"Wir brauchen nicht jammern"

Nach der Saison ist vor der Saison, diese Phrase trifft bei Coaches wohl am meisten zu. Und so trafen wir uns mit einem gut gelaunten Mike Koch, seines Zeichens Europameister von 1993, mehrfacher Deutscher Meister und jetzt Headcoach der Telekom Baskets Bonn auf ein Eis, um ein wenig mit ihm zu plaudern.

Worauf achtest Du bei der Teamzusammenstellung? Das Wichtigste ist natürlich, dass alle Spieler finanziell in den Rahmen passen. Zum Zweiten ist es eine charakterliche Sache, zum Dritten bevorzuge ich Spieler, die ich persönlich schon mal gesehen habe oder die ich sogar kenne. Bei John Bowler war es eine andere Sache, weil wir, um einen gestandenen Center zu bekommen, finanziell limitiert sind. Ich hätte auch gerne einen Darren Fenn geholt, aber solch einen Spielr können wir uns nicht leisten. Denn wenn wir auf dieser Position zuviel ausgeben, kriegen wir Probleme auf den restlichen Positionen. Um auf John zu sprechen zu kommen: Ich habe von ihm bisher nur Videos gesehen, aber durch Pete Miller haben wir Kontakte zu seinem Coach und gegnerischen Coaches und so kam dies halt zustande. Ich denke mit ihm haben wir zwar einen jungen, aber sehr talentierten Brettcenter. Schaust Du bei Spielerverpflichtungen ins Forum bzw. holst Dir dort Inspirationen? Nein, sicher nicht. Was ich mache, ist mir nach Verpflichtungen die Reaktionen der Fans durchzulesen. Das ist aber natürlich nicht ausschlaggebend dafür, wen wir verpflichten oder welche Spieler neue Verträge erhalten. Werden wir nächstes Jahr eine große Rotation sehen, oder eher eine kleinere mit Ergänzungsspielern? Sicher keine Zwölferrotation, aber meine Vorstellung sind 10 bundesligataugliche Jungs, von denen jeder in der BBL spielen kann. Außerdem wollen wir nicht unser ganzes Geld verpulvern, um bei Verletzungen oder bei sonstigem Bedarf reagieren zu können. Also ähnlich wie in diesem Jahr, als die Nachverpflichtungen von Kelecevic und Black folgten? Richtig. Denn die Verpflichtung von Terry ist sehr gut eingeschlagen und er hat uns noch mal einen richtigen Schub gegeben. Von daher planen wir mit 10 Spielern und werden den einen oder anderen Jugendspieler mit hoch nehmen, der dann wieder in der Regionalliga und in der Bundesliga zum Einsatz kommt, wie dieses Jahr John Stark, so dass wir dann einen 11er- oder 12er-Kader haben. Nach der Vertragsverlängerung von Jason Conley stellt sich uns die Frage, auf welcher Position Du ihn nächstes Jahr siehst. Also eher die 2 oder doch die Position 3? Weil Jason offensiv alles mitbringt für die Position 3, oder sucht ihr noch nach einem Small Forward? Genau in diesem Nachdenkprozess sind wir auch gerade. Die Frage wird sein, für welche Position wir den besseren Spieler bekommen. Jason ist variabel, für ihn ist es wahrscheinlich einfacher, einen Flügelspieler zu verteidigen als einen schnellen, kleineren Spieler, der ihm auf der Position 2 gegenüber steht. Ob er im Angriff die Position zwei oder drei spielt, ist nicht von Belang, denn durch seine Athletik kommt er an einem Dreier vorbei und bei einem Zweier könnte er aufposten. Aber da schauen wir, für welche Position wir den geeigneteren Spieler finden. Was uns generell vorschwebt, ist dass die Spieler viel mehr switchen: Bowler kann die Positionen 4 und 5 spielen, Jason 2 und 3, Flomo 4 und 5. Sprich, wenn ein langsamer 5er gegen uns spielt, kann er die Centerposition spielen und seine Schnelligkeit ausnutzen. Es könnte auch ein Pointguard sein, der aber auch genauso gut