"Ich bin heute besser in Form als vor 10 Jahren"
Chris Ensminger im trainingsworld.com-Interview
Es ist erstaunlich, wozu der menschliche Körper noch im „gediegenem“ Alter in der Lage ist. Woche für Woche zeigt dies Chris Ensminger, der älteste Spieler der Beko Basektball Bundesliga.
Das „Bundesliga‐Urgestein“ Chris Ensminger spielt seit nunmehr 14 Jahren in Deutschlands höchster Spielklasse und steht seit der Saison 2009/2010 bei den Telekom Baskets Bonn unter Vertrag. Der 39‐Jährige ist dabei nicht nur ein Mitläufer, sondern als 5-facher Liga‐MVP einer der erfolgreichsten Bundesligaspieler aller Zeiten. Ich habe mich mit Chris Ensminger über Hocheistung im Alter unterhalten. Auch wenn Julian Morche erst seit dieser Saison mit Chris Ensminger arbeitet, der Athletikcoach der Telekom Baskets Bonn hat schon nach kurzer Zeit einen nachhaltigen Eindruck vom US‐Amerikaner, der seinen höchsten Respekt verdient: „Chris kann und konnte deshalb so lange auf diesem hohen Level performen, weil er zum einen sehr viel Talent hat und zum anderen sehr bewusst mit seinem Körper umgegangen ist. Er hat viel Zeit in Beweglichkeit und Stabilität investiert. Daran hat er all die Jahre effektiv gearbeitet und so seine Leistungsfähigkeit konserviert und Verletzungsprävention betrieben. Natürlich zeichnet das Alter jeden und zu sagen, dass eine so lange Basketballkarriere an einem Athleten spurlos vorbei ziehen würde, wäre schlichtweg falsch. Aber mit 39 Jahren noch auf einem solchen Level zu performen, verlangt meinen tiefsten Respekt und gerade bei Chris, der ja schon immense Erfolge erreicht hat." trainingsworld: Im Dezember werden Sie 40. Wie schaffen Sie es, auf dem obersten Level gegen Spieler zu konkurrieren, die Ihre Kinder sein könnten? Chris Ensminger: Zunächst einmal hatte ich das Glück, gesund geblieben zu sein und bis jetzt spielen zu können. Mein Vertrag läuft im Juni aus, von daher weiß ich jetzt noch nicht, ob ich noch mit 40 spielen werde. Das muss man abwarten. Ich achte auf meinen Körper und ernähre mich gesund. Meine Frau achtet sehr auf meine Ernährung und die unserer beiden Kinder. Sie macht einen guten Job und hat großen Anteil an meinem Erfolg. In der spielfreien Zeit mache ich auch Yoga, was mir geholfen hat, meine Karriere zu verlängern. Ich begann in meinem letzten Jahr in Bamberg in der Saison 2007/2008. Ich wurde zu der Zeit in Yoga, Pilates und verschiedene Trainingsarten eingeführt, was mir geholfen hat, meinen Core zu stärken und mehr Flexibilität zu gewinnen. Dies war eine große Hilfe für mich, meine Karriere auszuweiten. Es geht einfach darum, mit dem Körpers bewusst und professionell umzugehen. trainingsworld: Ist die Motivation, Ihre Karriere fortzuführen, einfach nur der Spaß am Basketball spielen? Chris Ensminger: Natürlich liebe ich das Spiel. Meine Motivation liegt darin, mich immer wieder messen zu wollen. Ich bin der älteste Spieler der Liga, aber ich fühle immer noch sowohl mental als auch physisch fit. Solange ich gesund bin, ist es ein gutes Gefühl, in der Bundesliga zu spielen. trainingsworld: In der letzten Saison hatten Sie ausgezeichnete Statistiken (7,2 Rebounds, 14,6 Punkte). Was ist Ihr Geheimnis für diese starke Leistung? Chris Ensminger: Ich denke, wir hatten in der letzten Saison eine gute Team‐Chemie und eine hohe Ausgeglichenheit auf jeder Position. Mit Jared Jordan haben wir einen tollen