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Feature: 37 Minuten mit Chris Ensminger

Der Baskets Center feiert seinen 37. Geburtstag - Bin sicher, dass in Bonn noch viel Gutes wachsen kann.

Kein Center der Beko Basketball Bundesliga hat die Fanlager je so sehr gespalten wie er. Gehasst von gegnerischen, abgöttisch geliebt von den eigenen Anhängern gleichermaßen respektiert von allen. Chris Ensminger feiert am 8. Dezember 2010 seinen 37. Geburtstag. Anlass genug, den zweifachen Familienvater zum Gespräch zu bitten. Dabei kam das längste, ausführlichste, tiefste und ehrlichste Interview mit Ense heraus, das Basketball-Deutschland je zu lesen bekam: 37 Jahre in 37 Fragen.

 

1) Wo begann vor 37 Jahren die Reise des Chris Ensminger?

 

Chris Ensminger: Ich wurde in Cincinnati, Ohio, geboren. Der 8. Dezember ist ebenso der Geburtstag meines Vaters, also war ich wohl eine Art Geburtstagsgeschenk für ihn er wird dieses Jahr 60. Ich habe einen jüngeren Bruder und zwei jüngere Schwestern. Mein ganzes Leben lang habe ich in Cincinnati gewohnt, bis ich erstmals die Stadt verließ, um ans College zu gehen.

 

2) Mit vier Kindern daheim war sicher einiges los im Hause Ensminger?

 

Ja sicher. Dadurch habe ich aber auch früh gelernt Verantwortung zu übernehmen. Mein Bruder ist 31, meine Schwestern 27 und 23 da habe ich oftmals den Babysitter geben müssen. Natürlich habe ich auch im Haus helfen müssen, um meine Eltern zu entlasten.

 

3) An welchem Punkt ist Basketball als wichtiger Bestandteil deiner Jugend in dein Leben getreten?

 

Da muss ich ungefähr neun Jahre alt gewesen sein. Ich spielte in meiner Schulmannschaft und einem Auswahl-Team. Ich war immer eines der größeren, dünneren Kinder, was es mir im Basketball leicht gemacht hat. Einen Großteil des Winters habe ich so immer in der Halle verbracht, ab dem Frühling bis in den Herbst hinein auch gerne Baseball und Football gespielt. Ich war immer schon sehr sportbegeistert und habe bis ans Ende meiner Highschool-Zeit viel ausprobiert.

 

4) Warum hast du dann Basketball den anderen Sportarten vorgezogen?

 

Ich denke, dass ich aus Basketball für mich persönlich am meisten mitnehmen konnte. Zudem war ich am Ende der neunten Klasse um die 1,80 Meter groß. Mit 16 oder 17 habe ich dann nochmals einen ziemlichen Wachstumsschub gemacht und habe binnen kurzer Zeit zehn oder zwölf Zentimeter zugelegt und plötzlich war ich 2,04 Meter. Tja, und dann bin ich auch schon an die Uni gegangen, um an meinen Basketball-Fertigkeiten zu arbeiten.

 

5) Kinder, die früh hoch aufgeschossen sind, werden von Gleichaltrigen oft deswegen gehänselt. Hast du das auch durchstehen müssen?

 

Hm , ein bisschen vielleicht. Es sieht aber auch seltsam aus, wenn ein Sechst- oder Siebentklässler so groß wie sein Lehrer ist. Auf der Highschool war ich aber nie der größte Jugendliche, aber immer noch deutlich über dem Durchschnitt. Ich habe eher versucht mit meinem Körper umzugehen. Zwar war ich recht groß, aber immer noch dünn, das kam sicher ulkig rüber. Wirklich bewusst geworden ist mir meine Größe damals an alten Golfschlägern, mit denen ich immer gespielt habe sie kamen mir irgendwann viel zu kurz und zu klein für mich vor.

 

6) Du sagtest, dass du immer in Cincinnati gewohnt hast, Wie schwer ist es dir gefallen, von dort an die Uni zu gehen?

