Glück

Baskets-Forward Tomislav Zubcic im Portrait

Verbreitet gleichermaßen bei Zuschauern und Mitspielern Freude: Tomislav Zubcic (Foto: Jörn Wolter)

Die Saison 2017/2018 war erst knapp anderthalb Monate jung, da verpflichteten die Telekom Baskets auf der Position des Power Forward nach. Der aus dem türkischen Trabzonspor nach Bonn gewechselte Tomislav Zubcic musste jedoch ob fehlender Freigabe seines ehemaligen Arbeitgebers zunächst zwei Spiele von der Bank aus zusehen, wie seine neuen Mannschaftskollegen auf dem Feld zu Werke gingen. Wahrscheinlich hat er es deswegen so eilig, das Verpasste aufzuholen … was er vornehmlich aus der Distanz tut.

Glück, das [Substantiv]: besonders günstiger Zufall, erfreuliche Fügung des Schicksals. Für Tomislav Zubcic muss der Anruf seines Agenten im vergangenen November rückblickend der absolute Hauptgewinn gewesen sein. Der Kroate saß in der Türkei fest, sportlich in der Zwickmühle und ans Ende der Bank gefesselt. Sein Arbeitgeber hatte sich kurz nach Saisonbeginn auf der Position des Power Forward für einen anderen Spielertyp entschieden, und so konnte der 2,12 Meter-Mann nur tatenlos zusehen wie Trabzonspor in die tabellarische Bedeutungslosigkeit abrutschte. Bevor ihn das Angebot der Telekom Baskets ereilte, machte Basketball ihm nur noch wenig Spaß. Jenes Spiel, welches er doch seit frühester Jugend so sehr liebte.

Im zarten Alter von elf Jahren ist Zubcic bereits einen Kopf größer als seine Freunde. „Ich war ziemlich schlaksig, und als sich innerhalb von drei Jahren um ungefähr 15 Zentimeter wuchs, musst ich natürlich öfter Center spielen als mir lieb war“, lacht Zubcic. „Das war ziemlich taff für mich, doch mein Jugendtrainer hat früh erkannt, dass ich auf den beiden Forward-Positionen deutlich besser aufgehoben bin. Er wollte immer, dass ich auf dem Feld von allem ein bisschen was kann.“ Die Weitsichtigkeit des Übungsleiters zahlt sich aus. Zubcic lernt mit dem Ball umzugehen, diesen auf den Boden zu setzen und zu werfen – und weckt dadurch das Interesse des Traditionsclubs Cibona Zagreb, dem er sich 2008 anschließt. Auf prominenterer Plattform werden die ersten NBA-Scouts auf ihn aufmerksam, sein Name findet, wenn zunächst auch ohne tiefergehende Zusatzinformationen, den Weg in immer mehr Notizbücher.


Alles, was auf dieser Welt zählt, ist dein Glück.
Also nehm‘ ich mir meins.


Gutes Timing ist alles. Besonders wenn es darum geht ins Visier der besten Liga der Welt zu geraten. Das „Nike Hoop Summit“ zählt alljährlich zu den Events, bei dem junge Talente mit außerordentlichen Leistungen auf sich aufmerksam machen können. Gemeinsam mit einigen anderen europäischen Talenten fliegt Zubcic über den großen Teich, um sich mit einer namhaften US-Auswahl zu messen. „Wir haben uns schon eine Woche vor dem Spiel getroffen, miteinander trainiert und wahnsinnig schnell eine tolle Chemie in der Gruppe gehabt“, erinnert sich der Forward. „Einige Jungs kannte ich schon von den Junioren-Europameisterschaften und wusste, dass wir viel Qualität im Kader haben.“ Auch die USA-Truppe wartet mit absoluten Hochkarätern auf. Aufbau John Wall und Center DeMarcus Cousins sollen später zu den besten ihrer Zunft in der NBA heranreifen. Doch die Weltauswahl bringt neben einer ordentlichen Portion Ehrgeiz vor allem eine Menge Spaß am Basketball mit. Zubcic: „Wenn alle Augen auf dich gerichtet sind, ist es wichtig, dass du glücklich bist und Spaß an den hast, was du tust. Vielleicht war dies der ausschlaggebende Faktor, dass wir nach zehnjähriger Durststrecke die USA wieder schlagen konnten und so ein Stück Geschichte schreiben konnten.“ Der damals 19-Jährige trägt zum sensationellen 97:89-Sieg starke 17 Punkte und fünf Rebounds bei, nur Milan Macvan (heute Bayern München) weiß mit 23 Zählern und 14 eingesammelten Abprallern besser zu gefallen.

