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Big Acts, Little Acts

Baskets-Aufbau Josh Mayo im Portrait

Im Mutterland des Basketballs gibt es die altbekannte Weisheit „You can’t teach height“. Das bedeutet für jemanden mit einer Länge von lediglich 1,81 Metern, dass er die fehlenden Zentimeter anderweitig wettmachen muss. Wenn jemand über acht Jahre gesehen in sieben Ländern aktiv ist, scheint das vermeintliche Defizit erfolgreich ausgeglichen worden zu sein. Josh Mayo ist der lebende Beweis dafür, wie’s geht…

Nimmt bei den Baskets 64,4 Prozent seiner Würfe aus der Distanz: Josh Mayo. (Foto: Jörn Wolter)

Je nachdem, wie der Wind steht, bringt er etwas frische Luft in die Stadt. Immerhin ist der Lake Michigan in nördlicher Richtung nur einen Katzensprung entfernt. Merrillville selbst ist mit seinen knapp 35.000 Einwohner ein wenig bekannter Fleck auf der Landkarte. Doch das beschauliche Städtchen liegt im US-Bundesstaat Indiana, was per se eine gewisse Grundverrücktheit in Sachen Basketball garantiert. Weniger als eine Autostunde entfernt schmiegt sich auch schon Chicago, die „Windy City“, an die Ufer des Sees und lockt mit großer Ballsport-Tradition – MJ sei Dank. Die perfekte Umgebung für Bonns Aufbauspieler Josh Mayo, um vom Kind zum Teenager zum angehenden Profi zu reifen. Eine Entwicklung, die ihn quer über den großen Teich gen Europa gespült hat. Bis ins Rheinland, das nach nur wenigen Wochen im Pass mit vielen Stempeln schon ein ganz besonderes Label verpasst bekommen hat.

“Bonn fühlt sich im Vergleich mit all meinen anderen Stationen, an denen ich schon gespielt habe, am ehesten nach Heimat an”, bekräftigt Mayo ohne Umschweife. „Sowohl ländlich als auch von der Größe her. Der Stadtkern ist schön überschaubar, du bist schnell im Grünen oder am Wasser – das genießen wir als Familie wirklich sehr.“ Frau und Tochter waren während des Großteils der Saisonvorbereitung noch in den Staaten, ehe sich kurz vor dem Start in die Spielzeit 2016/2017 in die Bundesstadt kamen. Mayo: „Wann immer du in ein neues Land, in eine neue Stadt ziehst, ist das wie ein kleines Abenteuer. Deswegen bin ich schon früh dazu übergangen, keine besonderen Erwartungen aufzubauen, sondern mich an den letztlich vor Ort gegebenen Umständen zu orientieren. Alles, worauf du hoffen kannst, ist, dass die Basics stimmen – und Bonn hat diesbezüglich bislang alles übertroffen.” Der 29-Jährige setzt dabei sein gewinnendes Lächeln auf, hebt leicht die Schultern zieht die Augenbrauen nach oben. „Wenn du bereits ein wenig rumgekommen bist, weißt du die kleinen Dinge im Leben wirklich sehr zu schätzen. Das fängt bei einem genügend großen Kühlschrank an und hört beim kurzen, unkomplizierten Weg von der Wohnung zur Halle auf.“

Observe, and respect and listen

Die Reise des Josh Mayo beginnt anno 2009 mit einem Flugticket gen Frankreich. Beim kleinen Zweitliga-Club Clermont-Ferrand stößt sich der Rookie in der “alten Welt” die Hörner ab. In der Folge geht es nach Lettland, in die Ukraine, nach Italien sowie Spanien, aber auch in die Türkei. Bei seinem Dienstantritt in Bonn kriegt ein weiteres europäisches Land den grünen Haken – und Mayo’s Reisepass einen Stempel mehr.

„Als neunjähriger Knirps hast du natürlich den Traum, eines Tages in der NBA zu spielen, ist doch klar“, gesteht Mayo. „Das hat sich bei mir mit der Zeit dahingehend gewandelt, dass ich in der Highschool – da muss ich um die 14 gewesen sein – festgestellt habe, wie ich mit den Älteren mithalten kann. Der Gedanke war: Vielleicht wird es für ein Stipendium am College reichen?!“ Der Kindertraum von der besten Liga der Welt weicht einer realistischen Vision dessen, was konkret erreichbar ist. Kleinschrittig geht es ab da vorwärts. An der University of Illinois-Chicago schraubt der Point Guard regelmäßig die Konkurrenz auseinander – und die Ansprüche an sich selbst weiter in die Höhe. Wobei abermals gereiftere Spieler als Gradmesser dienen.