 

Valparaiso ist mit dem Auto ungefähr vier, fünf Stunden entfernt. Das ist zwar nicht unendlich weit weg, aber immer noch weit genug, wenn man bis dahin immer zuhause gelebt hat. Es ist immer ein großer Schritt, wenn du das elterliche Haus verlässt, um ab da für dich allein verantwortlich zu sein. Mein damaliger Coach Drew hat mir bei der Umstellung wirklich sehr geholfen. Das Leben an der Uni war spaßig, aber definitiv auch eine Herausforderung. Du musst alles selber koordinieren: deine Kurse, dein Training, deine Mahlzeiten.

 

7) Das College-System aus den Staaten gibt es in Deutschland in dieser Form nicht. Was ist daran so besonders?

 

Es ist eine großartige Erfahrung, weil du in erster Linie viele neue Menschen kennen lernst. Du lässt viele Freunde von der Highschool hinter dir und öffnest ein komplett neues Kapitel in deinem Leben. Für mich waren es vier wunderbare Jahre, in denen ich viel gelernt und erlebt habe. In denen ich meine Frau zwar nicht an, aber in der Nähe der Uni kennen gelernt habe. In diesen vier Jahren durchläufst du einen Reifeprozess, den du zu einem Großteil mit deiner Mannschaft durchlebst. Deine Mitspieler werden zu einem Teil deiner Familie, genauso wie die Trainer und alle anderen, die in das Programm involviert sind. Ich denke, dass dieses ganze Campus-Leben genau das ist, was den besonderen Reiz des College ausmacht und weswegen viele Leute sagen, dass diese vier Jahre die beste Zeit ihres Lebens gewesen sind. Man macht viel gemeinsam durch, wird sportlich und akademisch gefordert, und am Ende steht mit dem Abschluss die Belohnung für all die Bemühungen aus. Als Alumni eines College vertritt man seine Universität auch immer nach außen hin mit Stolz.

 

8) Immerhin hast du es als einer der fünf bekanntesten Abgänger zu einem Wikipedia-Eintrag geschafft.

 

Oh, das wusste ich gar nicht. Der bekannteste Valparaiso-Alumni zumindest wenn es um Basketball geht dürfte aber Coach Drews Sohn Bryce sein, der sich mit The Shot (Link zum Video auf Youtube) 1998 in die Geschichtsbücher der NCAA geworfen hat und später mehrere Jahre in der NBA spielte.

 

9) Wie war deine Eingewöhnungszeit am College?

 

In meinem ersten Jahr als Freshman wollte ich einfach nur meinen Platz finden und so hart wie möglich an mir arbeiten, um mir den Respekt der Älteren zu verdienen. Auf der anderen Seite musst du sie respektieren, denn sie haben bereits viel investiert und dürfen sich auch mal einen Spaß mit den jüngeren Jahrgängen erlauben. Ungefähr zur Mitte meines Sophomore-Jahres hat sich das bei mir dann verändert, da ich zu diesem Zeitpunkt öfter gestartet bin und eine größere Rolle im Team hatte. Abseits des Feldes haben die einzelnen Jahrgänge meist zusammen abgehangen und Dinge unternommen, aber der gegenseitige Respekt war immer da. Valparaiso war damals nicht besonders bekannt, aber wir haben es in meinen vier Jahren erstmals bis ins NCCA-Tournament geschafft und uns einen gewissen Namen gemacht. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir als Spieler nicht zueinander gestanden hätten.

 

10) Hast du immer noch Kontakt zu deiner Alma Mater?

 

Ja. Wie gesagt, meine Frau kommt aus der Gegend, und immer, wenn wir im Sommer bei ihrer Familie sind besuchen wir natürlich auch den Campus. Die Kinder können dort ein bisschen spielen, ich kann den Kraftraum und die Halle nutzen, um mich fit zu halten. Es ist schön, denn viele der Leute, die mich damals an der Uni begleiteten, arbeiten auch heute noch dort. Natürlich hat es im Laufe der Jahre auch Veränderungen gegeben, aber ich bin immer in Kontakt mit Coach Drew geblieben. Ich schätze diese Dinge wirklich sehr, und es fühlt sich jedes Mal an, als ob man nach Hause kommt.