Pointguard, der ein ausgezeichneter Vorbereiter ist und immer den offenen Mitspieler findet. Am Ende der Saison haben wir die Playoffs erreicht, das war das Ziel des gesamten Teams. Wir haben letzte Saison sogar den Meister Bamberg in den Playoffs geschlagen, aber ich glaube, ich will weiterhin beweisen, dass ich auf diesem Niveau spielen und mithalten kann. Am Ende des Tages sind Statistiken Tinte auf Papier. Es geht letzten Endes ums Gewinnen und darum, sich zu messen, und dabei versuche ich, meinem Team in irgendeiner Weise, so gut ich kann, zu helfen. trainingsworld: Welcher Chris Ensminger ist der bessere: Der vor 10 Jahren oder der Chris Ensminger heute? Chris Ensminger: Dies ist eine gute Frage. Ich würde sagen, ich bin heute besser in Form, als ich es noch vor 10 Jahren war. Laut Statistik sind die Werte dieses Jahr schlechter als vor 10 Jahren. Ich glaube, das Spiel hat sich in dieser Zeitspanne verändert. In der Bundesliga gibt es mehr ausländische Spieler als früher. Vor 10 Jahren hatten wir 2 Amerikaner und 2 Importe (Europäische Spieler). Damals prägte ein europäischer Spielstil die Liga und heute ist es mehr ein Uptempo‐Spiel, wie in den USA. Okay, Schnelligkeit und Athletik waren nie meine Stärke, auch als ich noch jünger war. Also habe ich diese Eigenschaften nie verloren, weil ich sie auch nie hatte. Ich bin immer noch der gleiche Spieler, ein Low‐Post‐Spieler und ein Defensiv‐Spezialist. Heute habe ich mehr Erfahrung, und die kann man nicht lehren. Erfahrung etwas, dass man durch Spielpraxis, Playoff‐Spiele oder enge Spiele bekommt. trainingsworld: Es ist sehr interessant, dass Sie gerade gesagt haben, dass Sie vor 10 Jahren nicht so gut in Form waren wie jetzt. Liegt das am veränderten Training, wie beispielsweise am Yoga, oder liegt das an einer bewussteren Ernährung? Chris Ensminger: Mit der gesunden Ernährung hat das sicherlich zu tun. Ich war zwar beim Krafttraining früher wahrscheinlich etwas stärker, dies liegt aber daran, dass ich mich darauf mehr konzentriert habe als heute. In meinem momentanen Trainingsprogramm absolviere ich ein Training, das eine Mischung und eine Kombination von Dingen wie Yoga und Pilates ist. Als ich aus Amerika kam und meine erste Saison in Frankreich spielte, war meine Flexibilität nicht sehr gut. Glücklicherweise hatte ich die Möglichkeit, in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Trainern und Spielern zu arbeiten. Hierdurch habe ich gelernt, wie man mit seinem Körper umgehen sollte. Ich habe in dieser Zeit verschiedene Übungen gelernt, die mir helfen, meine Flexibilität zu erhöhen und meine Rumpfkraft zu entwickeln. Ich habe sowohl meine Balance verbessern können, als auch alles was ich für den Wettkampf benötige, wie beispielsweise Geschwindigkeit und Agilität. Ich denke, je älter man wird, desto flexibler sollte man sein. Das ist definitiv ein Schlüssel, um gesund zu bleiben. Im Sommer mache ich eine Vielzahl von Dingen, die mir Spaß machen und die nicht belastend für meine Knie sind, wie beispielsweise Radfahren. Ich spiele in dieser Zeit kaum Basketball. Ich mache einfach verschiedene Dinge, die mir nach 10 Monaten Saison neue Energie geben, um mental wieder zu neuen Kräften zu kommen. trainingsworld: Dirk Nowitzki tut das gleiche wie Sie. Er macht Yoga und Pilates und entspannt in der Sommersaison. Chris Ensminger: Ich würde sagen, vieles im Basketball ist