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Baskets-Center Julian Gamble im Portrait

Es gibt zwei Positionen im modernen Basketball, deren Anforderungen von der Papierform her schwieriger zu erfüllen sind als andere. Dass die Herausforderungen nicht weniger werden, wenn es in einer in der Breite stärkere Liga geht, weiß Baskets-Center Julian Gamble nur allzu gut.

Kam im Sommer aus Brüssel zu den Telekom Baskets: Julian Gamble (Foto: Sebastian Dorbrietz)

Es ist dieser Blick, der mehr aussagt als jedes gesprochene Wort. Der mehr vermittelt als jedes noch so gut aufgezeichnete Play auf dem Taktikbrett jemals könnte. In dem Moment, wo Julian Gamble nach getaner Arbeit aus den Katakomben des Telekom Dome zurück in die Haupthalle kommt, wartet meist seine Familie auf ihn – und die Meinung seiner Frau zu seiner persönlichen Leistung. „Wir tauschen uns immer darüber aus, was für ein Gefühl sie bei dem Spiel hatte und was sie über bestimmte Dinge denkt“, sagt der Pivot. „Sie spielt selbst und versteht, wie es da draußen auf dem Feld zugeht – da braucht es zwischen uns teilweise nicht allzu viele Worte. Es ist gut, dass da jemand ist, der dich versteht.“ Und jemand, mit dem auch der Alltag abseits der Halle geteilt wird. Gamble: „Natürlich ist Basketball in gewisser Weise unser Leben, aber es gibt darüber hinaus genug, was uns auch mal auf andere Gedanke bringt.“ So wie Sohnemann Jaycian, der vor knapp einem halben Jahr das Licht der Welt erblickte und regelmäßig dafür sorgt, dass der 2,08 Meter-Hüne zum sanften Riesen mutiert.

Du kannst das Gerät nicht bremsen,
schon gar nicht mit bloßen Händen

Einmal das Parkett unter seinen Füßen wissend, wechselt der Amerikaner allerdings in einen anderen Modus. Dann wird ernst gemacht. Das ist bereits in frühen Tagen an der University of Miami so, wo er in seinem Abschlussjahr 2012/2013 mit den Hurricanes bis tief ins NCAA-Tournament vorstößt. Erst in den „Sweet 16“ werden die Jungs aus Florida durch Marquette – unter anderem mit Trent Lockett sowie Chris Otule – gestoppt. Das bittere 61:71 stellt nicht nur das Ausscheiden aus der March Madness dar, sondern ist gleichzeitig der Schlusspunkt für Gambles College-Karriere.

Im anschließenden Sommer ist er zwar Teil des Summerleague-Teams der Indiana Pacers, kann sich darüber hinaus jedoch nicht für ein NBA-Engagement empfehlen. Was folgt, ist die nicht unbedingt logische, aber für viele junge Männer aus dem Mutterland des Basketballs logische Konsequenz: Es geht über den großen Teich nach Europa. Im beschaulichen Saint Vallier schließt Gamble seinen ersten Profivertrag ab – und schraubt in der Saison 2013/2014 die Konkurrenz in der französischen ProB auseinander. „Da habe ich gelernt, wie wichtig Geduld in diesem Geschäft ist“, sagt der Center rückblickend. „Am College beginnt die Saison erst sehr spät und endet auch deutlich früher als in Europa. Da hast du viele Spiele in kurzer Zeit. Hier hast du acht bis zehn Monate, um deinen Job zu machen, dich individuell und als Mannschaft zu entwickeln.“

Für Saint Vallier legt Gamble als Rookie amtliche 16,3 Punkte und 9,0 Rebounds pro Partie auf. Zahlen, die in einer niederklassigen Liga aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit zwar eine gewisse Aufmerksamkeit generieren, aber niemanden nachhaltig beeindrucken. Dafür sorgen seine schnellen Hände, mit denen er in der Verteidigung zum X-Faktor wird. Allabendlich werden 1,5 gegnerische Würfe teils brachialst zurück an den Absender geschickt, hinzu kommen 1,2 Ballgewinne – und das mit 2,08 Metern Körperlänge.

Die folgenden zwei Spielzeiten verbringt der Amerikaner in Brüssel auf sportlich gehobenerem Niveau und beweist, dass er auf diesem Level mithalten kann. Mehr noch: Gamble wird für die Mannschaft zum offensiven und defensiven Anker in Brettnähe. „Für mich war der einzige Haken daran, dass ich zu oft allein wegen meiner körperlichen Vorteile ein Spiel dominieren konnte“, so der Familienvater. „Kaum jemand konnte mich wegschieben, wenn ich meine Position eingenommen hatte, und vor allem im Angriff habe ich fast immer über meine starke linke Hand gehen können – das hat sich hier in Bonn gehörig geändert.“

Ich glaub’s ja nicht,
was wird hier aufgetischt?

