Den Finger in die Wunden gelegt
Michael Scharf, Vorsitzender des Stadtsportbundes Bonn, kritisiert den Umgang des Rathauses mit dem Bonner Sport
70.000 Euro aus Sportfördermitteln für das Beethoven-Orchester, gleichzeitig wird die gemeinnützige Nachwuchsarbeit der Baskets wie Profisport besteuert und muss 40.000 Euro für das Ausbildungszentrum aufbringen.
Neujahrsempfang des Stadtsportbundes Bonn (SSB) vergangene Woche im Leistungszentrum des Deutschen Fechter Bundes: In seiner politischen Rede fand SSB-Vorsitzender Michael Scharf vor 120 Vertretern aus Sport und Politik deutliche Worte zur misslichen Lage des Sports in Bonn. Nachfolgend Auszüge aus dieser Rede, die nüchtern unhaltbare Zustände benennt. Auch die Ungleichbehandlung des gemeinnützigen Telekom Baskets Bonn e.V. kam zur Sprache. Liebe Sportfreunde, meine sehr geehrten Damen und Herren,
als Vorsitzender des Stadtsportbundes begrüße ich Sie hier im Leistungszentrum Fechten im Sportpark Nord sehr herzlich zum Neujahrsempfang des SSB Bonn, der mit seiner 4. Auflage inzwischen zum Brauchtum in unserer Stadt gehört. Den Status des Brauchtums haben inzwischen auch bereits die gemeinsamen Termine von Stadtsportbund und unserem neuen Bonner OB Ashok Alexander Sridharan erreicht, aber es ist mir eine besondere Freude, mit Dir, Ashok, hier erstmalig den Bonner Oberbürgermeister auf dem Neujahrsempfang begrüßen zu dürfen! Wir freuen uns sehr auf deine Neujahrsansprache an den Bonner Sport!
Das letzte Jahr im Bonner Sport war ereignisreich. Lassen Sie es mich klar und deutlich sagen: Der entscheidende Schritt zur weiteren Professionalisierung und nachhaltigen Entwicklung des Sports war die Einstellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers beim Stadtsportbund Bonn. Ich betone das ausdrücklich und bedanke mich noch einmal bei allen Bonner Sportvereinen. Dies war nur möglich, weil die Bonner Vereine über eine Beitragserhöhung die Voraussetzung hierfür geschaffen haben. Dass wir die Position mit Bernd Seibert, der bereits nach kurzer Wirkungszeit eine feste Größe im Stadtsportbund ist, erstklassig besetzen konnten, trägt wesentlich dazu bei, dass der Stadtsportbund auf allen Ebenen in Bonn präsent ist und Präsenz zeigt. Da wir ja hier sehr viel über Sportpolitik reden, möchte ich an dieser Stelle die Neujahrsansprache mit einem kleinen Überblick beginnen, was das kleine Team der Geschäftsstelle, dem ich an dieser Stelle sehr herzlich für den im letzten Jahr geleisteten Einsatz danke, an Sportprogrammen in dieser Stadt initiiert und organisiert.
Der Stadtsportbund bringt in Bonn Menschen in Bewegung. Wir haben etwa 3000 Sportabzeichen-Teilnehmer, wir sind aktiv in der Kinder- und Jugendarbeit u.a. mit den Sport- und Bewegungskindergärten, dem Kindersportabzeichen, den Einsätzen des Sport-Aktion-Busses und bei Ferienfreizeiten, wir engagieren uns im Seniorensport mit dem Programm „Bewegt älter werden“, wir organisieren Events für mehrere Tausend Menschen, wir qualifizieren für das Vereinsmanagement und die Vereinsberatung. Und wir sind Informations- und Beratungsstelle für die Bonner Bürgerinnen und Bürger sowie die ca. 300 Bonner Sportvereine, in denen an die 80.000 Bonnerinnen und Bonner Sport treiben. Und …….. selbstverständlich leisten wir im Sport großartige Integrationsarbeit – und das schon lange bevor dieses Thema durch die Flüchtlingsdebatte die Schlagzeilen der Tagespresse erreicht hat. Zum Thema Flüchtlinge auch die erste klare Aussage des Bonner Sports zum neuen Jahr. Die Existenzgrundlage für die tolle Arbeit der Bonner Sportvereine sind die Sportstätten. Daher erwarten wir, dass diese Sportstätten den Vereinen zur Verfügung stehen und nur im absoluten Notfall als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden.
