Shoot 'Em Up
Benas Veikalas und Robert Vaden lassen Dreier regnen
Gegensätze ziehen sich an, so heißt es. Das ist auch beim Basketball so. Zumindest ein Stück weit. Gegensätze können sich aber auch ergänzen, können zu einer explosiven Mischung werden und ihre Spuren hinterlassen. Im Fall von Benas Veikalas und Robert Vaden sind dies in der Regel Treffer von „Downtown“ die bei den Fans der Telekom Baskets Bonn regelmäßig Jubelstürme auslösen.
Der Grund für die Euphorie der rheinischen Anhängerschaft ist stets gleich. Der Spalding verlässt jenseits der 6,75 Meter-Linie die Hand seines Absenders und gleitet am Ende einer Flugkurve wie aus dem Lehrbuch durch den Ring. Ein Wurf, ein Treffer, ein kollektiver Aufschrei. Ob der Ball dabei von Robert Vaden oder Benas Veikalas abgefeuert wurde, macht zunächst keinen Unterschied. Beide haben sich im Laufe ihrer Karriere einen Ruf als gefährlicher Schütze erarbeitet. Ein Ruf, der viel mit Talent, aber auch harter Arbeit und guten Instinkten zu tun hat. Doch der Blick aufs Detail verrät, dass der Litauer und der Amerikaner grundverschieden sind - was jeden für sich umso wertvoller für das Team macht. Iss mehr Gemüse! Robert Vaden dabei zu beobachten, wie er zum Schuss hochgeht, ist, wie einer Maschine bei der Verrichtung ihrer Arbeit zuzusehen. Die Bewegung, angefangen von der Platzierung der Füße über den Absprung bis hin zur Stabilisierung des Oberkörpers und der finalen Streckung des Wurfarmes, wirkt stets kraftvoll. Die Technik des 28-Jährigen definiert sich beileibe nicht über Ästhetik, und doch hat sie ihren ganz eigenen Reiz. Kann er frei abdrücken, spult Vaden den immer und immer wieder gleichen Bewegungsablauf runter. Dieser verändert sich auch nicht, wenn ihm ein Verteidiger auf den Füßen steht oder die Hand vors Gesicht schiebt. „Bei mir kommt so viel aus dem Oberkörper, dass ich nur auf den richtigen Moment warten muss, um abzudrücken“, erläutert der Shooting Guard. „Mein Wurf lief schon immer über die Kraft. Deswegen hat es auch nichts gebracht, dass meine Coaches früher versucht haben, meinen sehr nach außen abgewinkelten Ellbogen mehr nach innen zu bringen.“ Mit durchschnittlich 13,4 Zählern pro Partie ist er der beste Punktesammler der Telekom Baskets, wobei sich der Großteil seiner Ausbeute durch Treffer aus der Distanz ergibt. Die 168 auf den Weg gebrachten Dreiern sind ligaweit die zweitmeisten Schüsse von „Downtown“ - nur Ludwigsburgs Nationalspieler Lucca Staiger hielt bis dato öfter drauf (173). Satte 2,4 Dreier netzt Vaden pro Spiel ein, nicht weniger als 52,8 Prozent seiner Würfe nimmt er von weit außen. „Wichtig ist, dass du als Schütze immer mit dem gleiche Level an Konzentration und Selbstvertrauen auf dem Feld bist“, verrät er. „Ganz egal, ob du zuvor getroffen oder verworfen hast, du musst bei jedem Wurf den Glauben daran haben, dass du ihn rein machst. Bei mir ist es so - und das wird jeder gute Schütze von sich selbst behaupten - dass ich von mir denke, der beste Werfer auf dem Feld zu sein.“ Sicher kann der Glaube an eine bestimmte Sache im sprichwörtlichen Sinne Berge versetzen. In der Realität gehören zudem noch eine ganze Menge Schweiß und Arbeitseifer dazu. Vaden: „Ich habe schon in der Highschool gemerkt, dass ich ganz gut werfen kann. Aber richtig konstant wurde ich erst während meiner Zeit auf dem College, als ich ein Jahr aussetzen musste.