mental. Du brauchst irgendwann einfach eine Pause. Manchmal spiele ich im Sommer auch Golf, spiele viel mit meinen Kindern und tue verschiedene Dinge, zu denen ich während der Saison nicht die Möglichkeit habe. trainingsworld: Bis zur Saison 2004/2005 waren Sie 5-mal in Folge der Top‐Rebounder der Beko Basketball Bundesliga. Wie kann ich ein Top‐Rebounder werden, Chris? Chris Ensminger: (Lacht) Wie groß sind Sie? Eine Vielzahl von Leute denkt, dass zum Rebound nur Hochspringen und Athletik ausreichen. Für mich ging es immer um die Positionierung meines Körpers und darum, gute Hände in den Rebound zu bringen. Für den Offensivrebound sollte ich Kenntnis über das Wurfverhalten meiner Mitspieler haben. Treffen meine Mitspieler oder wohin wird der Ball abspringen? Dabei ist das Fixieren des Balls sehr wichtig. Dies sowie harte Arbeit und Entschlossenheit sind die Faktoren, die einen guten Rebounder ausmachen. Nicht aufzugeben und unerbittlich zu sein ist entscheidend, weil es sehr physisch unter den Brettern zugeht. Das ganze Gedränge unter dem Korb bedeutet, dass du klug agieren musst und wissen solltest, wie du deinen Körper einsetzen musst, um den Ball zu bekommen. Beim Rebound wird häufig zu wenig über das Ausboxen gesprochen, ein grundlegender Faktor, vor allem, wenn es um defensive Rebounds geht. Manchmal hole ich nicht so viele Rebounds wie gewöhnlich, ich stelle mein Spiel an solchen Tagen aber nicht um und versuche, weiterhin mein Bestes zu geben. Manchmal landet der Ball auf diese Weise in meinen Händen, an manchen Tagen fehlt dann auch mal das Glück. Es geht darum, hart daran zu arbeiten und weiter zu konkurrieren. trainingsworld: Studieren Sie Videos von Ihren Gegenspielern? Chris Ensminger: Nein, das ist nicht mehr unbedingt notwendig. Ich sehe meine Mitspieler täglich im Training, ob sie zu kurz werfen oder die Würfe dazu neigen, zu lang zu sein. Also übe ich im Training, auf der Position an der Seite der Rings zu stehen, auf der die Würfe abprallen. Normalerweise verfolge ich die Flugkurve des Balls und versuche zu antizipieren, wo er landen wird. Ich spiele dieses Spiel seit Jahren und meine Erfahrungswerte haben mir während meiner Karriere geholfen "In einer Saison habe ich auf meine linke Hand gewechselt" trainingsworld: „Hack‐a‐Ense" (frei übersetzt: Bring den Ensminger an die Freiwurflinie): Dies war das Motto der Gegner, als Sie noch in Bamberg gespielt haben. In der letzten Saison hatten Sie eine Freiwurfquote von 75,8 %. Wie erklären Sie sich diese späte Verbesserung? Chris Ensminger: In den letzten 4 Jahren habe ich über 70 % von der Freiwurflinie geschossen. In Bamberg kam es bei Freiwürfen nur auf mentale Stärke an, die ich nicht immer hatte. Als ich nach Paderborn wechselte, habe ich verstärkt an der Lösung von mentalen Blockaden gearbeitet. Ich bekam endlich eine Routine an der Linie und blieb seither bei dieser, was ich auch benötige, um eine gewisse Konstanz von der Freiwurflinie zu erhalten. Ich konzentriere mich auf ein paar wichtige Dinge: Ich konzentriere mich auf mein Ziel und halte es einfach. In Bamberg habe ich andauernd meinen Stand geändert, die Haltung meines Ellenbogen und meiner Augen verändert. Ich habe mich einfach nicht wohl gefühlt. Ich hatte Spiele, in denen ich sehr gut von der Freiwurflinie geworfen habe, aber ich hatte auch Spiele, in denen ich eher schlecht von der Freiwurflinie