Hier hat es bislang Einigkeit zwischen Stadt und SSB gegeben. Ich hoffe sehr, dass diese Einigkeit, die Ende 2015 etwas erschüttert wurde, auch 2016 Bestand hat. Bevor Sporthallen belegt werden, müssen alle anderen Alternativen geprüft werden. Auch im Baurecht, etwa beim Brandschutz. Ich zitiere sinngemäß aus dem Spiegel vom Wochenende: „Wenn es in diesem Land ein funktionierendes, zudem ehrenamtlich getragenes System gibt, das jeden Tag zentrale Tugenden wie Fairness und Gleichheit vermittelt und damit ganz aktiv und selbstverständlich sozialen Frieden stiftet und Integration lebt, dann sind es die Sportvereine.“ Die Behauptung der „Alternativlosigkeit – Sollen die etwa erfrieren? – erstickt jede Diskussion im Keim“.
Das Thema Sportstätten bewegt uns aber auch in einem anderen Zusammenhang. Ich darf daran erinnern, dass der Sport versprochen hatte, anstelle einer Sportstättennutzungsgebühr, die ja inzwischen Gott sei Dank vom Tisch und ich hoffe auch aus den Köpfen ist und das auch beim Kämmerer Professor Sander – einen eigenen Einsparbeitrag durch die Übernahme von Sportstätten durch Bonner Vereine zu ermöglichen. Fazit nach über einem Jahr an Gesprächen mit der Bonner Stadtverwaltung: Die drei Musterprojekte konnten bislang nicht angegangen werden, da erst im November nach über einem halben Jahr erste Zahlen zu den ausgesuchten städtischen Liegenschaften vorlagen. Inwieweit diese Zahlen belastbar sind, muss jetzt geprüft werden. (...) ………
Wir haben damit, lieber Herr Oberbürgermeister, nicht nur ein inhaltliches Problem, dass die Vereine, die bereit sind – auf eigene Verantwortung – eine größere finanzielle und letztendlich auch haftungsrechtliche Last zu tragen und selber eine städtische Sportstätte zu betreiben, zunehmend frustriert und vor den Kopf gestoßen werden, und wir letztendlich alle den Glauben an die Verwaltung verlieren. Wir haben auch ein finanzielles Problem. In diesem Jahr werden wir hoffentlich Haushaltsmittel aus dem Sporthaushalt, die genau für diesen Zweck bestimmt waren, ins nächste Jahr übertragen bekommen: Jedenfalls gehe ich davon aus, dass Verwaltung und Politik die Übertragung dieser Mittel genehmigen. Aber was passiert, wenn es auch in 2016 nicht gelingt, die Projekte zu realisieren? Kommt dann der Beigeordnete Schumacher und widmet im großen Stil Mittel der Sportförderung für die Förderung der Hochkultur um? Ich darf daran erinnern, dass vor einem Monat mal so eben 70.000 Euro Sportfördermittel für das Beethoven-Orchester im Haushalt umgewidmet wurden, ohne hierüber den Stadtsportbund zu informieren. Ob der Sport damit die in 2015 missglückte Ausschreibung für einen Generalmusikdirektor finanziert hat, möchte ich mal dahingestellt lassen, aber die lapidare Aussage des Beigeordneten Schumacher, dass das Beethoven-Orchester die im Haushalt festgeschriebenen Einsparungen ja nicht erbringen konnte und das Geld des Sports daher benötige, machen uns schon nachdenklich, was den Sparwillen im kulturellen Bereich angeht.
Und schon sind wir wieder mittendrin im Thema Sport und Kultur. Es hat uns vier Jahre Zeit und Engagement gekosten, um den Sport inhaltlich und strukturell vernünftig aufzustellen. Jeder in Bonn weiß inzwischen, dass die Sportförderung der Stadt Bonn im bundesdeutschen Vergleich im unteren Drittel liegt, während die Kulturförderung einen Spitzenplatz einnimmt. Die Gemeindeprüfungsanstalt NRW und die Bezirksregierung haben inzwischen mehrfach die Höhe der Kulturausgaben der Stadt Bonn im landesweiten Vergleich als extrem hoch bemängelt. Nur zur Erinnerung: Die Kulturausgaben sind in Bonn doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Was haben wir in den letzten Wochen zur Kenntnis genommen? Sanierung der Beethovenhalle / 50. Mio. – kein Problem. Aussetzen der bereits beschlossenen Einsparungen von 3,5 Mio. Euro im Kulturhaushalt – man weiß es nicht so genau. Bevorstehende Sanierung der Oper – Kostenschätzung 50 Mio. Euro – kommt noch. Ich sage nur: Köln lässt grüßen!! Dort wollte man die Oper für schlanke 180. Mio. Euro sanieren und liegt inzwischen bei 420. Mio. Euro. Tendenz steigend! In Köln droht nicht zuletzt deshalb nach WDR-Kenntnis der Nothaushalt. Und dann kommt ja noch das Thema neuer Intendantenvertrag mit einer Folgewirkung von weit über 150 Mio. für 5 Jahre Laufzeit. Für diejenigen unter uns, die es nicht so mit Zahlen haben. Das ist ein World Congress Center Bonn (also ein WCCB), was da mit einem neuen Intendantenvertrag über 5 Jahre verausgabt wird. Also alle fünf Jahre ein zusätzliches WCCB!