 

11) Wann hast du während der vier Jahre an der Valparaiso University für dich festgestellt, dass es zu einer Profikarriere reicht?

 

Ich würde sagen, gegen Ende meines Junior-Jahres. Ich hatte einige Mannschaftskollegen, die vom College aus nach Europa gegangen sind, um hier professionell Basketball zu spielen. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir gar nicht bewusst, dass das auch für mich eventuell eine Option sein könnte. Also machte mich mir einen Plan, dass, wenn es nicht für die NBA reichen sollte, es da immer noch eine zweite Option gab. Ich dachte mir, dass das sicher eine spannende Erfahrung sein würde. Und als es in den Staaten nicht geklappt hat, habe ich genau diesen Schritt unternommen.

 

12) Aber für die Draft 1996 hast du dich angemeldet, oder?

 

Ja, ich war verfügbar, auch wenn ich vielleicht nur ein später Zweitrunden-Pick gewesen

wäre...

 

13) Entschuldige, aber Todd Fuller und Lorenzen Wright waren beide Center, die in der ersten Runde über den Tisch gingen und gut waren die nicht. Außerdem wurde dein ehemaliger Bamberger Kollege Jason Sasser an 41. Stelle gezogen.

 

Das mag sein, aber der Jahrgang als Ganzes wird nach wie vor als einer der besten der NBA angesehen. Ich habe damals um die 120 Kilogramm gewogen und war immer noch dabei mehr Masse aufzubauen. Die Scouts, die damals zu unseren Spielen kamen, sagten, dass ich genau zwischen den Positionen Power Forward und Center hänge, mir etwas an Athletik fehlt und ich körperlich zulegen müssen, um wirklich eine Chance zu haben. Die meisten Center in der NBA waren zu dieser Zeit gestandene Seven-Footer. Also zog ich die Europa-Karte. Und wenn du einmal in Europa bist, ist es sehr schwer wieder zurück zu gehen zumindest, wir von einer richtig guten NBA-Karriere sprechen. Da musst du dich schon bei richtigen guten Clubs wie Tel Aviv oder Barcelona bewiesen haben. Bis 27, 28 hast du da noch eine Chance, aber danach ist es vorbei.

 

14) Bis wann hast du den Traum von der NBA noch verfolgt?

 

Bei mir waren es ungefähr zwei, drei Jahre nachdem ich aus dem College raus war. Da habe ich gemerkt, dass es mit der NBA eben nicht sein sollte und hatte bereits den Entschluss gefasst, eine möglichst erfolgreiche Karriere in Europa zu haben. Die Bundesliga ist eine überdurchschnittlich starke Liga, also ich nicht sonderlich traurig über diese Erkenntnis.

 

15) Als du damals aus den Staaten zu deiner ersten Profistation nach Tours (Frankreich) gekommen bist, was war für dich die höchste zu nehmende Hürde?

 

Als erstes war da natürlich die Sprache, aber auch die Tatsache, dass ich plötzlich komplett alleine leben und irgendwie klarkommen musste. Auch wenn du am College nicht bei deiner Familie bist, so wohnst du mit anderen Mitschülern in einer Bude und kannst damit viel wettmachen. Aber in einer vollkommen anderen und fremden Kultur aufzuschlagen, war eine riesige Herausforderung für mich. Wir hatten in Tours nur einen weiteren Amerikaner im Team, und plötzlich war Basketball eben mein Job das fühlte sich zunächst seltsam an.

 

16) Doch wie schon im College hast du erneut ein neues Kapitel aufgeschlagen.

 

Tours hat damals in der französischen ProB gespielt, die sehr wettkampfstark war. Und so sah ich mich in einer guten Situation, um mich dort zu beweisen und für höhere Aufgaben zu empfehlen. Viele Amerikaner kommen nach Europa, spielen hier zwei oder drei Jahre und stellen dann fest, dass es doch nichts für sie ist. Das ist vollkommen legitim, und auch ich hatte zwischendurch meine Probleme. Die ersten zweieinhalb Jahre als Profi war meine Frau noch in den Staaten, da sie dort einen Job angenommen hatte, ehe sie mir dann folgte. Das war eine schwere Zeit, aber es hat sich alles zum Guten gewendet.

