Mit dem TRX-Band unter Palmen
…oder: Warum die Sommerpause nur zeitweise erholsam ist
Zwischen Saisonende und Start in die Vorbereitung liegen grob drei Monate. Mehr als genug Zeit, um die Füße hochzulegen und die Seele baumeln zu lassen. Ja, das Leben als Profi-Basketballer ist wahrlich unverschämt entspannt. Offseason, Baby! Der einzige Haken daran ist, dass die Wirklichkeit nichts mit der romantischen Vorstellung von 90 Tagen Urlaub am Stück gemein hat.
Insgesamt absolvierten die Telekom Baskets Bonn inklusive aller Wettbewerbe und Testspiele satte 63 Partien. „Das ist eine stolze Zahl, aber ich habe mich Mitte Mai definitiv noch fit gefühlt und hätte auch noch Luft fürs Halbfinale gehabt“, konstatiert Dirk Mädrich. Der Center musste nach dem Viertelfinal-Aus gegen Ulm und der viel zu früh stattgefundenen Abschlussfeier mit den Fans erst einmal den Kopf frei bekommen. „Direkt nach dem Saisonende hat bei mir definitiv eine mentale Leere eingesetzt“, so Mädrich weiter. „Das hat mich ungefähr anderthalb Wochen mitgenommen, hat ordentlich geknausert, hat uns alle mehr als geärgert.“ Auf der einen Seite ist jedem Basketballer klar, dass früher oder später die Sommerpause einsetzt, nur der tatsächliche Zeitpunkt ist ungewiss. Mädrich: „Deswegen verschwende ich an Urlaubsplanungen oder dergleichen überhaupt keinen konkreten Gedanken, solange wir noch spielen. Sowas gehe ich immer erst an, wenn die Offseason wirklich einsetzt.“
Dass die Spieler sowohl Körper als auch Geist ruhen lassen, ist für Julian Morche ein elementarer Bestandteil des Sommerprogramms. „Nach der letzten Begegnung sollen die Jungs im Idealfall vier bis sechs Wochen komplett frei machen, oder maximal unter geringer Belastung trainieren“, verrät der Baskets-Athletiktrainer. „Die genaue Dauer der Pause hängt dabei von dem individuellen Grad der Erschöpfung ab.“ Ein Wort, das trotz aller mannschaftlicher Verbundenheit und großem Wir-Gefühl innerhalb des Teams oft benutzt wird: Individuell. Morche setzt sich nach der Saison in Ruhe hin und analysiert die im Laufe des zurückliegenden Jahres gesammelten Daten der Baskets-Akteure. „Grundsätzlich wollen wir, dass die Spieler auf ihren Körper achten und im Sommer bereits die Grundlage dafür legen, um in der Vorbereitung den Fokus auf die technisch-taktischen Inhalte richten zu können.“ Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nichts dem Zufall überlassen wird.
Ein Ansatz, den auch Mädrich teilt. Als der Big Man überlegt, wo es im Urlaub hingehen soll, gibt es für ihn ein paar einschränkende Bedingungen. „Sonne, Strand, Sand, Wasser, Meer … so sah meine Vorstellung aus“, berichtet er, und fügt lachend hinzu: „Aber da ich den Hintern eh nicht stillhalten kann, muss irgendwo auch ein Fitnessstudio in der Nähe sein.“ Mit anderen Worten: Vorausschauende Buchung ist der Schlüssel für eine gute Saisonvorbereitung. Mädrich: „Ich bin einfach zu sehr Profi, um den Schlendrian einsetzen zu lassen. Wenn ich im Juni und Juli nichts mache, wird die Preseason umso härter.“ Ergo liegt im Koffer neben Badehose und gutem Lesestoff auch ein TRX-Band sowie ein detaillierter Trainingsplan.