geworfen habe und eine Quote von nur 50-60 % hatte. In einer Saison habe ich auf meine linke Hand gewechselt und das ausprobiert, da ich mit beiden Händen schießen kann. In den anderthalb Jahren hatte ich trotzdem nur eine 60 %-ige Trefferquote und habe dann wieder mit rechts geworfen. Ich denke, es war nur eine mentale Blockade, es kam letztenendes auf Erfahrung, die Wiederholung des Wurfprozesses und die Fokussierung auf das Wohlfühlen und die Zuversicht an. trainingsworld: Ist es von daher nur eine Frage des Selbstvertrauens, wenn man an der Freiwurflinie steht? Chris Ensminger: Du kannst zwar Freiwürfe auch ohne Fans üben, aber im Spiel muss man letztenendes einen anderen Druck aushalten. Du kannst üben und 85 % der Würfe treffen. In dem Spiel liegt eine andere Situation vor. Du läufst und stoppst, aber dein Herz rast. Du kannst diese Art von Druck‐Situation nicht immitieren. trainingsworld: Sind Sie vor einem Playoff‐Spiel nervöser als vor einem normalen Bundesliga‐Spiel? Chris Ensminger: Ich nehme jedes Spiel gleich ernst, egal ob ich ein Pre‐Season‐ oder Playoff‐Spiel habe, gegen den Ersten oder Letzten spiele, oder ein Playoff‐Spiel ansteht. Ich versuche immer das gleiche Mindset abzurufen. Ich versuche, in jedem Spiel erfolgreich zu sein. trainingsworld: Vielleicht ist es ein wenig zu früh, da die Saison noch lang ist, aber haben Sie schon Pläne für die nächste Saison? Chris Ensminger: Ich lasse mir alle Möglichkeiten offen. Ich bereite mich darauf vor, Trainer zu werden, entweder im Hochschul‐Sektor oder im Profibereich. Vielleicht arbeite ich in Zukunft weiterhin in Deutschland oder in den Staaten. Ich arbeite neben dem Basketball daran, Fitness‐Lizenzen zu erwerben. Ich habe meine B‐Lizenz im vergangenen Jahr erfolgreich absolviert und werde jetzt die A‐Lizenz absolvieren. Ich bin sehr an Fitness‐Training interessiert, sowohl außerhalb des Basketballs als auch in Kombination mit Basketball. Diese beiden Bereiche, Coaching und Fitness, machen mir Spaß. Ich halte mir auch die Möglichkeit offen, möglicherweise eine weitere Saison Basketball zu spielen. Ich muss schauen, wie sich mein Körper fühlt und von Tag zu Tag und Spiel zu Spiel denken. Wenn Teams an einer Verpflichtung meiner Person interessiert ist, werde ich mir alle Optionen anschauen. Ich weiß nicht, was meine Zukunft bringen wird. Wir werden es sehen. „An Chris kann man sich orientieren“ Andrej Mangold spielt in der 2. Saison bei den Telekom Baskets Bonn. Der 13 Jahre jüngere Aufbauspieler findet die Leistung des 39‐Jährigen hoch erstaunlich und beneidenswert: „Ich hoffe, dass ich in dem Alter auch noch auf dem Level spielen kann wie er. So etwas gibt es nur sehr selten. Da muss man höchsten Respekt zollen, wenn jemand in diesem hohen Alter noch solche Leistungen bringt. Dazu gehört auch eine Menge Disziplin. Chris macht viel für seinen Körper und lebt sehr professionell, auch im Sommer, wenn kein Training ist. An Chris kann man sich orientieren, er ist ein Vorbildprofi." Erklären tut sich Andrej Mangold die starke Leistung wie folgt: „Mit jedem Jahr, dass du auf dem Level spielst, gewinnst du so viel an Erfahrung, dass du den Rückgang der Sprungkraft und der Schnelligkeit durch Erfahrung und Spielwitz wettmachen kannst. Chris weiß, was er in welcher Situation machen muss, da er viele Situation schon tausende Male erlebt hat.“ (Quelle: trainingsworld.com)