die Position 2 spielen kann. Oder ein Power Forward, der ein wenig zur Position 3 tendiert, damit er auch mal einen Wurf von außen" nehmen kann. Davon bin ich wirklich ein Fan. Was für eine Rolle spielt eigentlich Karsten Schul bei der Teamzusammensetzung? Wir telefonieren schon häufiger, aber das bei jedem Spieler zu machen wäre Quatsch, da ich momentan täglich 30 Mails bekomme mit irgendwelchen Namen und Videos und da sortiere ich schon selbst erst mal aus. Wenn wir das bei jedem machen würden, säßen wir 24 Stunden am Telefon. Wir wissen beide, wie unsere Mannschaft in etwa aussehen soll. Aber die Vorauswahl treffe ich. Es sei denn, Karsten kommt mal mit einem Namen oder ich kann ihn bei Spielern, die zurückkommen wollen, befragen. Zudem kennt er hier das Umfeld besser, einfach weil er schon länger hier ist. Aber die letzte sportliche Entscheidung treffe ich. Helfen Dir denn Deine Stationen als Spieler auch jetzt bei den Kontakten zu Spielern? Schaust Du zum Beispiel in Griechenland, wo Du selbst gespielt hast, oder ist diese Liga generell zu teuer? Auf jeden Fall, also wenn ein Spieler in Italien 20 Punkte macht und 5 Rebounds holt, dann ist er für Bonn zu teuer. Oder Spieler, die die Ambition haben, in Europa weiter zu kommen, also im ULEB-CUP oder in der Euroleague spielen wollen, da sind wir logischerweise auch schon aus dem Rennen. Meine Erfahrung als Spieler hilft mir da also noch nicht so weiter. Ich habe meinen Stamm von Leuten und Agenten, die ich kenne, mit denen ich zusammenarbeite und das läuft ganz gut. Ich halte nichts davon, jedem Agenten zu antworten, der dir schreibt. Das bringt aus meiner Sicht nichts, dann lieber einen Stamm aufbauen, der aus 10 bis 12 Agenten besteht. Damit sich dort eine Vertrauensbasis entwickeln kann, wo Du weißt, da kommt was rüber und mit denen kann man zusammenarbeiten. Was für eine Art von Pointguard stellst Du Dir denn im nächsten Jahr vor? Ein Scorer, ähnlich wie Wisniewski, oder eher ein Ballverteiler? Das hängt natürlich davon ab, wie man die Back-Up-Position besetzen kann, aber ich persönlich glaube nicht, dass einer wie Wiz uns weiterhelfen kann. Ich glaube, wir brauchen einen, der das Spiel führen kann, der punkten kann, aber nicht der BBL-Topscorer ist. Klar, er kann unser Topscorer sein, aber eben nicht der der ganzen Liga, der dann kaum mehr Assists geben kann. Eben einer, der das Spiel lesen kann. Andrew war bzw. ist, mit Sicherheit ein Klassespieler, aber er ist noch jung und noch kein ausgefeilter Pointguard. Er ist ein Scoring Guard, was uns teilweise sehr geholfen hat, teilweise aber auch behindert hat. Ich denke, dass wir jemanden holen, der die Führungsrolle übernehmen kann und die anderen mit Bällen versorgt. Ist es ein großes Problem bei der Spielerverpflichtung, dass wir nächstes Jahr nicht europäisch spielen? Das kann bei manchen Spielern ein Problem sein, gerade bei Spielern, die in der Entwicklung und die in der aufsteigenden Phase sind. Aber im Großen und Ganzen sehe ich da kein Handicap, da der Spielermarkt enorm groß ist. Also ich denke nicht, dass der Kader schlechter wird, weil wir nicht europäisch spielen. Du hast ja bereits angesprochen, dass Bonn bei den ganz großen Spielernamen die finanziellen Mittel fehlen. Gibt es Tendenzen, ob der Etat noch kleiner wird? Erstmal brauchen wir deswegen nicht zu jammern, es wird immer Vereine geben, die mehr oder weniger Geld haben als wir, aber ich bin nicht der Typ, der sich beschwert". Warum haben wir bloß einen so kleinen