 

17) Hast du dein physisches Spiel erst in Europa entwickelt, oder war das bereits am College dein Markenzeichen?

 

Ich würde es eher aggressiv nennen. Das kam während meiner Zeit am College, denn da musst du in jedem Training, in jedem Spiel um deine Position, um Spielzeit kämpfen. Durch die insgesamt vier Jahrgänge hast du teilweise fünf oder sechs Jungs, die sich um eine Position kloppen. In Europa war es dann eben so, dass ich meine Leistung bringen musste, immerhin war Basketball jetzt mein Job. Und weil das eben im Job so ist: Wenn du deine Leistung nicht bringst, kannst du im schlimmsten Falle ganz schnell gefeuert werden. Bis heute habe ich immer im Hinterkopf, dass es hier um meine Position geht. Einer unserer Assistenz-Trainer in Valparaiso hat einmal gesagt, dass in den Staaten hunderte von Jungs nur darauf warten, deinen Job zu bekommen. Also gebe ich Gas. Das ist ein Teil des Profi-Daseins, den man lernen muss. Deswegen gebe ich immer einhundert Prozent. Wenn man also meine aggressive Spielweise mit hundertprozentigen Einsatz verknüpft, weiß man, wo das herkommt.

 

18) Ist das der Grund, warum du dich bis heute in der Beko BBL gehalten hast, oder welche würdest du als deine wertvollste Qualität als Spieler bezeichnen?

 

Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet ist es ganz klar meine Erfahrung. Das ist etwas, was du nicht lernen, sondern nur im Laufe der Jahre aneignen kannst. Ich spiele seit Jahr und Tag weitestgehend den gleichen Stil. Wie bereits gesagt: Ich war nie besonders athletisch, ich war nie besonders schnell also konnte ich auch nie an Schnelligkeit oder Athletik verlieren. Was mir definitiv hilft, ist, dass ich jetzt viel beweglich bin. Ich stretche mich viel, arbeite viel an meiner Motorik. In diesem Punkt bin ich viel weiter, als am Ende meiner College-Zeit. Ich habe gelernt, viel mehr auf meinen Körper zu achten, denn im Basketball ist dein Körper nun mal dein Arbeitsinstrument. Die Saison ist lang, da muss dein Körper gepflegt werden. Gesund zu bleiben und damit die Grundvoraussetzung zu schaffen, auf hohem Level zu spielen, hat oberste Priorität.

 

19) An dieser Stelle ist wohl ein Lob an deine Frau fällig?!

 

Oh ja, sie kocht großartig. Sie unterstützt mich schon so lange bei dem was ich tue, dabei musste sie zunächst Freunde und Familie zurücklassen, um in Europa zu mir zu stoßen. Dabei geht es ja nicht nur um mich, dann sie kümmert sich noch um unsere Kinder und musste sich am Anfang auch erstmal an das Leben in einem zunächst fremden Land gewöhnen. Ihre Unterstützung ist toll, sie hat auch in schwierigen Zeiten zu mir gestanden, da sie weiß, wie sehr ich meinen Job liebe dafür bin ich ihr jeden Tag von Herzen dankbar.

 

20) Bei schwierigen Zeiten müssen wir auf Bamberg zu sprechen kommen. Deine letzte Saison dort (2007/2008) war für dich besonders hart. Ist dir damals immerhin warst du schon gut in den Dreißigern der Gedanke gekommen, dass dies dein letztes Jahr als Profi hätte sein können?

