„Wenn der Ball am Boden ist, liege ich daneben“

Neuzugang Enosch Wolf im Interview

Mit 2,15 Metern ist Enosch Wolf körperlich eine ganz besondere Erscheinung. In guter Familientradition ist der Center ein echter Teamplayer. Einer, der sich nach verlorenen Bällen wirft und die Fünf auf dem Feld wild das Handtusch schwingend anfeuert. Beim Antritts-Interview berichtet der Baskets-Neuzugang von anstehende Herausforderungen, John Bryant und Beethovens „Für Elise“.

Enosch, du beginnst in Bonn deine Profikarriere. Was hat für dich zuletzt den Ausschlag zu Gunsten der Telekom Baskets gegeben? Enosch Wolf: „Mich hat insbesondere überzeugt, was Coach Fischer hier aufbauen und wie er die jungen deutschen Spieler in sein System mit einbeziehen möchte. Ihm ist sehr wichtig, die Deutschen nicht nur wegen der Quote im Kader zu haben, sondern sie auch spielen zu lassen. Die Vision, die er hat, finde ich super. Aber auch die Trainingsbedingungen in Bonn haben mich überzeugt. Aus meiner Zeit in den Staaten, wo speziell am College alles auf engem Raum stattfindet, bin ich dahingehend etwas verwöhnt. Hier gehe ich fünf Minuten und bin direkt in der Halle inklusive Kraftraum. Von der Tradition Bonns im deutschen Basketball ganz zu schweigen ... es ist ein idealer Ort für die erste Station als Profi.“ Du hast junge deutsche Spieler angesprochen. Im Oktober wirst du 23, würdest du dich damit selbst noch als „jung“ bezeichnen? „Es ist wahrscheinlich genau das Alter, in dem ein Spieler den Status „jung“ langsam verliert. Ich habe schon einige Zeit auf hohem Level gespielt, aber das Profigeschäft ist mich natürlich noch Neuland - von daher passt es doch irgendwie. Ich muss mich hier erstmal beweisen und zeigen was ich kann. Ich habe mich bewusst für Bonn entschieden, um die Herausforderung Beko BBL anzugehen, und auch die internationalen Spiele im Eurocup werden meiner Entwicklung gut tun.“ Du hast zweieinhalb Jahre für UConn in der NCAA gespielt, mit den Huskies 2011 die Meisterschaft gewonnen und vergangene Saison eine von ESPN übertragene Partie im Hangar einer amerikanischen Air Base absolviert. Was nimmst du neben diesen Höhepunkten sonst noch aus deiner College-Zeit mit? „Der tägliche Wettbewerb gegen andere Jungs in meinem Alter, wobei es auch da ganz unterschiedliche Typen gegeben hat. Ich habe jahrelang gegen NBA-Spieler rangemusst, durfte mich immer und immer wieder mit Andre Drummond (Detroit Pistons, die Red.) kloppen - er war einfach ein tierischer Brocken und herausragender Athlet. Gleiches gilt für Kemba Walker (Charlotte Bobcats, die Red.), der im College ein absolut dominanter Guard gewesen ist. Den musst du beim Pick-and-Roll erstmal gestoppt bekommen. Mir definitiv fehlen werden ein wenig die Spiele gegen andere Mannschaften, bei denen tolle Jungs gespielt haben, die sich auf NBA- oder hohem europäischen Niveau bewegt haben. Dafür warten jetzt mit Bonn ganz andere Herausforderungen auf mich...“ Wie viel hast du in deiner Zeit am College überhaupt vom deutschen Basketball mitbekommen? Oder hat dich deine Familie halbwegs auf dem Laufenden gehalten? „Leider fast gar nichts. Dafür blieb neben der Masse an Basketball und dem Studium einfach viel zu wenig Zeit. Was selbst in den USA angekommen ist, war Bambergs Dominanz, und auch was der FC Bayern München in den letzten Jahren abgezogen hat. Mit meinem Bruder habe ich hauptsächlich über seine Karriere gesprochen, nicht über irgendwelche Highlights aus der Bundesliga.“ Apropos: Bruder. Dieser hat 2010 nach dem Gewinn der NBBL-Meisterschaft auf der Gitarre „Lauda tu si“ angestimmt. Bist auch du musikalisch veranlagt? (lacht) Julius kann Gitarre spielen? Das muss ein sehr verborgenes Talent sein, wenn ich nichts davon weiß. Oder es war vielmehr die Luftgitarre, wer weiß. Was ich gerade so hinbekomme, ist der Anfang von „Für Elise“ am Piano oder Keyboard. Aber dann hört es auch schon auf...“ Zurück aufs Parkett: Was sind die Dinge an deinem Spiel, an denen du unbedingt arbeiten willst? „Mehr Physis wäre wichtig. Ich muss auf jeden Fall kräftiger werden, um am Brett noch stabiler zu sein. Ich habe in der Jugend und am College immer davon gelegt, dass ich für meine Größe relativ athletisch und flink war, dass ich gute Fußarbeit hatte. Das reicht jetzt aber nicht mehr. Wenn es gegen gemachte Männer geht, musst du einfach körperlich gegenhalten können. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass immer alles besser werden kann.“ Worauf freust du dich mit Blick auf die Saison 2013/2014? „Ich bin gespannt, zu sehen, was John Bryant alles kann. Ich habe ihn noch nie spielen sehen, aber vom Hörensagen scheint er wohl eine ganz besondere physische Erscheinung zu sein. Wir spielen gegen München einmal in der Vorbereitung und dann auch noch direkt zum Saisonauftakt - darauf freue ich mich ganz besonders.“ Was ist denn mit Ulm und Matt Howard? Immerhin habt ihr mit UConn seiner Alma Mater Butler 2011 den NCAA-Titel weggeschnappt. (überlegt kurz) „Stimmt, da war ja was. Wobei ich nicht wirklich denke, dass er mich kennt. Immerhin habe ich in dem Spiel keine Minute gesehen. Aber wer weiß, vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit, um über die damalige Zeit kurz zu quatschen.“ Letzte Frage: Auf was für eine Art Spieler kann sich das Bonner Publikum bei Enosch Wolf freuen? „Ich würde mich als Allrounder bezeichnen. Bis raus an die Dreierlinie ist mein Wurf recht solide. Aus dem Lowpost heraus passe und kreiere ich sehr gerne für meine Mitspieler. Aber was für mich selbst immer am wichtigsten ist, sind die Dinge, die später in der Statistik nicht auftauchen, im Spieler aber der ganzen Mannschaft helfen. Wenn der Ball auf dem Boden ist und ich im Umkreis von vier bis fünf Metern bin, kannst du davon ausgehen, dass ich eine Sekunde später daneben liege!“