Die Mischung aus Länge und Wurffähigkeiten lässt die in der Halle Anwesenden schwärmen. „Mit den Fähigkeiten eines Small Forwards ausgestattet, hat Zubcic die Größe und Athletik, um auf Power Forward zu einem Mismatch-Albtraum zu werden“, befindet DraftExpress-Scout Mike Schmidt seinerzeit. Was zur Folge hat, dass die Toronto Raptor sich anno 2012 genau dieses Potenzial sichern und ihn an 56. Stelle der Draft auswählen – zu einem Engagement in der NBA kommt es jedoch nie. Stattdessen geht es für Zubcic in den folgenden fünf Jahren auf die große Rundreise: Litauen, G-League, Russland, Türkei … und jetzt eben Deutschland.


Jeder ist seines Glückes Schmied,
und meins ist grad heiß.


In Bonn ist der Spaß an der Sache zurückgekehrt. Das Engagement bei den Rheinländern hat sich für Tomislav Zubcic  als glückliche Fügung entpuppt. „Hier kann ich endlich wieder der sein, der ich bin. Kann dem Team mit meinen Fähigkeiten weiterhelfen, kann das Spiel wieder genießen“, sagt der 28-Jährige. „Das kam für mich etwas überraschend. Umso schöner ist es, dass wir hier als Mannschaft auch noch erfolgreichen Basketball spielen.“ Ein Umstand, an dem er entscheidenden Anteil hat. Mit durchschnittlich 16,1 Punkten pro Spiel hat sich der Kroate zum Topscorer der Magentafarbenen aufgeschwungen. Dabei versenkt er aberwitzige 55,4 Prozent seiner Dreierversuche, was vor allem im Telekom Dome regelmäßig für lautstarke Reaktionen auf den Rängen sorgt.

Die dabei zu berücksichtigende Rechnung ist simpel. „Drei Punkte sind einer mehr als zwei“, lacht Zubcic. „Außerdem werfe ich gern. Wenn ich dann treffe, gibt das den Fans, dem Team und auch mir einen enormen Push. Dann zu sehen, wie beim Gegner die Köpfen hängen gelassen werden, macht den Hype perfekt.“ Doch das ist nur die Hälfte der Wahrheit, warum 62,7 Prozent seiner Würfe von jenseits des Perimeters abgefeuert werden. Zubcic hat erkannt, wie er das von DraftExpress einst beschriebene Mismatch auf dem Feld ausgelebt bekommt. Außer Robin Benzing (Würzburg, 2,10 Meter) gibt es in der gesamten Beletage keinen mit ihm vergleichbaren Akteur. Schon gar niemanden, der ihn entlang der Dreierlinie effektiv verteidigen kann. „Für ich fängt es damit an, dass ich die Defense lese und in einem anspielbaren Winkel stehe. Dann muss der Verteidiger schon sehr nah dran sein, um mich am Wurf zu hindern“, beschreibt Zubcic. „Aber wenn ich den Ball im Lauf bekomme und in der Bewegung hochgehen kann, ist es egal ob noch jemand vor mir steht – dann lasse ich das Ding definitiv fliegen.“ Vier erfolgreiche Dreier beim 90:68 gegen Oldenburg, fünf beim 89:73 gegen Bremerhaven, sieben beim 106:69 gegen Bamberg. Zubcic hat sich in Windeseile als einer der besten Schützen der BBL etabliert – was am Ende des Tages dann vielleicht doch weniger mit Glück als mit Talent und harter Arbeit zu hat.


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