 

Auf jeden Fall. Man hat es im Hinterkopf, aber man setzt sich damit nie auseinander, ehe es dann soweit ist. Ich wusste, dass ich immer noch ein guter Spieler war, ich wusste, dass ich der Mannschaft im Training weiterhelfen konnte. Wir sind damals nach der Saison zurück in die Staaten geflogen und haben einige persönliche Dinge bereits mitgenommen. Unsere restlichen Dinge hatten wir bei einem Freund in Bamberg deponiert, sodass wir es hätten rüberschicken lassen können, wenn sich nichts mehr getan hätte. Ich habe mich in den USA fit gehalten und darauf gewartet, dass sich für mich eine Gelegenheit auftut es war lediglich eine Frage des Wann und Wo. Dann kam Paderborn auf mich zu, und mit Coach Doug Spradley wir spielten in meiner ersten Deutschland-Station in Weißenfels zusammen war dieses eine Jahr wirklich toll. Als Team sind wir in die Playoffs gekommen und haben Berlin über fünf Spiele gefordert damit hatte niemand gerechnet. Das war ein Riesenerfolg für den Verein, und ich hatte bewiesen, dass ich immer noch spielen kann.

 

21) Was genau ist in Paderborn mit dir passiert? War es einfach nur die Tatsache, dass Coach Spradley dir vertraut und Spielzeit gegeben hat? Du wirktest dort im Gegensatz zu deinem letzten Jahr in Bamberg wie verwandelt.

 

Ja, Doug wollte mich als Starter auf der Fünf haben, ich sollte 20, 25 Minuten spielen und das Team zusammen halten. Paderborn ist einer der kleineren BBL-Standorte gewesen, sie hatten keinen großen Etat, also ging es darum, den Club als Ganzes voranzubringen und sich persönlich möglichst gut zu präsentierten. Und so bin ich dann in Bonn gelandet.

 

22) Es muss sich gut angefühlt haben, den vielen Kritikern zu zeigen, dass du noch einiges im Tank hast?!

 

Klar, das war toll. Wenn du etwas zu beweisen hast, kannst du entweder den Test bestehen oder aufgeben. Ich habe nie aufgegeben, dafür bin ich einfach nicht der Typ. Paderborn war genau der richtige Platz für mich. Doug ist ein großartiger Trainer, der aus den ihm gegebenen Mitteln immer viel rauszuholen weiß. Das war in Paderborn so, als er aufgestiegen ist, das ist auch jetzt in Bremerhaven der Fall.

 

23) Paderborn hat dich damals erst kurz vor Saisonbeginn verpflichtet. Hattest du da schon ein Notfallplan für den Fall, dass doch kein Angebot mehr kommt?

 

Nicht wirklich. Ich hatte darüber nachgedacht in Richtung Coaching zu gehen, aber als ich im Juli in die Staaten kam, war der Zug eh schon abgefahren. Im Juli suchen haben die meisten Mannschaften schon ihren Trainerstab beisammen und sind dabei Spieler zu rekrutieren. Also blieb mir nichts anderes, als geduldig zu bleiben.

 

24) Hast du im Laufe deiner 15 Profijahre Angebote aus anderen Ländern gehabt, wo du im Nachhinein sagen würdest, dass das eine interessante Erfahrung hätte sein können?

 

Italien oder Spanien hätte ich wirklich spannend und interessant gefunden. Aber das hat sich nie wirklich ergeben, da ich in Deutschland sehr gut aufgehoben war. In Bamberg war es so, dass mir der Club im Laufe der Saison zwischen Dezember und Februar ein Verlängerungsangebot gemacht hat. Um tatsächlich in Kontakt mit anderen europäischen Vereinen zu kommen, hätte ich also ablehnen und bis zum Sommer warten müssen. Dann kam unser zweites Kind, wir hatten uns in Deutschland eingelebt, wussten was wir hier hatten, und so sind wir eben geblieben. Ich bin mir sicher, dass sich im Sommer eine Gelegenheit für einen anderen europäischen Verein aufgetan hätte, aber wir waren glücklich mit unserer Situation, also sind wir geblieben. Da hätte mir schon jemand sehr viel mehr Geld bieten müssen, um ernsthaft über einen Umzug nachzudenken.

