Zusammenhalt in der Krise
Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich dankt Sponsoren für Sonder-Engagement „Es war nie eine Option, sich schicksalshaft der aktuellen Situation zu ergeben“
Liebe Fangemeinde, ich nutze den Jahreswechsel für ein paar klärende Worte zu einer Baskets-Situation, die den Namen Krise verdient und verständlicherweise meinungsfreudig in unserer großen Fangemeinde diskutiert wird. Dort bilden stets das Gesehene auf dem Spielfeld, das Gehörte von vermeintlich gut Informierten und Zeitungsartikel den Humus für das, was man als Basketsfan so denkt. Verrührt man alles, entstehen Gerüchte, und die sozialen Medien laden förmlich dazu ein, anonym besonders mutige Meinungen zu äußern. Oft genug wiederholt, verselbständigt sich hier Manches, was falsch ist, und befördert – wie von Geisterhand – Anekdoten in den Rang von Fakten. Scheinfakten! Und Sündenböcke!
Es gibt nichts zu beschönigen. Die aktuelle Saison verläuft umgangssprachlich unter der Überschrift „Seuche“. Doch „Seuche“ trifft es nicht, weil eine Seuche eine Ursache (einen Erreger) hat. Unser augenblicklicher Zustand hat zwei Ursachen: eine selbst verschuldete und eine unverschuldete. Eine in Teilen falsche Team-Komposition im Sommer 2015 markiert die „Baskets-Schuld“, dazu gesellt sich ein Verletzungspech, das wir in diesem Ausmaß in den letzten 19 Erstliga-Jahren noch nicht hatten, aber zum realen Proficlub-Dasein gehört. Letzte Saison verschonte es uns, diesmal traf uns die volle Breitseite. Das erinnert mich etwas an die Virus-Saison 1998/99. Doch damals gab es nur eine Ursache: das Epstein-Barr-Virus. Wie bei Verletzungen: Dafür gibt es keinen Schuldigen. Zudem hatte die Team-Virusinfektion damals keine sportlichen Auswirkungen, weil die Spiele nachgeholt werden konnten. Heute bestehen teilweise andere Regularien, und so mussten wir kürzlich mit Regionalliga-Spielern beim Deutschen Meister antreten. Eine dritte Ursache ergibt sich aus der relativen Gleichzeitigkeit schwerwiegender Verletzungen bei einzelnen Spielern, dazu leichtere Verletzungen bei einzelnen Akteuren, die ihr Leistungsvermögen beeinträchtigen. So verwandelte sich unser Hurra-Gefühl zu Saisonbeginn in Tristesse. Und wer im Team noch spielen konnte, zog das schlimmste Los – und erlebte, wie sich alles Selbstvertrauen verflüchtigte, und wurde zum Ziel von Pfiffen, in denen sich der Frust über die Gesamtsituation entlud. Zu den aktuellen Kernfragen, die unsere Fans diskutieren: Werden die Baskets reagieren? Können sie wirtschaftlich überhaupt reagieren? Und wenn sie reagieren, obwohl sie es wirtschaftlich vielleicht nicht können: Werden sie den Teametat von nächster Saison belasten? Was wollen die Baskets überhaupt sportlich in dieser Saison noch erreichen? „Nur“ den Abstieg verhindern? Für mich wichtige Fragen werden gar nicht gestellt: Mit welchem Nachgeschmack wollen die Baskets ihr treues Publikum in den basketballlosen Sommer 2016 entlassen? Wollen wir den Baskets-Ball im zweiten Teil der Hinrunde auch die gesamte Rückrunde sehen? Wir haben alles Menschenmögliche getan, um mit dem Beginn der Rückrunde am 17. Januar 2016 eine – zumindest gefühlt – neue Saison anpfeifen zu können. Aus eigener wirtschaftlicher Kraft war das nicht möglich: Diese Kraft verleihen uns aber unsere langjährigen Sponsoren, kleine wie große, die in der Krise nicht zur Seite treten, sondern uns einen Ausweg ermöglichen. Ob das gelingt, kann im Hochrisikogeschäft des Profisports nicht versprochen oder gar garantiert werden. Es gibt hier keinen Automatismus. Aber es gibt den glaubhaften Versuch, etwas zu verändern, und jeder, der den europäischen Basketball (Israel gehört dazu) mit all seinen Spielern beurteilen kann, wird in der Nachverpflichtung von Center Yancy Gates einen ernsthaften Willen sehen, dass die Baskets sich gegen die Krise stemmen. Dazu wird noch ein weiterer neuer Spieler gehören. Beide zusammen werden unser athletisches Defizit in einer zunehmend athletischeren Liga verkleinern. Und trotzdem ist einstweilen nur sicher, dass die Zukunft ungewiss ist. Heilungsprozesse gehören zu den nicht beeinflussbaren Faktoren: Wann und in welcher Verfassung kommen unsere Schwerverletzten zurück? Wie Tadas Klimavicius? Wie Isaiah Philmore? Wie Andrej Mangold? Und sollte der in dieser Saison ungewöhnliche Fall eintreten, dass alle Spieler voll einsatztauglich sind, werden zwei ausländische Spieler pro Spiel auf die Tribüne müssen. Auch dieses Szenario gehört zu den Perspektiven unserer näheren Zukunft. Nebenbei bemerkt: Wir Baskets, die nicht auf dem Spielfeld stehen, leiden auf der Tribüne wie jeder andere, möglicherweise auf eine andere Art sogar etwas mehr. Es war mit der eigenen Halle und den daraus sich ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen nie eine Option, sich schicksalshaft der aktuellen Situation zu fügen. Gleichzeitig war es aber auch nie eine Option, alle Tugenden der Schwäbischen Hausfrau über Bord zu werfen. Wie weit ein Playoff-Rang auch gerade von uns entfernt liegt oder einer der Abstiegsplätze: Wir haben in den letzten Wochen gekämpft, jeder auf seine Weise und nicht auf dem Spielfeld, aber dafür, dass sich auf dem Court bald etwas ändert. Nun gilt es, gemeinsam die Krise zu meistern – Spiel für Spiel zu mehr Selbstvertrauen und vielleicht auch ein Plätzchen höher in der Tabelle. Die Baskets-Sponsoren, allen voran unser langjähriger Hauptsponsor Deutsche Telekom, haben es vorgemacht. Nun ist die Tribüne gefragt. Ich bedanke mich auf diesem Weg bei allen, die uns geholfen haben und helfen bei dem gemeinsamen Versuch, mit einem guten Basketsgefühl aus dieser einstweilen verunglückten Saison zu gehen. Unser Team, eine Mischung aus restlichen Bundesliga- und kämpferischen Regionalliga-Spielern, hat sich körperlich und mental gerade so über die Ziellinie geschleppt. Dahinter warten nun 14 Tage Pause zur körperlichen und mentalen Regeneration. Die Injektion frischer Energie und hoher Qualität durch zwei neue Spieler sollen dabei helfen. Ich wünsche allen Basketsfans ein frohes 2016 und vor allem Gesundheit
Wolfgang Wiedlich
Präsident
Telekom Baskets Bonn
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