Verteilerstation
Ab in den Zahlenwald … und mit Minuten im Gepäck wieder heraus.
Eine Saison ist lang. Sie ist ermüdend und auslaugend. Sie ist fordernd. Für Körper und Geist. Vor allem für Mannschaften mit legitimen Playoff-Ambitionen. Zumal bei den meisten dieser Vertreter noch der internationale Wettbewerb hinzukommt, der für eine zusätzliche Belastung sorgt. Wohl dem, der einen umsichtigen Strategen an der Seitenauslinie stehen hat, der stets ein wachsames Auge auf die Minutenverteilung seiner Schützlinge hat.
Grundsätzlich gilt es bei der Betrachtung dieser Thematik unterschiedliche Variablen zu berücksichtigen. Wie dick ist die Personaldecke eines Clubs? Wie stark ist das Leistungsgefälle innerhalb eines Kaders? Wie viele Spieler mussten verletzungsbedingt aussetzen, wie viele Akteure entsprechend die entstandene Lücke auf dem Feld schließen? Wurde im Laufe einer Saison personell nachgelegt? Ist das Team so stark, dass es bei möglichst ausgeglichener Minutenverteilung dennoch in die Postseason einzieht, oder müssen die „Go-to-Guys“ fast zwangsläufig länger spielen, um das begehrte Playoff-Ticket überhaupt erst einheimsen zu können?
Die aktuell auf einem (virtuellen) Playoff-Platz rangierenden Mannschaften bilden einen sehr guten Querschnitt nahezu aller gängigen Möglichkeiten ab. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass alle Bundesliga-Coaches darauf achten, welche Akteure wann und wie lange auf dem Feld stehen. Von den zehn Spielern, die ligaweit durchschnittlich am längsten ran müssen, rekrutieren sich lediglich deren drei aus den Reihen der Playoff-Anwärter. Neben dem „ewigen“ Rickey Paulding (Oldenburg, 31:36min) komplettieren Frankfurts Phil Scrubb (34:40min) und Quantez Robertson (33:27min) dieses Trio – und stehen sinnbildlich für einen Extremfall.
Die Hessen sind in der laufenden Spielzeit extrem verletzungsgebeutelt. Außer Robertson – immerhin mittlerweile 33 Lenze alt – hat kein weiterer Skyliner alle 29 Partien bestritten. Vor allem das talentierte „Dreigestirn“ um Isaac Bonga (Jahrgang ´99, 24 Spiele), Richard Freudenberg (´98, 18 Spiele) und Niklas Kiel (´97, 5 Spiele) stand aufgrund von Verletzungen nur teilweise bis fast gar nicht zur Verfügung. Wie hart Frankfurt getroffen ist, zeigt die Tatsache, dass im gesamten Oberhaus lediglich einen weiteren Verein das gleiche Schicksal ereilt hat – für Ulm machte allein Nationalspieler Ismet Akpinar bislang keine Pause.
Im Gegensatz dazu konnten die Telekom Baskets Bonn bis dato personell meist aus dem Vollen schöpfen. Mit Ausnahme des langzeitverletzten Jordan Parks (Knie) sorgten nur kleinere Blessuren wie bei Konstantin Klein (Fußgelenk) und Nemanja Djurisic (Daumen) dafür, dass Coach Predrag Krunic seine Rotationen ändern musste. „Grundsätzlich richtest du deine Saison nicht danach aus, dass ein bestimmter Spieler nur eine gewisse Anzahl an Minuten gehen soll. Vielmehr leitet sich das aus der Art und Weise ab, wie du taktisch Basketball spielen willst“, sagt Krunic. „Für uns war klar, dass es unbedingt mehrere Leute braucht, um eine kraftvolle Verteidigung aufs Feld zu bringen und gleichzeitig in Transition schnell nach vorn zu kommen.“ So hat sich im Laufe der vergangenen 29 Bundesliga-Begegnungen eine funktionierende Rotation eingeschliffen, mit der alle Beteiligten arbeiten können. „Oftmals müssen wir die Formationen an den zum Gegner passenden Gameplan anpassen. Wir sind in der Lage, auf einen tiefen Kader zurückgreifen zu können – und nutzen dies auch aus. Aber ganz wichtig ist: Wir rotieren nicht, damit jemand auf seinen Schnitt kommt, sondern um Spiele zu gewinnen.“
Das funktioniert in der Praxis außerordentlich gut. Mit Josh Mayo (27:12min), Julian Gamble (27:05min) und Tomislav Zubcic (25:04min) stehen nur drei Baskets-Akteure durchschnittlich länger als 25 Minuten pro Partie auf dem Parkett. Die Spieler selbst sind sich der Bedeutung der gut einzuteilenden Kraftreserven bewusst. „Wir tauschen uns viel darüber aus, wie wir meine Minuten im Rahmen halten können, ohne dabei meiner Produktivität etwas wegzunehmen“, beschreibt Josh Mayo. „Der Fokus liegt darauf, langfristig auf hohem Niveau spielen zu können – das geht einfach nicht, wenn du jeden Abend über 37 Minuten gehen musst.“ Zumal Bonn an beiden Enden des Feldes intensiv zu Werke geht. So zuletzt geschehen in Gießen, wo den gastgebenden 46ers nach er Pause nur noch 29 Zähler gestattet wurden, die Rheinländer selbst allerdings 43 Punkte auflegten. Mayo: „Bei uns weiß jeder, dass er sich auf den anderen verlassen kann und seine Pausen bekommt. Das macht es viel leichter, sich in weniger Einsatzzeit zu verausgaben, weil von der Bank jederzeit Entlastung kommt.“ So laufen die Baskets weniger oft im ‚roten Bereich‘, der die anschließende Regenerationsphase verlängern und die Intensität der folgenden Trainingseinheiten verkürzen würde. Ein Konstrukt, das maximal ausgereizt wird und von dem die acht Playoff-Teams hoffen, dass es vor Juni nicht zusammenbricht.