlich des Spiels bei Phoenix Hagen (19. Februar, 14:45 Uhr) liegt der Fokus auf Ex-Bonner Bernd Kruel und dem achtmaligen ALLSTAR Chris Ensminger. It’s hip to be Kruel Es gibt Spielertypen, die sind mit fast unmenschlicher Athletik gesegnet. Die können zu jedem Zeitpunkt durch die Decke gehen, in der Luft stehen, YouTube-Highlight am Fließband produzieren ... doch dann kommt die Alters-Keule. Mit 30 ist es aus mit der Springerei, und plötzlich verabschiedet sich der größte Teil dessen, was den Sportler bis dato ausgemacht hat. Nicht so bei Bernd Kruel, der auch ohne überragende Athletik auf dem Feld besteht. Das war schon so, als er noch ein Twen war, und auch mit nunmehr 34 Lenzen hat sich daran nichts geändert. Der Center der Feuervögel weiß nämlich ganz genau was er kann und was nicht. Der 2,09 Meter große Kruel kommt äußerlich schmaler daher, als er eigentlich ist. Das bekam schon 2008 ALBA Berlin zu spüren, als er, damals noch im Trikot der Telekom Baskets Bonn, in der Finalserie starke 12,8 Punkte und 4,5 Rebounds pro Spiel auflegte. Diese Leistungen waren keine Eintagsfliegen, wie der Pivot gleich nach seinem Wechsel zurück in die westfälische Heimat unter Beweis stellte. Die 2. Liga rockte Kruel in der Hagener Aufstiegssaison mit 13,5 PpS und 7,7 RpS. Zurück im Oberhaus ist seine Rolle im System von Coach Ingo Freyer etwas kleiner geworden, wenngleich er immer noch ein wichtiger Bestandteil der Rotation ist. Das Spiel der Volmestädter ist 2010/2011 ganz extrem auf die kleinen Außenspieler und Jacob Burtschi der nicht umsonst den Dreier-Wettbewerb beim Beko BBL ALLSTAR Day gewann ausgelegt. Wirklich viele Bälle im Lowpost bekommt Kruel nicht zu sehen, sondern er verwertet vielmehr das, was seine Mitspieler daneben werfen. Durchschnittlich springen so 6,0 Punkte und 3,4 Rebounds pro Spiel heraus. Als Center der alten Garde ausgebildet, behauptet er sich offensiv wie defensiv im Positionskampf am Zonenrand außerordentlich gut. In der Verteidigung liest er die Bewegungen seines Gegenspielers gut und hat dadurch meist einen kleinen Vorteil, wodurch er wenig Hilfe von seinen Mannschaftskollegen benötigt. Vorne beherrscht er sowohl Bewegungen entlang der Baseline als auch einen soliden Midrange-Jumper. Im Zusammenspiel mit den Außenspielern setzt er erstklassige Blöcke, die er perfekt öffnet und anschließend stets anspielbereit ist. Kruel kann mit Kontakt abschließen, aber auch ein zwei Dribblings anbringen, ehe er auf Ringniveau vollstreckt wobei er den Ball mit rechts und links gleichermaßen gut beherrscht. Staatsfeind Nummer eins Die Frage muss erlaubt sein. Welcher Trainer würde einen alten, langsamen, nüchtern betrachtet sehr limitierten Spieler in seinen Kader aufnehmen wollen? Niemand, nicht mal geschenkt. Und wenn dieser Spieler Chris Ensminger heißt? Gekauft! Der 37-jährige Center der Telekom Baskets Bonn ist der absolute Gegenentwurf zur allgemeinen Entwicklung im modernen Basketball. Mit seiner robusten Art und knallharten Ellbogen hat sich der Amerikaner in der Beko BBL zum bei 17 von 18 Vereinen meistgehassten Spieler ausgeschwungen. Aber auch zu einem der am meisten respektierten. Weil Ensminger nie unfair spielt, wenngleich hart am Limit. Weil er schiebt und drückt, um die bessere Position zu bekommen. Weil er sich aufopfert und Fehler ausbügelt, die seine Mannschaftskollegen begangen haben. Weil er immer ob beim Frühtraining oder im Spitzenspiel Vollgas gibt und konstant seine Leistung bringt. Sicher, auch ein Chris Ensminger hat davon geträumt wie ein Geisteskranker stopfen oder reihenweise Dreier ballern zu können. Aber er kann es nicht, dafür fehlt in seinem 2,09 Meter großen, von Basketball durchsiechter Desoxyribonukleinsäure erstellten Körper schlichtweg der entsprechende Bauplan. Stattdessen hat er die Dinge perfektioniert, die ihm liegen. Da wäre die Fähigkeit, sich im Lowpost gegen jeden Verteidiger so zu behaupten, dass er angepasst werden kann. Beginnt er rückwärts dribbelnd den Korb zu attackieren, hat er stets ein Auge auf dem Verteidiger des Flügels auf seiner Seite, der potentiell zur Hilfe eilt. Sinkt der kleine Mann zu ihm ab, macht Ensminger automatisch ein Dribbling gen Baseline, wodurch der Wingman zu einer Entscheidung gezwungen wird: Kommt er weiter heran ist der Pass auf den nun freien Schützen ein Muss, eilt er zurück an die Dreierlinie geht es im Lowpost munter weiter. Ob über die Mitte oder nach Drehung zur Grundlinie, Ensminger hat beidseitig den effektivsten Hakenwurf der Liga zu bieten. Ob mit raumgreifenden Schritten oder nach dem kurzen Dropstep, entscheidet er situationsbedingt. So sammeln sich aktuell 11,4 Punkte pro Spiel zusammen, wovon ein Großteil nach am offensiven Brett gegriffenen Abprallern kommt. Mit insgesamt 8,0 Rebounds pro Partie rangiert er ligaweit hinter Ulms John Bryant (10,8 RpS) auf Rang zwei. Weit außerhalb der Zone befindet sich der Baskets-Center nur bei Verschnaufpausen auf der Bank oder beim Pick-and-Roll mit einem der Flügel. Nach dem gesetzten Block geht es mit Dampf in die Zone, wo Ensminger nicht viel Raum braucht, um nach dem Durchstecker meist mit Brett abzuschließen heranfliegende Verteidiger prallen regelmäßig an seiner aus dem Naismith’schen Lehrbuch stammenden Schutzhand ab.