Eine gute Stunde sitzen Mädrich und Morche zusammen, gehen die gesamte Urlaubszeit gemeinsam durch und stimmen gemeinsam ab, welche Übungen der Pivot zwischen Palmen und Wellengang machen will und soll. „Die athletische Komponente ist dabei nur ein Aspekt unter vielen“, ergänzt Bogdan Suciu, Teambetreuer und Physiotherapeut der Telekom Baskets. „Julian, die medizinische Abteilung, unser Osteopath Mark Schröder und ich sprechen uns zusammen ab, wie die Offseason hinsichtlich der Fitness der Spieler möglichst sinnvoll gestaltet wird. Die Jungs bekommen von uns einen sauberst ausgearbeiteten Plan, damit sie klar erkennen, was wir mit ihnen vorhaben.“ Besonders die Athleten, die schon 2014/2015 auf dem Hardtberg aktiv waren, können in der Vorbereitung auf die Vorbereitung besonders effektiv gesteuert werden. Suciu: „In der individuellen Therapiegestaltung wissen wir ganz genau, worauf der jeweilige Körper reagiert, wo die Schwachstellen liegen und können die Trainingsbelastung viel besser steuern. Der große Knackpunkt dabei ist jedoch, nach der Pause den Wiedereinstieg gewissenhaft zu koordinieren, um dem Körper nicht zu schaden.“
Nichts ist schlimmer, als wenn ein Sportler nach einer erholsamen – und wohlverdienten - Pause direkt voll durchstartet. „Grundsätzlich ist es ja ein gutes Zeichen, wenn die Jungs trainieren wollen“, konstatiert Morche. „Aber sie müssen auch verinnerlichen, dass spätestens ab der Saisonvorbereitung kein Raum mehr bleibt, um mental eine zeitlang abzuschalten. Gleichzeitig gilt es, im Sommer langsam und dosiert die Intensität wieder hochzufahren.“ Das gilt auch für Spieler, bei denen nach den Playoffs noch nicht feststand, ob sie auch 2015/2016 auf dem Hardtberg auflaufen würden. Morche: „Für Geno haben wir einen Sechs-Wochen-Plan erstellt, bei dem die Belastung über drei Stufen kontinuierlich angezogen wird.“ Will heißen, dass der Baskets-Staff in Vorleistung gegangen ist. „Wir wussten nicht, ob er zu uns zurückkehrt, wollten aber sicherstellen, dass er für den Fall der Fälle in ordentlicher Form nach Bonn kommt“, so Morche weiter, und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wenn Geno sich anders entschieden hätte, wäre von seinem neuen Verein mindestens ein Dankesschreiben fällig gewesen.“
Der legendäre Coach John Wooden sagte einst: „The true test of a man’s character is what he does when no one is watching.” Die einsamen Stunden im Kraftraum, in der Halle oder auch am pazifischen Strand mit dem an der Palme befestigten TRX-Band bringen nicht den großen Ruhm. Sie sind auch nicht immer schön. Aber sie zeugen von einer guten, einer professionellen Einstellung und der individuellen Hingabe für das mannschaftliche Ziel. „Am Ende des Tages weißt du, wofür du dich schindest“, schließt Mädrich. „Du willst guten Basketball spielen. Dazu gehört, sich im Sommer fit zu halten – zumal die eigentliche Saisonvorbereitung dadurch leichter fällt.“ Bis die Spieler über die Preseason hinaus ihre richtige, bestmögliche Basketball-Form erreicht haben, vergehen erfahrungsgemäß zusätzliche Monate. Abgesehen von Teamchemie und taktischen Dingen, die sich erst einpendeln müssen, birgt vor allem der Spielrhythmus zwischen Oktober und Dezember einige Unwägbarkeiten. „Durch den internationalen Wettbewerb und die damit verbundenen Reisen haben wir im laufenden Betrieb nur eingeschränkte Trainingsmöglichkeiten und arbeiten idealerweise nur noch am körperlichen Feinschliff“, fügt Morche an. „Das zeigt nochmals auf, wie elementar wichtig es ist, im Sommer die konditionellen und kraftbasierten Grundlagen zu schaffen.“
Zwischen Saisonstart und Beginn der Offseason liegen mindestens acht Monate. Da bleibt keine Zeit, um die Füße hochzulegen und die Seele baumeln zu lassen. Ja, das Leben als Profi-Basketballer ist unverschämt anstrengend. Nur gut, dass die darauffolgende Sommerpause ausschließlich der Erholung und Entspannung dient – der einzige Haken daran ist, dass dem überhaupt nicht so ist.