Etat und Bamberg hat das X-fache" - eine häufige Frage mal als Beispiel. Das ist nun mal so und damit müssen wir umgehen. Wir wollen wieder angreifen, wir bauen, so hat es mir unser Präsident Wolfgang Wiedlich erklärt, mit einem großen Eigenkapitalanteil eine neue und vor allem eigene Halle, wir wollen bald wieder europäisch spielen. Wenn das mit der Halle klappt und wir uns in naher Zukunft europäisch qualifizieren, dann wird sich auch der Etat wieder erhöhen. Und dann haben wir auch wieder bessere Chancen. Aber wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, nur weil andere Klubs mehr Geld haben. Es gibt eben auch Teams, die einen noch kleineren Etat haben als Bonn, und die müssen auch Mannschaften zusammenstellen und schaffen das Jahr für Jahr. Und wir werden auch mit unserem Etat wieder eine hungrige Mannschaft formen, die konkurrenzfähig sein wird. Kann denn im Gegenzug dazu die neue Halle helfen? Jetzt bestimmt noch nicht. Dafür gibt es zu viele Einjahresverträge und zu wenig Vereine, die auf Kontinuität bauen. Dies zu ändern geht nicht von heute auf morgen, aber wir arbeiten daran. Wir haben ja jetzt auch den Vertrag mit Artur verlängert, John Bowler hat einen Einjahresvertrag mit Option bei uns auf ein Zweites unterschrieben, genauso Jason. Die neue Halle hat den Riesenvorteil, dass sie dann den Baskets gehört. Wenn dort Fans Bier oder Limo trinken oder etwas essen, geht der Gewinn zu einem großen Teil in den Teametat, was bei Multifunktionshallen, bei denen man nur Mieter ist, anders ist. Stichwort Kontinuität: Wie wichtig ist in dem Zusammenhang die Jugendarbeit? Immerhin sind die Telekom Baskets fast der letzte Verein in der BBL, der noch eigene Jugendteams fördert. Die Jugendarbeit ist sehr wichtig in jedem Verein. Jedoch ist in Deutschland derzeit das Problem, dass es zu wenig wirklich talentierte deutsche Spieler gibt. Die Kooperation mit Rhöndorf in der NBBL ist da ein richtiger Weg. Und dann natürlich das lang ersehnte neue Ausbildungszentrum im geplanten Hallenkomplex. Bonn hat für ein NBBL-Team nicht genügend Spieler, um eine Mannschaft zu bilden und Rhöndorf auch nicht. Im Augenblick ist der Sprung von der zweiten Regionalliga zur Bundesliga einfach zu groß, denn es gibt kaum einen deutschen Jugendlichen, der mit 20 in der Bundesliga spielen kann. Deswegen brauchen wir ein durchgängiges Konzept. Denn es nutzt doch nichts, wenn ich als Trainer der ersten Mannschaft Spieler hoch hole, die dann nur auf der Bank sitzen. Und zudem muss es für Deutsche die Möglichkeit geben zu spielen. In der zweiten Liga gibt es gerade mal die Begrenzung, 2 Amerikaner einsetzen zu dürfen, in der Regionalliga gibt es sogar überhaupt keine Ausländerbeschränkung. Dann darf man sich nicht wundern, wenn man mit 5 Jugoslawen, 3 Amerikanern und einem Deutschen dort spielt. Die Regelung, dass jedes Team deutsche Spieler haben muss, wie sie jetzt in der BBL herrscht, sollte mindestens bis zur Regionalliga durchgezogen werden. In der ersten Liga ist es meiner Meinung nach egal, weil es sowieso nicht genügend junge deutsche Spieler gibt, die man einbauen kann. Dieses Jahr sind es zwei, nächstes Jahr drei, aber finde die erst mal. Hast Du als Trainer schon ein sportliches Ziel für nächste Saison? Ja schon, ich denke wir sollten die Playoffs auf jeden Fall erreichen, haben wir ja dieses Jahr auch. Und zudem sollten wir den siebten Platz verbessern. Das ist mein persönliches Ziel, das ich an mich und an das Team stelle. Was für ein Spielsystem