My Way
Kenne deinen Feind: Richard Freudenberg
Die Botschaft ist beinahe unverschämt. Frech. Passend zum Image. Der Club wirbt mit dem Schlagwort #MadeInFrankfurt für die eigene Nachwuchsarbeit, doch mit Phil Scrubb (27 Jahre, 34:40min) und Tez Robertson (33, 34:04min) reißen ligaweit zwei Veteranen die meisten Minuten auf dem Parkett ab. Dem erst 19-jährigen Richard Freudenberg kann dies egal sein, denn er konzentriert sich mehr denn je auf sich selbst – um den in sein Talent gesetzten Hoffnungen gerecht zu werden.
Bislang ist das Frühjahr 2018 für Richard Freudenberg ruhig verlaufen. Verdächtig ruhig. Ein Umstand, der bei genauerer Betrachtung so gar nicht in seine Vita zu passen scheint. Immerhin verkündete der Small Forward erst im vergangenen April, dass er nach nur einer Saison am College die Zelte in den USA abbricht und zurück nach Deutschland kehrt. Anno 2016 gewann er erstmals in der DBB-Historie das renommierte Albert-Schweitzer-Turnier. 2015 strich er – als Jahrgangsjüngster – mit dem FC Bayern München die NBBL-Meisterschaft ein. Und 2014, mittlerweile immerhin vier Jahre in der Vergangenheit liegend, war er federführender Teil eines in die Geschichtsbücher eingehenden JBBL-Halbfinales.
„Auch heute noch, vier Jahre später, bekomme ich öfters von Trainern zu hören, dass dies das beste Jugendspiel gewesen sei welches sie jemals gesehen haben“, berichtet Freudenberg. „Aber ich habe mir noch einige Zeit danach selbst vorgeworfen, dass ich den Wurf zur zweiten Verlängerung nicht gemacht habe.“ So unterliegt der FCB schlussendlich dem späteren U16-Champ aus Quakenbrück mit 88:90. Freudenberg liefert das volle Paket ab: Defense, Rebounds, starkes Entscheidungsverhalten im Angriff samt kaum zu verteidigendem Midrange Game – zusammengefasst in 37 Punkten und 16 Rebounds in kräftezehrenden 42:04 Minuten. Auf der Gegenseite schrammt Isaiah Hartenstein mit 30 Zählern, 16 Rebound und sieben Blocks nur knapp an einem „Triple-Double“ der besonderen Art vorbei. Zum Zünglein an der Waage zugunsten der Drachen wird jedoch Jan Mügge, der schlanke neun Dreier einnetzt und damit einen bis heute gültigen JBBL TOP4-Rekord aufstellt. Freudenberg: „Die Partie hatte einfach alles.”
Some day you’ll see things my way
Cause you never know
Als Wiedergutmachung für den entglittenen U16-Titel gibt es im Frühjahr 2015 für die Bajuwaren erstmals in der Historie des ehrgeizigen Programms eine NBBL-Meisterschaft zu feiern. Freudenberg markiert im Finale – gegen Frankfurt mit Niklas Kiel und Armin Trtovac – charmante 24 Punkte sowie fünf Rebounds und führt München damit zum 69:59 – Auszeichnung zum MVP (wertvollster Spieler) inklusive.
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Auf 2,04 Meter in die Höhe geschossen soll nicht bei den Rot-Weißen, sondern in Übersee die nächste Sprosse der Entwicklungs-Leiter genommen werden. „Die Verantwortlichen waren vorab sogar zweimal in Deutschland, um mich vor Ort zu scouten und mit mir zu sprechen“, sagt Freudenberg über seinen ersten Kontakt mit der St. John’s University in New York. Als er im Sommer 2016 in den niemals schlafende Stadt umsiedelt, ist er nicht der einzige Europäer im Team von Ex-Dream Teamer Chris Mullin. Neben Freudenberg schließen sich auch Yankuba Sima (’96, Spanien) und bereits im Sommer zuvor Federico Mussini (’96, Spanien) dem “Red Storm” an. Doch die Rechnung, internationale Talente zusammen zu bringen und ihnen einen amerikanischen Stil aufzudrücken, geht nicht auf. Der Deutsche steht in 26 Spielen nur durchschnittlich 9:20 Minuten auf dem geheiligten Parkett des Madison Square Garden und kommt dabei auf 1,3 Punkte sowie 1,4 Rebounds pro Partie.
