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Herrscher über die Zone

Mit Chris Ensminger und Patrick Femerling treffen am Freitagabend im Telekom Dome zwei vom Aussterben bedrohte Spielertypen aufeinander.

Vor Jahrmillionen starben die Dinosaurier aus. Durch ihre plötzliche Abstinenz entwickelte sich eine völlig neue Herrschaftsstruktur auf unserer schönen Erde, die schlussendlich dazu führte, dass Menschen die dominierende Spezies sind. Im Basketball schlug vor elf Jahren in der NBA ein fleischgewordener Meteor ein, der das klassische Bild eines Innenspielers derart nachhaltig verändern sollte, dass seither die großen Pivoten unserer Zeit um ihre Existenzberechtigung bangen müssen.

 

Was mit dem damals hageren Dirk Nowitzki als Dreier ballernder Seven-Footer als Point Foward begann, breitete sich wie eine Seuche im Naismith’schen Universum aus. Aus Aufbau und Flügelspielern wurden plötzlich Combo Guards, aus großgewachsenen Werfern mit Drang zum Korb wurden Swingmen. In einer Welt der Variabilität schien plötzlich kein Platz mehr zu sein für plumpe Hünen, die lediglich in Zonennähe weideten und sich von Hakenwürfen, Rebounds und Blocks ernährten. Doch es gibt noch einige wenige dieser Art, die respektvoll Brettcenter genannt werden und sich gegen das Ende ihrer Ära stemmen.

 

Wenn die Telekom Baskets auf ALBA Berlin treffen, stehen gleich zwei Center der alten Schule auf dem Parkett: Chris Ensminger und Patrick Femerling. Mit 36 (Ensminger) und 35 Jahren (Femerling) auf dem Buckel haben sie den Herbst ihrer Karriere erreicht einen sonnigen noch dazu. Oft haben Kritiker ihnen vorgeworfen, sie seien in ihren Bewegungen limitiert. Das ist richtig, doch wird dabei nur allzu gern vergessen, wie ungemein effektiv jeder der beiden auf seine Art ist. Und um den Gewinn eines Schönheitspreises ist es ihnen nie gegangen. Wenn Ense den landesweit gefürchteten Ellbogen auspackt, um sich mit dessen Hilfe um den Verteidiger herum zu arbeiten, dann ist das die präzise Abwicklung motorischer Abläufe. Das gleiche Bild zeichnet sich auf der anderen Seite bei Socke ab, für dessen Babyhook mit sauber vorgehaltener Schutzhand (lies: Abstandhalter für den Verteidiger) es bis heute kein adäquates Gegenmittel gibt.

 

Dass beide mit Mitte dreißig noch auf nationalem, aber vor allem internationalem Niveau mithalten können, verdanken sie der sorgsamen Pflege des eigenen Körpers. Im Falle von Chris Ensminger erkennen die jüngeren Teamkameraden, dass mit kleinen Kniffen viel erreicht werden kann. Chris ist mit Sicherheit auch deshalb noch so unfassbar fit, weil er extrem gut auf seine Ernährung achtet, weiß Alex King zu berichten. Und fügt mit einem Lachen neidvoll anerkennend an, dass seine Frau einfach fantastisch kochen kann.

 

Natürlich haben Ensminger und Femerling sich im Laufe der Jahre spielerisch entwickelt und ihrerseits Veränderungen an ihrer Spielweise vorgenommen und seien sie noch so klein. War der klassische Center in den Neunziger ausschließlich am Zonenrand oder in Ausnahmefällen an der Freiwurflinie zu finden, so ist der Fünfer in der Moderne aktiv gefordert. Allein durch das taktische Mittel des Pick-and-Roll zieht es die Pivoten immer öfter bis hinaus an die Dreierlinie, um im Zusammenspiel mit einem kleineren Mitspieler Druck auf die Verteidigung auszuwirken.

 

Der wahre Wert der langen Garde aber macht sich erst in der eigenen Hälfte bemerkbar. Typen vom Verschlag eines Chris Ensminger oder Patrick Femerling stellen die letzte Bastion der Verteidigungsreihen dar. Besonders mit den neuen Linien wird es für die Außenspieler mehr Möglichkeiten geben, in die Zone zu ziehen, um den Abschluss direkt am Brett zu suchen. Dort allerdings warten in finaler Instanz die schweren Jungs sie nehmen Offensiv-Fouls an, blocken Würfe, oder verändern durch ihre Präsenz zumindest die Flugkurve des Balls. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Center oftmals deswegen früh mit einer hohen Foulbelastung zu kämpfen haben, da die Vorderleute in der Verteidigung schlichtweg geschlafen und ihren Mann haben vorbeiziehen lassen. Und wer muss es dann ausbügeln? Genau, der grobschlächtige Big Man.

 

Das Spiel als solches entwickelt sich rasend schnell. Spieler werden immer schneller, können höher springen und besser werfen. Doch egal was auch passiert, ein echter Center hat in jedem System seine Daseinsberechtung. Es werden immer Würfe daneben gehen, die eingesammelt sein wollen. Es werden weiterhin kleine Verteidiger vom Angreifer geschlagen, die in der Zone gestellt sein wollen. Es werden wieder und wieder Blöcke gestellt, die nur ein breiter Innenspieler effektiv setzen kann. Wenn Patrick Femerling und Chris Ensminger aufeinanderprallen, ist das nicht die Begegnung zweier altmodischer Routiniers, sondern vielmehr ein klares Zeichen, dass sich Qualität noch immer durchgesetzt hat.

 


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