 

25) Wäre es in dem Fall eine Option gewesen, dass du den Job annimmst und deine Familie in Deutschland geblieben wäre? Immerhin hattet ihr hier Kontakte geknüpft, euer erstes Kind war im Kindergarten, etc,

 

Nein, wahrscheinlich nicht. Ich denke, dass wir in diesem Falle gemeinsam gegangen wären, oder meine Familie zurück in die Staaten geflogen wäre. Aber das sind gewisse Unwegsamkeiten, die du in diesem Job nie ganz einschätzen kannst. Hätten wir von Anfang an gewusst, dass wir sieben Jahre in Bamberg bleiben, hätten wir uns vielleicht ein kleines Haus gekauft. Vieles hängt ja auch vom sportlichen Erfolg ab. Nach der ersten Meisterschaft haben wir in der Euroleague gespielt, danach kam die zweite Meisterschaft das war schon sehr attraktiv.

 

26) In Bamberg warst du beliebt, alle anderen haben dich gehasst. Beim ALLSTAR Day 2010 im Telekom Dome stand plötzlich ganz Basketball-Deutschland hinter dir. Das hat bestimmt auch an deinem Dreier gelegen. Kannst du dich noch daran erinnern, wann du zuletzt in einem Ligaspiel von Downtown getroffen hast?

 

(tut so, als ob er überlegen müsste) In Leverkusen. Ich weiß nur noch, dass die Zeit runterließ und ich ihn als Hook-Shot genommen habe.

 

27) Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, nicht an deinem Dreier, aber an deinem Midrange-Game zu arbeiten und deinem Spiel eine neue Dimension hinzuzufügen?

 

Als ich frisch vom College kam, war mein Mitteldistanzwurf gar nicht so schlecht. In Europa hast du aber viele Spieler, die sich genau in diesem Bereich gern aufhalten und dort punkten. Meine wirkliche Stärke war aber schon immer das Spiel am Brett. Durch den modernen Basketball stehe ich bei Pick-and-Rolls natürlich auch schon mal an der Dreierlinie und könnte von dort draufhalten, aber das ist nicht mein Fokus. Gegen Ende eines Spiels oder bei runtertickender 24-Sekunden-Uhr würde ich schießen, sonst aber nicht. Und das macht ein gutes Team ja aus, wenn die Spieler ihre Stärken kennen und diese einzusetzen wissen.

 

28) Auffällig ist, dass sich deine Freiwurfquote verbessert hat. In Bamberg war Hack-a-Ense ein probates Mittel, dieser Tage geht das nicht mehr. Hast du deinen Ablauf beim Wurf verändert?

 

Ich habe ein bisschen was an meiner Schuss-Routine getan. Das fing schon in Paderborn an, wo Coach Spradley mir viel Selbstvertrauen gegeben hat. In Bonn habe ich mit Coach Koch weiter daran gearbeitet, sodass ich aktuell recht glücklich mit meinem Wurf von der Linie bin. (lacht) Die Bamberger Ringe waren mir einfach nicht wohlgesonnen.

 

29) Gibt es etwas, das du gern in deinem Fertigkeiten-Repertoire hättest?

 

Ich würde gern Alley-Oops fangen und dunken können das wäre ein Spaß! Vielleicht ist es das Timing, vielleicht auch nur die Sprungkraft es soll eben nicht sein. Wenn du dir Jungs wie Dwight Howard (Spieler bei Orlando Magic in der NBA, Anm. d. Red.) anguckst, dann sieht das immer so einfach aus.

 

30) Nichts gegen Dwight Howard, aber dafür hat er nur eingeschränkte Post-Moves am Start...

 

Das ist eben der Wandel der Generationen. Als ich groß wurde habe ich Jungs wie Patrick Ewing, Hakeem Olajuwon, Kevin McHale oder Kareem Abdul-Jabbar zugeschaut. Diese Jungs haben die Fundamentals beherrscht, Spielern wie mir damit vermittelt, dass dies der richtige Weg zu spielen ist. Die junge Generation will nur noch stopfen oder Dreier schießen. Aber wie viele können heutzutage noch einen linkshändigen Hakenwurf? Basketball hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren sehr verändert.