bevorzugst Du denn? Eher das schnelle Spiel (Early Offense, Fastbreak) oder mehr Setplay? Das hängt natürlich davon ab, welche Spieler man hat. Wir werden verteidigungsmäßig viel variieren, was die Systeme angeht, auf jeden Fall mehr als dieses Jahr. Dieses Jahr haben wir durch die Saisonvorbereitung etc. viel mehr Zeit. Wir werden auf jeden Fall aggressiver als letztes Jahr verteidigen. Ich erinnere mich zum Beispiel an Quakenbrück, als wir die Boxverteidigung ausgepackt haben, da weiß der Gegner zunächst nicht, was er machen soll. Wie sieht denn Mike Kochs Tagesablauf vor einem Match aus? Was Besonderes? Nein, nicht wirklich. Sofern wir zu Hause spielen am Mittag ein Nickerchen halten, aber ansonsten…Klar, wenn man gewonnen hat, zieht man vielleicht das gleiche Jacket noch mal an... Ich bin nicht der, der Samstagmittag immer noch da sitzt und noch mal Videos guckt, sondern ich versuche nach dem Abschlusstraining am Freitag sogar ein wenig wegzublenden. Sprich, ich mache was anderes, um am Abend wieder frisch zu sein. Du bist ja mehr so der Kumpeltyp bzw. Du kommst so rüber, dass Du kein Coach bist, der mit der Peitsche beim Training erscheint. Aber mal angenommen, das Team spielt richtig schlecht, kann es in der Kabine dann auch mal scheppern? Naja, also es gab beides. Aber es bringt nichts, wenn Du das bei jedem Spiel machst. Denn sonst verlierst Du Aufmerksamkeit und die Spieler stellen sich drauf ein. Aber das gab es schon. Auch dass ich mir Spieler einzeln zur Brust genommen habe. Denn es bringt nichts, dann die Mannschaft anzuschreien, sondern Du musst dann auch den Einzelnen den Kopf waschen. Aber ich bin ein von Grund auf positiver Trainer. Was war denn dein Highlight als Coach? Ja, Quakenbrück war schon irre. Weil wir uns schon vorher gedacht haben, wir brauchen generell einen Spielzug für die letzten Sekunden. Gott sei Dank hat Karsten nach einigem Suchen seinen Zettel wieder gefunden . . . Da lässt man dann auch gerne mal Emotionen raus. Köln, das Rückspiel, würde ich auch dazu zählen, da die Mannschaft einfach das getan hat, was ich ihr gesagt habe. Die Saison hätte aber noch positiver laufen können, wenn wir bei Heimspielen nicht so übernervös gewesen wären. Das ist ein Punkt, den wir nächstes Jahr verbessern müssen, denn du kannst nicht genauso viele Heimspiele gewinnen wie verlieren. Trainer wie Henrik Rödl sind eigentlich direkt aus dem Spieler-Alltag auf die Trainerbank gerückt, Du hast aber erst Jugendmannschaften bzw. die WBV-Auswahl trainiert, warum? Ich wollte zunächst mal meine Trainerscheine, also die B- und A-Lizenz machen, um eine gewisse Grundausbildung zu haben. Als ich hierher gekommen bin, wollte ich auch erstmal ein bis zwei Jahre reinschnuppern und lernen. Aber als ich plötzlich die Gelegenheit hatte, habe ich sie beim Schopfe gepackt. Bereust Du das? Nein, keineswegs, das kalte Wasser hat mir genauso gut getan wie das, was ich schon öfter sagte, nämlich die Tatsache, dass der Start hier so schwierig war. Mit Trainerentlassung, Trennung von Sinisa, das Holen von Terry Black, Brankos schlimme Diagnose, die Rangelei beim Spiel gegen Bamberg… Also härter, glaube ich, geht’s im ersten Jahr nicht mehr. Das war sehr lehrreich, weil ich denke, wenn Du als Coach immer nur nach oben kommst und Erfolg hast und auf einmal bleibt der Erfolg aus, dann weißt Du nicht, wie Du das aufhalten sollst. Aber nichts desto trotz: Es hat mir großen Spaß gemacht. Das Interview führten Philipp Klöckner, Andreas Könings und Patrick Ahaus