Cedrick Banks. Europa-Legioinär. Vierfacher Allstar der französischen Beletage. Pokalsieger mit Orleans im Jahre 2010. Shooting Guard. Noch dazu Linkshänder. Mit einer Größe von 1,91 Metern und einer starken Grundphysis wie geschnitzt für den modernen Basketball. Aber vor allem: Abgänger der UIC, der während der Sommermonate gern in die Heimat zurückkehrt, um sich an seiner Alma Mater fit zu halten und an seinem Spiel zu feilen. Sechs Jahre Altersunterschied liegen zwischen Banks und Mayo – ein sportlich ewig langer Zeitraum. „Cedrick ist einer dieser Ehemaligen, von denen ich mir viel abgeschaut habe und an denen ich mich in der Offseason reiben konnte“, so Mayo. „Unsere Universität hat einige Jungs so weit entwickelt, dass sie anschließend Profis wurden und nach Europa gegangen sind. Wenn du gegen solche Spieler bestehst, stärkt das deine Überzeugung, es ebenfalls schaffen zu können.“

Enemies efforts are foreseen in the mental

Mit seinen 1,81 Metern hat Mayo es nicht nur über den großen Teich geschafft, sondern sich als veritabler Profi etabliert. „Wenn du nicht der größte Spieler auf dem Feld bist, dann musst du eben versuchen einer der smartesten zu sein“, berichtet der heute 29-Jährige. „Meine Eltern sind beide nicht besonders groß. Deswegen war früh klar, dass da auch bei mir nicht viel kommen würde.“ Doch der vermeintliche körperliche Nachteil gegenüber Hochgeschossenen ist in der Familie nie ein Argument, sich hängen zu lassen. „Stattdessen haben wir gelernt, dass es auf den Glauben an sich selbst und die richtige Arbeitseinstellung ankommt“, spricht Mayo auch im Namen seiner zwei Brüder. „Wenn du deine Größe nicht als limitierenden Faktor ansiehst oder als Ausrede gelten lässt, kommt es nur noch auf dich und deine Fähigkeiten an.“

Wer Mayo auf dem Parkett genauer unter die Lupe nimmt, erkennt schnell, dass der Guard mit allen erdenklichen Tricks arbeitet – an beiden Enden des Feldes. „Es kommt viel auf den Kopf an. Wenn du deinem Gegenspieler gedanklich zwei, vielleicht sogar drei Schritte voraus bist, ist das im Basketball unheimlich viel wert”, beschreibt er. „Wenn du dir Spielertypen wie Isaiah Thomas oder Chris Paul ansiehst, kannst du dir immer etwas abschauen. Sie sind tough, geben nie auf und bringen ihre Stärke gekonnt für die Mannschaft ein.“

Quick fast, I let the darts off, with no doubt

Der Werkzeugkoffer des Baskets-Aufbaus ist reichhaltig gefüllt, doch im Laufe seiner Karriere haben sich Fähigkeiten herauskristallisiert, welche dieser Tage als Korsettstangen seines Repertoires fungieren. Während der frühen Stationen in Clermont-Ferrand (Frankreich), Liepajas (Lettland) und Mykolaiv (Ukraine) ist es noch der schnelle erste Schritt und sein Zug ans Brett, die offensiv im Vordergrund stehen. In der vergangenen Saison 2015/2016 ist die basketballerische Evolution so weit abgeschlossen, dass er im italienischen Scafati sowohl den Punktelieferanten (15,7 PpS) als auch Dirigenten (5,2 ApS) mimt. Dabei bringt Mayo stattliche 52,1 Prozent seiner Würfe von jenseits der Dreierlinie auf den Weg – und versenkt von den 241 Versuchen deren 105 (43,6 Prozent Trefferquote).

In Bonn geht die Schere zwischen abgesetzten Schüssen von „Downtown“ und innerhalb des Perimeters noch weiter auseinander. Nach den ersten fünf Saisonspielen kommen fast zwei Drittel (64,4 Prozent) seiner Wurfversuche aus der Distanz. Seine Rolle bei den Baskets ist nicht mehr die des vornehmlichen Scorers, der bei zu viel auf sich gezogener defensiver Aufmerksamkeit auf den Nebenmann ablegt. Er ist vielmehr der Stratege im Hintergrund, der aus dem Backcourt heraus mit dem berühmt-berüchtigten Pass vor dem Assist die Fäden spinnt und nur bei Bedarf den eigenen Abschluss in Erwägung zieht. Ein basketballerischer Spagat, der dem Familienvater zunehmend besser gelingt. Beim 92:83-Sieg in  Göttingen überzeugte er durch eingestreute Nadelstriche von hinter der 6,75 Meter-Linie (3/7 Dreier) sowie als unmittelbarer Vorbereiter für die Nebenleute (acht Assists). Sein Credo: „Ich weiß, was ich kann und wie ich mein Spiel an das Level in der BBL anpassen muss.“ Josh Mayo ist bereit für große Taten.

 


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