 

31) Hast du das Gefühl zu einer aussterbenden Art zu gehören?

 

Naja, ich habe schon immer so gespielt, und bis jetzt bin ich damit bestens zurecht gekommen. Es geht dabei für mich darum, möglichst effizient zu sein, die fundamentalen Dinge zu tun die dem Team helfen. Das wird so bleiben, bis ich irgendwann aufhöre professionell Basketball zu spielen wann immer das auch sein mag. Ich denke, dass viele dieser Dinge weitergegeben werden müssen, und ich sehe gerade im Highschool- und College-Bereich einen Mangel an Coaches, die den Big Men genau diese Dinge vermitteln. Meine Art zu spielen mag vielleicht nicht spektakulär sein, aber sie funktioniert. Ich glaube, dass auch im Basketball alles zum Ursprung zurückkommt und die Oldschool-Spielweise eines Tages wieder weiter verbreitet sein wird.

 

32) Oldschool hin oder her aber das ist doch kein Grund, gleich im Trainingsanzug über den Bonner Weihnachtsmarkt zu gehen, oder?

 

(setzt sein Boris-das-war-kein-Foul-Lächeln auf): Kann nicht sein, ich habe höchtens meine winterfeste Team-Jacke getragen. Aber allein die Trainingshose wäre viel zu kalt dieser Tage. Keine Sorge, ich besitze auch normale Kleidung in meinem Schrank.

 

33) Gegen Ende müssen wir noch eins klären: Ist dir im Leben schon mal etwas passiert, dass härter als dein eigener Ellbogen war?

 

(lacht) Gute Frage, ich habe meinen Ellbogen selbst noch nie abbekommen. Die Frage ist eher, ob es überhaupt etwas Härteres als meinen Ellbogen gibt?!

 

34) Wer war denn bis dato dein härtester Gegenspieler, mit dem du es zu tun hattest?

 

Uff, das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass Dickey Simpkins wahrscheinlich der körperlich stärkste Spieler war, mit dem ich es je zu tun bekommen habe. Als er mit seinen 35, 36 Jahren nach Bamberg kam hatte er immer noch eine unheimliche Physis, sein Oberkörper war unfassbar stabil. Der wahrscheinlich größte Spieler, gegen den ich ran musste war Thomas Hamilton, ein 2,18m-Center, der um die 150 Kilo gewogen hat und einige kurze NBA-Auftritte hatte.

 

35) Gab es jemals eine Situation auf dem Feld, wo du einen Gegenspieler überhaupt nicht halten konntest?

 

Nein, würde ich nicht sagen. Klar haben einige Leute schon gute Spiele gegen mich gemacht. Aber es war nie so, dass ich beim zweiten Aufeinandertreffen zurückgeschreckt bin und mich verkrochen habe. Ich sehe das eher als Herausforderung. Luis Scola, wir spielten damals mit Bamberg in der Euroleague gegen Tau Ceramica, war so einer. Er ist ein sehr guter Spieler, der uns ordentlich eingeschenkt hat. Aber das ist ja auch der Reiz an sportlichen Wettbewerb, jemandem dann umso mehr zu stoppen.

 

36) Wenn die 37 Jahre des Chris Ensminger demnächst verfilmt würde, wer dürfte deine Rolle übernehmen?

 

George Clooney.

 

37) Kommen wir zum Ende: Welche Schlagzeile möchtest du über dich in den regionalen Zeitungen am liebsten lesen?

 

Irgendwas, das mit der ersten Bonner Meisterschaft zu tun hat. Ich meine, niemand hat vor anderthalb Jahren damit gerechnet, dass ich hier spielen würde. Wir hatten in Bamberg immer eine gute Rivalität mit den Baskets. Ich wurde in der Hardtberghalle oft ausgebuht, aber der Zuspruch seit meiner Ankunft hier zeigt, wie sehr das Bonner Publikum mein Spiel respektiert. Die Stadt und der Verein sind großartig, und ich bin sicher, dass daraus noch viel Gutes entwachsen kann.

 

Das Interview führte Jörg Bähren

 

 


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