“ Nach seiner Sohomore-Saison an der University of Indiana wechselte der 1,96 Meter-Mann an die University of Alabama-Birmingham, wo er nach den Regularien der NCAA ein Jahr pausieren und nicht am Spielbetrieb teilnehmen durfte. „Ich stand trotzdem andauernd in der Halle und habe an meinem Schuss gearbeitet, habe 500 bis 1.000 Würfe pro Tag genommen“, erinnert er sich zurück. Dort erschuftete er sich die Grundlage für das, was sich aufgrund der zahllosen Stunden und unendlichen Wiederholungen auf die motorische Festplatte gebrannt hat. „Ich liebe Situationen, in denen ich aus dem Catch-and-Shoot heraus abdrücken kann“, verrät Vaden. „Wenn sich alle auf dem Feld gut bewegen, den Ball laufen lassen und du den Ball im richtigen Rhythmus aufnehmen und schießen kannst ... herrlich.“ Wer so gut ist, muss jung angefangen haben Alles ist im Fluss. Der Ball gelangt in einer perfekten Bewegung nach dem letzten Dribbling zurück in die Führhand, wird vor der Brust entlang ohne Zwischenstop weiter nach oben über Kopfhöhe gebracht und nimmt von dort seinen Weg in Richtung Korb. Die rechte Schulter leicht vorgeschoben, den Arm komplett gestreckt, die Fingerspitzen, über die der abrollende Ball die Hand verlässt, greifen aus der Distanz symbolisch in den Korb. Benas Veikalas beim Wurf zu beobachten, ist ein Genuss. Ein Gedicht der Technik und des perfekten Timings. Der Litauer springt nicht ab, um am höchsten Punkt zu verweilen und erst dann abzudrücken. Der Wurf des Guards gleicht einer ganzheitlichen Streckung, die dem Ball bei voller Entfaltung das bestmögliche Drehmoment mit auf den Weg gibt. „Das ist etwas, das ich mir in vielen Extraschichten vor oder nach dem Training erarbeitete habe“, berichtet Veikalas. „Aber die Grundvoraussetzung für einen Werfer ist, dass er eine ganz bestimmte Mentalität mitbringt. Du musst immer daran glauben, dass der nächste Schuss rein geht. Und wenn er nicht fällt, dann tut es eben der nächste.“ Veikalas weist mit einer Dreierquote von 44,1 Prozent den besten Wert aller Baskets-Akteure auf. Das Vertrauen in den eigenen Schuss, gepaart mit dem Glauben der Mitspieler in die Qualitäten des Litauers, führen dazu, dass fast zwei Drittel aller Würfe des 29-Jährigen von jenseits des Perimeters kommen. „Dieses Jahr gehe ich vielleicht etwas weniger als Brett als früher, aber das ist auch immer ein wenig davon abhängig, wie das Team aufgestellt ist.“ Wobei er nicht die Fähigkeit verloren hat, den Ball aufzusetzen und den Korb per Dribbling zu attackieren. „Solange du für die Verteidigung unberechenbar bist, eröffnen sich für dich weitaus mehr Möglichkeiten“, beschreibt Veikalas. „Und irgendwann bist du an dem Punkt, wo du dir fast aussuchen kannst, ob du den Schuss nimmst oder per Penetration abschließt.“ Der Lieblingswurf des Litauers kommt allerdings aus dem statistischen Niemandsland, das viele Trainer zu vermeiden suchen. Gemeint ist der Bereich zwischen Dreierlinie und Zonenrand, wo die Trefferquote bei vielen Spielern traditionell rapide in den Keller geht. Genau dort hält sich Veikalas besonders gern auf. „Ich liebe es, den Verteidiger an der Dreierlinie mit einer Täuschen an mit vorbeifliegen zu lassen, ein Dribbling nach vorn zu machen und dann zu werfen. Durch das eine Dribbling bekomme ich genau den Rhythmus, den ich haben will, um meine Füße richtig zu stellen und aus der Beugung der Knie heraus die Wurfbewegung einzuleiten.“ Es geht doch nichts über gute Handarbeit Gemeinsam stellen Benas Veikalas und Robert Vaden eine der gefährlichsten Flügelzangen der Beko Basketball Bundesliga dar. Von den im Laufe der Saison versenkten 232 Bonner Dreiern gehen über die Hälfte auf das Konto des schussgewaltigen Duos (124, 53,4 Prozent). „Es ist gut, wenn du einen starken Schützen neben dir hast“, so Veikalas. „Das macht nicht nur das Team weniger ausrechenbar, vor allem aber macht es dich selbst besser. Denn du hast jemanden in der Kabine wenige Plätze neben dir sitzen, der ebenfalls gut ist und mit dem du dich täglich messen kannst.“