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The Hard Road

Vom Rookie zum Profi: Der Weg des Malcolm Hill

Basketball ist ein Männersport. Niemandem wird dies schneller und unmissverständlicher klar, als dem, der einmal neben gestandenen Veteranen auf dem Parkett stand. In der NBA hält sich hartnäckig die Mär, dass das weltberühmte Kürzel für “No Boys Allowed” steht. Auch in Europa werden diejenigen, die den Sprung vom College in den Profibereich – und über den großen Teich – wagen, schnell erwachsen.

Malcolm Hill und Predrag Krunic pflegen regelmäßig einen intensiven Austausch. (Foto: Jörn Wolter)

Josh Mayo weiß wovon er redet. Bonns Kapitän befindet sich in seinem mittlerweile achten Profijahr, die Telekom Baskets sind sein neunter Club in sieben Ländern. Der Amerikaner hat schon vieles gesehen und mit unzähligen anderen Basketballern auf dem Feld gestanden – und in den Katakomben gesessen. „Wenn du in eine Kabine kommst, erkennst du relativ schnell, wer der Rookie oder der Routinier ist“, lacht Mayo. „Rookies sind meist ruhiger, sagen kaum was, während die Älteren sich unterhalten und lauter sind.” Das war auch im Sommer 2017 so, als Malcolm Hill als letzter Neuzugang den Kader der Baskets komplettierte. „Das war für mich in der Anfangszeit wirklich nicht leicht, denn die anderen Jungs kannten sich alle schon besser, während ich mich erst orientieren musste“, sagt Hill.

Zwischen seiner Zeit an der University of Illinois und der Unterschrift in Bonn machte Hill einen sportlichen Abstecher auf die Philippinen – wo ihm jedoch abseits des Feldes alles abgenommen wurde. „Das sah hier in Deutschland ganz anders aus, auch wenn ich viele Hilfestellungen erhalten habe“, erinnert Hill sich. „Dennoch musst du sehr schnelle lernen eigenständig und vor allem organisiert zu leben. Profi zu sein ist ein riesiger Unterschied zu dem Leben auf dem College-Campus.“ Das fängt bei der zu waschenden Trainingskleidung an, geht über nach Spielen an junge Fans verschenkte Trikots und endet bei der – natürlich selbst gekochten – guten Ernährung.


Coming up I needed a guide like,
a blind veteran’s dog


Vielleicht ist es das gewisse Extra an entgegenzubringender Aufmerksamkeit, die Vereine oftmals von der Verpflichtung eines Rookies abhält. Ist ein junger Mann über vier Jahre auf dem College zu einem guten Spieler gereift, ist seine Entwicklung in aller Regel noch lange nicht beendet – nicht als Basketballer, nicht als Mensch. „Wir führen viele gute Gespräche, tauschen uns konstruktiv aus“, beschreibt Baskets-Headcoach Predrag Krunic. „Natürlich geht es dabei viel um Basketball: Über seine Rolle im Team, über taktisches Verständnis. Aber auch im Dinge, die einem jungen Mann fern der Heimat in einem fremden Land helfen können, den Alltag zu bestreiten.“ Der Übungsleiter investiert viel Zeit in den 22-Jährigen, was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Krunic: „Das funktioniert nur, wenn ich als Trainer merke, dass mein Gegenüber den Willen mitbringt, die Dinge anzunehmen und zu lernen – das ist bei Malcolm zu hundert Prozent der Fall.”

Irgendwann ist immer das erste Mal. Irgendwann war jeder noch so gestandene Profi einmal ein Rookie. Daran kann sich jeder Basketballer erinnern. Und wünscht sich vielleicht, er hätte in der ein oder anderen Situation eine helfende Hand gereicht bekommen. „Hier nehmen ihn alle ein wenig an die Hand”, beschreibt Physio Bogdan Suciu. „Die Mannschaft funktioniert in diesem Zusammenhang wie eine große Familie.“ Der Forward befindet sich demnach in einem saisonbegleitenden Selbstfindungsprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Schließlich sind Basketball und Erwachsenwerden komplexe Angelegenheiten. Eines fordert die Tradition des mitzubringenden Kasten Bieres bei erzieltem hundertsten Punkt ein, Anderes bedingt die schnelle Erledigung jedweder Ehrenschulden – zwei Tage nach dem 102:80 über Jena lagert Hill abgezapften Gerstensaft im Kühlschrank für die nächste Auswärtsfahrt ein.


And man I got no one else to blame


Die wohl wichtigste Lektion für Hill selbst ist, dass er nun mehr denn je auf sich allein gestellt ist, dass er mehr denn je für sein eigenes Schicksal verantwortlich zeichnet. Natürlich, es gibt fixe Termine, und Coach Krunic ist sportlich betrachtet der die Richtung vorgebende Boss. Doch nach dem College sind die akademischen Programmpunkte im Tagesablauf weggefallen, die zuvor einen Großteil des Tages eingenommen haben. „Mein Rhythmus an der Uni war ein ganz anderer als jetzt als Profi“, erinnert sich Hill. „Die Herausforderung ist, aus der nun zwischen den Trainings gegebenen freien Zeit etwas zu machen, anstatt nur rum zu gammeln oder vor der Konsole zu liegen – und die Versuchung dazu ist groß. Da musst du dir selbst etwas suchen, was dich auch mal auf andere Gedanken bringen kann als immer nur Basketball.“ Der Rookie hat diese Hürde gut gemeistert, begeistert sich mittlerweile für kulinarische Experimente und geht gern raus an die frische Luft. „Du darfst halt nie vergessen, was eigentlich dein Job ist. Ich habe viele Geschichten gehört, wo Spieler schnell faul und fett wurden, weil sie mit ihrer Situation – für Basketball bezahlt zu werden – zu zufrieden waren.“

Zu diesem Umstand wird es bei den Telekom Baskets Bonn nicht kommen. Dafür genießt der Flügel im Gesamtgefüge zu wenig Welpenschutz und wird gleichzeitig stets mit einem wachsamen Auge betrachtet. „Malcolm ist jetzt ein viel besserer Basketballer als noch vor einem halben Jahr“, urteil Predrag Krunic. „Er trifft schnellere, bessere Entscheidungen, braucht in seinen Aktionen weniger Dribblings und liest die Defense besser. Aber er hat noch viel Luft nach oben – dieses Potenzial wollen wir, will er, gemeinsam ausschöpfen.“ Auf dem Weg dahin wird der Rookie immer mehr zum gestandenen Profi mutieren. Gelegentliche auftretende Missgeschicke gehören, das wissen alle Beteiligte, schlichtweg dazu. Und sorgen für ein wenig Heiterkeit im oftmals so strengen und verbissenen Geschäft namens Hochleistungssport. „Einmal kam er mit gepackter Tasche zum Shootaround vor einem Heimspiel“, plaudert Julian Gamble aus dem Nähkästchen. „Die Ursache dafür war, dass in den USA im Spielplan die Gastmannschaft immer zuerst geschrieben steht – hier in Europa ist es umgekehrt.“

Das Team-Küken weiß, dass jedes kritische Wort, jede ein Lachen auslösende Handlung niemals böse gemeint sind. „Ich nehme nichts davon persönlich, denn ich weiß, dass ich in einigen Bereichen noch viel zu lernen habe und bin für jede Hilfestellung dankbar“, legt Hill die richtige Einstellung an den Tag, und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Ich möchte auf und neben dem Feld möglichst variabel und schwer auszurechnen sein.“



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