Plötzlich sind es Schwergewichte wie Brian Qvale oder Kenny Frease, ausgebuffte Veteranen wie Kresimir Loncar oder Elmedin Kikanovic, hungrige Youngster wie Mahir Agva oder Johannes Thiemann, mit denen Gamble es zu tun bekommt. So sehr sich das Gerücht auch halten mag, dass die BBL eine von Guards dominierte Liga sei, die Qualität auf den großen Positionen ist alles andere als zu verachten. Gamble: „Das merkst du schnell, wenn die Leute nicht nur physisch stärker sind, sondern auch extrem gut vorbereitet in ein Spiel gehen. Da weiß jeder um deine Stärken, versucht dich entsprechend zu verteidigen und hat noch vier Mitspieler in der Hinterhand, die ihm helfen. Ich habe früh festgestellt, dass ich mein Repertoire erweitern muss, um in dieser Liga nicht nur bestehen zu können, sondern vor allem um meinem Team helfen zu können.“

Die ersten Wochen in good ol‘ Germany werden zur Geduldsprobe. Schwer zu schluckenden Pillen wie gegen Berlin (4pts, 4pf) und Göttingen (8pts, 5pf) stehen individuelle Leckerbissen wie gegen Ludwigsburg (11pts, 8reb) sowie Tübingen (10pts, 14reb) gegenüber, welche Lust auf mehr machen. Die aber auch verdeutlichen, wie schwer der Anpassungsprozess sein kann, wenn der Ball nicht immer automatisch durch die Hände des Big Man läuft. „Das ist etwas, das mir gleich zu Beginn der Vorbereitung aufgefallen ist und für mich eine enorme Umstellung bedeutet hat: Meine Mitspieler sind allesamt so gut, dass ich im Vergleich zu früher weniger Verantwortung schultern muss“, analysiert Gamble. „Aber wenn du es drei Jahre lang gewöhnt bist, auf dem Feld gefühlt alles machen zu müssen, dann ist es eine echte Herausforderung, das Spiel wieder mehr auf dich zukommen zu lassen.“

Vier Viertel Takt,
jetzt wird mitgemacht

Die bereits genannte Bandbreite an unterschiedlichen Center-Typen in der Bundesliga macht es umso kniffliger, sich als Neuling in der deutschen Beletage zu orientieren. Doch es ist ganz offensichtlich, dass Julian Gamble langsam aber sicher im Oberhaus angekommen ist und seinen Platz gefunden hat. „So richtig eingewöhnt haben werde ich mich wahrscheinlich erst, wenn wir jedes Team einmal gespielt haben. Du kannst noch so viele Spiele im Fernsehen gesehen oder mit den Coaches Videoanalyse betrieben haben … erst wenn du jemanden auf dem Feld erlebt hast, kannst du ihn komplett einschätzen.“

Und doch ist schon im November erkennbar gewesen, wie wertvoll ein erstarkender Gamble im Konstrukt der Telekom Baskets Bonn für das Team und dessen Erfolg ist. Nach einem kurzen mannschaftlichen Durchhänger von drei Niederlagen in Folge setzt der Freund von großflächigen Tätowierungen in Würzburg mit 18 Punkten und zehn Rebounds ein statistisches Ausrufezeichen, welches die Basis für den 85:81-Erfolg darstellt. Dabei verrät erst der tiefergehende Blick in den Zahlenwald den wahren Wert Gambles für die Rheinländer. Er ist zur einer steten Gefahr für den Gegner gereift, sorgt am Brett regelmäßig mit seinen durchschnittlich 9,8 Punkten und 6,3 Rebounds für so viel Alarm, dass die defensiven Eingreiftruppen ihn nur noch per Foul stoppen können – sowohl in Würzburg als auch gegen Braunschweig und Ulm steht er gleich sechsmal an der Freiwurflinie.

Und jetzt? „Ich freue mich auf alles, was die Saison noch für uns bereithält“, sagt Gamble. „Das fängt mit dem Duell gegen Devin Booker, der wie ich seine Profikarriere in der französischen ProB begonnen hat, an, und geht bis hin zu den Herausforderungen im FIBA Europe Cup.“ Es warten noch genügend Chancen, um das vorhandene basketballerische Potenzial auszutesten und die vermeintliche Obergrenze der eigenen Leistungsfähigkeit anzuheben.

 


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