Auch wenn die Saison 2016/2017 sportlich alles andere als ein Erfolg für Freudenberg ist, so nimmt er viel aus dem Jahr im “Big Apple” mit – vor allem menschlich. „Es war eine spannende Erfahrung, eine Stadt wie New York erleben zu können und abseits des gewohnten Umfelds auf eigenen Füßen zu stehen“, gibt er zu Protokoll. „Basketballerisch sind wir zu oft aus dem System ausgebrochen und in Eins-gegen-Eins-Situation verfallen. Vielleicht war es einfach das falsche College für mich.“ Eine Sichtweise, die auch Sima und Mussini teilen. Der spanische Center wechselt in der Folge an die Oklahoma State University, der italienische Point Guard kehrt in die Heimat zu Reggio Emilia zurück. Und der Deutsche: Von der Börse an der Wall Street zu den Wertpapierhändlern am Börsenplatz.
And I will give up everything
To be on my own again
Ein interessanter, jedoch nicht komplett risikobefreiter Schritt. “Als ich vor einem Jahr zurück kam, hatte ich ein wenig die Befürchtung, nach der NCAA eventuell in ein Loch zu fallen“, gesteht Freudenberg heute. Doch das komplette Gegenteil ist in Frankfurt der Fall. „Ich wurde hier super aufgefangen, und dadurch ist auch der Spaß am Basketball zurückgekommen.“ Und der Ehrgeiz, es sich selbst zu beweisen, nochmals geschürt. Der junge Flügel braucht seine Zeit, um sich an die Gangart in der BBL zu gewöhnen. Braucht das ihm vom Trainerteam entgegengebrachte Vertrauen, um zu seinem Spiel zu finden. Freudenberg: „Hier bekommt jeder das, was er verdient und sich im Training erarbeitet. Dazu gehört aus Sicht von Coach Gordon Herbert vor allem, dass du in der Defense deinen Mann stehen und deinen Gegenspieler vor dir halten kannst.“
Ein Segen, dass mit Tez Robertson ausgerechnet einer der besten Verteidiger der Beletage ebenfalls im Kader der Skyliners steht. „Er hat so wahnsinnig schnelle Hände und kennt jede noch so kleine Tricks, die du als Youngster nur lernst, wenn du sie im Training täglich am eigenen Leib zu spüren bekommst“, lacht Freudenberg. „Tez bringt dich als Angreifer gern aus der Balance, so dass du nicht in deinen Rhythmus kommst oder die Ballannahme schwieriger wird.“ Eine zwischenzeitliche Verletzung zwingt den 19-Jährigen, den in der Hinrunde langsam aufgenommenen Schwung vorerst von der Bank aus in Unterstützung für die Mannschaftskollegen umzuwandeln. Knochenprellung plus gezerrtes Kreuzband und Innenbandanriss im Knie bedeuten eine Schaffenspause von sieben Spielen. Eine Unterbrechung, die nicht gewollt war, aber scheinbar dennoch positive Auswirkungen hat. In den sechs Begegnungen seit seiner aktiven Rückkehr aufs Feld wird immer öfters sichtbar, warum diverse Scouts nicht nur wegen Isaac Bonga in der Bankenmetropole aufschlagen. So trägt er 16 Punkte bei einer Feldwurfquote von 70 Prozent (7/10) zum 78:77-Erfolg über Ulm bei. Ein Fingerzeig in Richtung der Veteranen, dass ihre Minuten auf dem Feld zukünftig vielleicht weniger opulent ausfallen. Und mit einem Run auf die Playoff-Ränge stünde die potenzielle Geschichte parat, welche auch das Frühjahr 2018 für Richard Freudenberg zu einem besonderen machen würde.
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