Und jetzt zurück zur Welt des Sports. Hier wird ein für den Sportausschuss bereits formulierter Beschluss, die Telekom Baskets für den Teil ihrer vereinseigenen Anlage, der dem gemeinnützigen Jugendbereich zuzuordnen ist, mit 25.000 Euro zu fördern, stillschweigend wieder von der Tagesordnung genommen. Gleichzeitig wird aber der gemeinnützige Jugendbereich des Vereins so behandelt, als ob es Profisport wäre – und dafür muss der Verein über 40.000 Euro an Grundsteuer bezahlen. Ich kann dazu nur sagen, ich habe ein anderes Verständnis von Wertschätzung des Sports!
Aber Halt …. wer uns jetzt erzählt, es könnte dem Sport doch egal sein, wie die Kultur in Bonn gefördert werde, der ist entweder ein unverbesserlicher Optimist nach dem Motto „et hätt noch immer joot jejange“ oder er hat noch nie etwas von dem Begriff Haushaltssicherungskonzept gehört. Mit anderen Worten: Die Gelder, die wir uns in der Hochkultur nicht leisten können, gehen voll zu Lasten von u.a. Kindergärten, Stadtteilbibliotheken, Offenen Ganztagesgrundschulen und dem Sport, denn die müssen im Zweifel die Zeche für eine seit Jahren verfehlte Kulturpolitik bezahlen!
Aber Problembewusstsein bei der Stadt gibt es ja bereits, oder wie darf ich sonst den Hinweis auf der Seite der Stadt Bonn verstehen. Ich zitiere von der Homepage der Stadt Bonn: „Weiter weist die Bezirksregierung darauf hin, dass die Fehlbedarfe je Einwohner im kulturellen Bereich weiterhin einen hohen Stand ausweisen.“ Die Stadt wurde aufgefordert, mit Stand vom 30. Juni 2016 zu berichten, durch welche Maßnahmen einem weiteren Anstieg entgegengewirkt werden kann, und mögliche Konsolidierungsspielräume zu benennen. Die Bezirksregierung stellte zudem klar, dass der für 2021 dargestellte Haushaltsausgleich „nicht in ein späteres Jahr verschoben werden darf.“ (Zitat Ende)
Weil im städtischen Haushalt über die Gesamtsumme im Haushalt alle Leistungen miteinander verknüpft sind, werden wir uns als Sport deswegen die Freiheit nehmen, auch weiterhin mit wachem Auge auf die Ausgaben der Hochkultur zu schauen. (...)
Mein letztes Grundsatzthema für heute sind die Bonner Bäder. Ich glaube, hier sind unsere Positionen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr nahe beieinander. Seit 1989 gibt es Diskussionen zu den Bonner Bädern. 26 Jahre Diskussionen mit inzwischen sechs Gutachten sind genug: Es muss jetzt endlich ein Bäderkonzept beschlossen werden. Die hierfür notwendigen Mittel – die im Übrigen weitaus geringer sind als die Mittel für die Sanierung der Beethovenhalle oder der Oper alleine – müssen bereitgestellt und genutzt werden. Die vorhandenen Wasserflächen müssen beim Neubau erhalten bleiben. Die Konzentration auf eine reine Hallenbadlösung scheint sinnvoll. Die vorhandenen Freibäder sind unter maximaler Beteiligung der Fördervereine fortzuführen. Natürlich wird das nur dann funktionieren, wenn sich die Menschen in ihren Stadtteilen für die Bäder engagieren. (...)
Liebe Sportfreunde, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns für das Jahr 2016 gutes Gelingen! Die komplette Rede als PDF-Datei können Sie hier nachlesen >> zur Homepage des Stadtsportbund Bonn e.V. >>