General Anzeiger vom 11.09.2001 Zwischen Atatürk und den Houston Rockets
Dem türkischen Baskets-Gegner Darüssafaka Istanbul fehlt ein echter Center - Ein starker Flügelspieler aus der Ukraine - Mike Mardesich erhält unter dem Korb den Vorzug vor Marc Suhr
Istanbul. Die Zeitungen in Istanbul sind voll von Basketball: Hidayet Türkoglu, Ibrahim Kutluay und die anderen Helden der türkischen Auswahl, die erst im Finale am neuen Europameister Jugoslawien scheiterten, sind in aller Munde. In dieser Woche beginnt auch in Istanbul wieder die normale Saison - mit der Europaliga-Qualifikation von Darüssafaka gegen die Telekom Baskets Bonn. Darüssafaka, jener Club aus Istanbuls Vorort Maslak, der so weit im Norden liegt, dass er auf gewöhnlichen Stadtplänen nicht zu finden ist, steht in der türkischen Hauptstadt nicht im Brennpunkt des Medieninteresses. Bei Basketball denken die Istanbuler neben der Nationalmannschaft in erster Linie an die beiden Topklubs Efes Pilsen und Ülker oder an die Basketball-Abteilungen der Großklubs Fenerbahce, Galatasaray und Besiktas. Darüssafaka ist am Bosporus neben diesen Größen nur ein Mauerblümchen. Einen Sponsor im herkömmlichen Sinn gibt es nicht. Der Klub finanziert sich vorwiegend aus den Überschüssen der angeschlossenen High School, einer 1914 als Wohltätigkeitsprojekt für Vollwaisen gegründeten Organisation, die sich inzwischen zu einer Eliteschule entwickelt hat. Auch das angeschlossene moderne Sportzentrum erwirtschaftet Gelder, die dem Vereinsbudget von knapp zwei Millionen US Dollar zugute kommen. Seit 1993 spielt der Klub in der ersten türkischen Liga, der dritte Platz in der letzten Saison, der Darüssafaka die Teilnahme an der Europaliga-Qualifikation eröffnete, ist die bisher beste Platzierung des Vereins. Manager Ali Kahyaoglu, in dessen Büro nebeneinander die Bilder von Mustafa Kemal Atatürk und den Houston Rockets hängen, ist vor dem Spiel gegen Bonn skeptisch: "Uns fehlt ein echter Center." In der letzten Saison räumte Aleksander Okunski (2,14 m) unter dem Darüssafaka-Korb auf. Jetzt spielt der ukrainische Riese für den kroatischen Meister Cibona Zagreb, und Darüssafakas neuer US-Center Kris Hill ist nur 2,04 m lang, verfügt zudem über keine allzu große Sprungkraft. Auch mit dem neuen US-Forward Antwon Johnson (2,03 m) ist Kahyaoglu nicht zufrieden: "Ich habe noch vor ein paar Jahren zusammen mit ihm in Izmir gespielt. Da war er eine Granate. Jetzt plagen ihn Knieprobleme. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst." Lediglich mit der Verpflichtung des dritten Ausländers, Leonid Yailo, ist Darüssafaka offenbar ein Coup gelungen - der ukrainische Flügelspieler (2,02 m) war Darüssafakas Topscorer beim mühsamen 92:82-Erfolg am Sonntag über den bulgarischen Vizemeister Yambol. Vor diesem Spieler werden sich die Baskets besonders in Acht nehmen müssen. Die beiden Amerikaner hätte Manager Kahyaoglu nach dem schwachen Testspiel am liebsten sofort ausgewechselt: "Das geht wohl erst vor dem Start des Saporta-Cups." So richtig an eine Chance, die Europaliga zu erreichen, scheint Kahyaoglu nämlich nicht zu glauben: "Schon Bonn ist ein sehr schwerer Gegner, dann folgen Split oder Vilnius, die beide in der letzten Saison in der SuproLeague gespielt haben." Die Reise nach Istanbul ist eine Feuerprobe für das neu zusammen gestellte Bonner Team, vor allem für Trainer Predrag Krunic. Der 34-Jährige will beweisen, dass er als Nachfolger von Bruno Soce der richtige Mann ist. Entsprechend gespannt ist er auf die Partie. "Ich habe ein gutes Gefühl. Die Mannschaft hat bisher hervorragend mitgezogen. Ich bin mit dem Stand der Vorbereitung bis auf ein paar kleine Dinge sehr zufrieden", sagte Krunic. Über seine Startformation will er nicht viel sagen. "Wer die letzten Testspiele verfolgt hat, weiß, wer spielen wird." So werden wohl im Aufbau Terrence Rencher und Paul Burke, auf dem Flügel Hurl Beechum und in Korbnähe Power Forward Aleksandar Nadfeji und Center Mike Mardesich auflaufen. Dass der 24-Jährige den Vorzug vor Marc Suhr bekommen wird, darauf deutet seine etwa 25-minütige Einsatzzeit im letzten Test gegen Triest.