SucheSuche

Feature: Matchup-Führer Wise vs. Ratkovica

Vor dem Spiel der Telekom Baskets Bonn gegen die WALTER Tigers Tübingen liegt der Fokus auf der Aufbau-Position

Basketball ist ein Mannschaftssport. Eine alte Weisheit besagt gar There is no I in Team. Und doch kommt es natürlich auf die Einzelteile an, welche in entsprechender Kombination miteinander harmonisieren und zum Erfolg führen sollen. Grund genug, einige Spieler genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Vorfeld der kommenden fünf Begegnungen der Telekom Baskets Bonn wird es eine Analyse geben von Point Guard bis Center. Den Anfang machen Baskets-Spielmacher Nic Wise und Tigers-Regisseur Branislav Ratkovica.

 

Branislav Ratkovica: Geduld und Übersicht

 

Der designierte Starter auf der Eins bei den WALTER Tigers Tübingen ist in seiner mittlerweile vierten Erstligasaison in Deutschland. Das erste Jahr verbrachte Branislav Ratkovica in Oldenburg hinter dem Ex-Bonner Jason Gardner von der Bank kommend. Dennoch darf die Saison 2007/2008 gut und gern als diejenige angesehen werden, die den Serben entscheidend prägte. Im Training ging es regelmäßig gegen einen der besten Aufbauspieler jener Zeit in der BBL, an den Spieltagen selbst konnte Ratkovica die Gepflogenheiten der deutschen Beletage studieren. Mit seinem Umzug gen Tübingen zur Saison 2008/2009 offenbarte sich langsam aber sicher sein Potential als Führungskraft auf dem Feld. In seinem ersten Jahr als Tiger legte er 9,4 PpS und 2,3 ApS auf, steigerte sich 2009/2010 auf satte 10,7 PpS und 5,7 ApS, ehe seine Qualitäten als ligaweites Alphatier auf der Position des Point Guards dieser Tage mit 13,1 PpS und 7,6 ApS vollends durch die Decke gehen.

 

Mit 25 Jahren steht der Serbe erst am Beginn seiner besten Basketballer-Jahre, hat aber schon einiges an Erfahrung auf dem Buckel. Dies hat vornehmlich mit seinen Mannschaftskollegen zu tun, von denen er sich viel abschaute. Zwei der prägendsten Figuren dürften in diesem Zusammenhang der eingangs erwähnte Gardner sein, aber auch Sasa Nadjfeji, mit dem er 2009/2010 eines der effektivsten Pick-and-Rolls der Beko BBL zelebrierte. Seine Größe von 1,94 Metern hilft ihm im Spielaufbau immens gegen beinahe ausnahmslos kleinere Verteidiger. Ratkovica hat zu jeder Zeit auf dem Feld einen guten Überblick darüber, wo sich seine Mitspieler befinden und wo sie eigentlich stehen sollten.

 

Die 24-Sekunden-Uhr im Hinterkopf tickend, dirigiert er seine Nebenleute mit stoischer Ruhe auf die richtige Position, um die gegnerische Verteidigung bestmöglich auszuhebeln. Aus dem von Tübingen oft gelaufenen Pick-and-Roll heraus liest er die Verteidigung sehr gut und reagiert entsprechend. Dabei versucht er im Stile eines klassischen Pass first-Aufbaus seine Mitspieler in Szene zu setzen anstatt den eigenen Abschluss zu suchen. Der Dreier Ratkovicas (27,6 Prozent Trefferquote) ist mehr als wackelig, auch sein Midrange-Game ist eher unterer Durchschnitt. Dank seiner Größe tritt er bei sich auftuenden Lücken die Flucht nach vorn ans Brett an. In der Zone kann er entweder selbst abschließen, gegen die Rotation der Verteidigung den Durchstecker auf den freien Center anbringen oder zumindest ein Foul erzwingen. Mit bislang 110 abgefeuerten Freiwürfen rangiert er ligaweit auf Platz drei, lediglich Frankfurts DaShaun Wood (126) und Ulms Per Günther (111) durften öfter ohne Gegenwehr schießen. Defensiv helfen Ratkovica seine 194 langgestreckten Zentimeter, um selbst gegen Flügel- oder in Ausnahmefälle auch Innenspieler zu bestehen. Am Ball könnte er ob seiner Armlänge mehr Abstand lassen, um den gegnerischen Drive zu verhindern, was er allerdings meist nicht tut und stattdessen auf Tuchfühlung geht.

 

Nic Wise: Das Gaspedal am Anschlag

 

Baskets-Regisseur Nic Wise muss bei seiner ersten Profistation direkt Verantwortung übernehmen. Nach vier College-Jahren bei den Arizona Wildcats wurde er gleich mit dem Posten als Steuermann auf der Baskets-Brücke betraut. Anderes Land, andere Kultur, andere Gangart in der Liga. Alles Dinge, an dies sich der Neu-Bonner in Windeseile gewöhnen musste. Zu seinem Vorteil ist er der einzige College-Abgänger, der im Sommer seinen Weg in den Telekom Dome fand. Lies: Wise hat viel Erfahrung um sich und muss nicht zwangsläufig die Rolle des Alphatiers übernehmen, welche er bei den Wildcats noch inne hatte. Trotzdem erwartet Coach Michael Koch von seinem verlängerten Arm auf dem Feld, dass er Verantwortung übernimmt und das Tempo diktiert.

 

Das gilt vor allem in der Transition, wenn es nach einem Ballgewinn oder Rebound in Richtung gegnerischer Korb geht. Hier ist Wise als blitzschneller Entscheider gefragt, der versucht eine Überzahlsituation auszunutzen oder das Tempo rausnimmt und ein System läuft. Im offenen Feld besticht der 1,78 Meter kleine Amerikaner durch seine ungeheure Schnelligkeit und das sichere Händchen am Ball. Einmal in Schwung kann kein Verteidiger der Beko BBL seinen Richtungswechseln oder Tempoverschärfungen folgen. Das komplette Flügel-Arsenal der Baskets ist athletisch genug, um über die Außenbahnen kommend etwaige Vorlagen des Guards postwendend zu verwerten.

 

Im Setplay suchte Wise zu Beginn der Saison oft das Zusammenspiel mit Chris Ensminger im Lowpost, erkennt aber zunehmend die Vorlieben seiner benachbarten Swingmen. Dies wurde Ende Dezember in den Spielen gegen Frankfurt und Quakenbrück deutlich, als er sieben, bzw. fünf Assists verteilte. Sein am College durchaus vorzeigbarer Dreier (2008/2009: 41,5 Prozent) indes hat den Sprung nach Europa noch nicht geschafft (2010/2011: 13,4 Prozent). Umso mehr muss sich Wise auf seinen Stepback-Jumper aus der Mitteldistanz verlassen, den er auch gern gegen größere Verteidiger erfolgreich an den Mann bringt. Im Zonenkampf machen sich die fehlenden Zentimeter durchaus bemerkbar. Sollte der 23-Jährige im Laufe seiner Karriere einen gepflegten Floater in sein Offensiv-Repertoire aufnehmen können, wird auch sein Punkteschnitt von aktuell 12,2 Zählern pro Partie einen Sprung nach oben machen.

 

 

 

 


Druckansicht zum Seitenanfang